Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Hau chen. Darum muß ein Baumeister nicht blos das,was seiner Kunst eigen ist, verstehen, sondern über- haupt ein Mann von Verstand und reifer Beur- theilung seyn, der zugleich die Welt und die Lebens- art aller Menschen, von welchem Stande sie seyen, genau kennet. Ein unverständiger, oder ein leicht- sinniger und ausschweifender Baumeister kann Ge- legenheit zu mancher Unordnung in der Lebensart geben, und ein ganz vernünftiger hingegen kann viel zu einer vernünftigen und ordentlichen Lebens- art beytragen. Es gehört also mehr dazu, als die Säulenordnungen, oder eine regelmäßige Fassade zeichnen zu können. Wo es irgend angeht, so thut man wol, wenn Die Tiefe solcher Häuser wird am besten von 48 Häuser, die nur für eine Familie gebauet werden Bey der merklichen Erhöhung des untersten Bo- Hau Hel metrie angestoßen wird, wie man in Berlin sehrhäufig sehen kann. Die gute oder schlechte Bauart gemeiner Wohn- Held. (Dichtkunst.) Die Hauptperson des Heldengedichts, wie Achilles Darum muß der Held des Stüks eine wichtige pöe U u u 3
[Spaltenumbruch] Hau chen. Darum muß ein Baumeiſter nicht blos das,was ſeiner Kunſt eigen iſt, verſtehen, ſondern uͤber- haupt ein Mann von Verſtand und reifer Beur- theilung ſeyn, der zugleich die Welt und die Lebens- art aller Menſchen, von welchem Stande ſie ſeyen, genau kennet. Ein unverſtaͤndiger, oder ein leicht- ſinniger und ausſchweifender Baumeiſter kann Ge- legenheit zu mancher Unordnung in der Lebensart geben, und ein ganz vernuͤnftiger hingegen kann viel zu einer vernuͤnftigen und ordentlichen Lebens- art beytragen. Es gehoͤrt alſo mehr dazu, als die Saͤulenordnungen, oder eine regelmaͤßige Faſſade zeichnen zu koͤnnen. Wo es irgend angeht, ſo thut man wol, wenn Die Tiefe ſolcher Haͤuſer wird am beſten von 48 Haͤuſer, die nur fuͤr eine Familie gebauet werden Bey der merklichen Erhoͤhung des unterſten Bo- Hau Hel metrie angeſtoßen wird, wie man in Berlin ſehrhaͤufig ſehen kann. Die gute oder ſchlechte Bauart gemeiner Wohn- Held. (Dichtkunſt.) Die Hauptperſon des Heldengedichts, wie Achilles Darum muß der Held des Stuͤks eine wichtige poͤe U u u 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0537" n="525"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hau</hi></fw><lb/> chen. Darum muß ein Baumeiſter nicht blos das,<lb/> was ſeiner Kunſt eigen iſt, verſtehen, ſondern uͤber-<lb/> haupt ein Mann von Verſtand und reifer Beur-<lb/> theilung ſeyn, der zugleich die Welt und die Lebens-<lb/> art aller Menſchen, von welchem Stande ſie ſeyen,<lb/> genau kennet. Ein unverſtaͤndiger, oder ein leicht-<lb/> ſinniger und ausſchweifender Baumeiſter kann Ge-<lb/> legenheit zu mancher Unordnung in der Lebensart<lb/> geben, und ein ganz vernuͤnftiger hingegen kann<lb/> viel zu einer vernuͤnftigen und ordentlichen Lebens-<lb/> art beytragen. Es gehoͤrt alſo mehr dazu, als die<lb/> Saͤulenordnungen, oder eine regelmaͤßige Faſſade<lb/> zeichnen zu koͤnnen.</p><lb/> <p>Wo es irgend angeht, ſo thut man wol, wenn<lb/> die Haͤuſer, deren kuͤnftige Beſitzer ihres Vermoͤgens<lb/> halber auf die vornehmſten Gemaͤchlichkeiten des Le-<lb/> bens ſehen, ſo angelegt werden, daß der erſte Boden<lb/> 3 bis 4 Fuß uͤber die Erde zu liegen koͤmmt, wo-<lb/> durch man, außer guten hellen Kellern, ſchoͤne halb<lb/> unterirrdiſche Kammern und Kuͤchen zum Gebrauch<lb/> der Hauswirthſchaft bekoͤmmt.</p><lb/> <p>Die Tiefe ſolcher Haͤuſer wird am beſten von 48<lb/> bis 56 Fuß genommen, damit die Hauptzimmer<lb/> eine anfehnliche Tiefe bekommen, und in andern Zim-<lb/> mern Alcoven, und wo Licht von den Seiten zu ha-<lb/> ben iſt, kleine Cammern fuͤr Bediente, die man zur<lb/> Hand haben will, und fuͤr andre Bequaͤmlichkeiten,<lb/> koͤnnen angebracht werden. Auch giebt dieſes in et-<lb/> was großen Haͤuſern zu Rebentreppen die ſchoͤnſte<lb/> Gelegenheit. Die meiſten neueren Haͤuſer in Ber-<lb/> lin haben den Fehler, daß ſie nicht tief genug ſind,<lb/> indem ſie nur 44 bis 45 Fuß haben, einige gar<lb/> noch weniger.</p><lb/> <p>Haͤuſer, die nur fuͤr eine Familie gebauet werden<lb/> und dabey eine hinlaͤngliche Breite haben, bekom-<lb/> men das beſte Anſehen, wenn ſie einen hohen Fuß<lb/> von 5 bis 6 Schuhen, hernach eine Ordnung von<lb/> Pilaſtern oder Saͤulen, mit einem Hauptſtok und<lb/> einer Attique daruͤber haben.</p><lb/> <p>Bey der merklichen Erhoͤhung des unterſten Bo-<lb/> dens uͤber der Erde zeiget ſich oft die Schwierigkeit<lb/> wegen der Einfahrt durch das Haus in den Hof.<lb/> Denn wo man nicht etwa eine Seite frey hat, an<lb/> welcher die Durchfahrt kann angelegt werden, ſo<lb/> bleibt kein anderes Mittel uͤbrig, als dieſelbe auf<lb/> der rechten oder linken Seite der Faſſade anzubrin-<lb/> gen, wodurch aber meiſtentheils ſehr gegen die Sym-<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hau Hel</hi></fw><lb/> metrie angeſtoßen wird, wie man in Berlin ſehr<lb/> haͤufig ſehen kann.</p><lb/> <p>Die gute oder ſchlechte Bauart gemeiner Wohn-<lb/> haͤuſer in einer Stadt kann einen merklichen Einfluß<lb/> auf den Charakter und die Denkungsart der Ein-<lb/> wohner haben, und das, was wir im Artikel Bau-<lb/> kunſt uͤberhaupt angemerkt haben, kann auf die<lb/> Wohnhaͤuſer insbeſonder angewendet werden. Es<lb/> iſt nicht unter der Wuͤrde eines Regenten dafuͤr zu<lb/> ſorgen, daß auch der gemeine Mann ordentlich und<lb/> bequaͤm wohne, und von außen, wenn er durch<lb/> die Straßen geht, nichts ſehe, das einen offenbaren<lb/> Mangel an Ueberlegung anzeige, oder das die Vor-<lb/> ſtellungen von Unordnung und Unverſtand ſo ge-<lb/> laͤufig mache, daß man ſich, weil ſie gar zu ofte<lb/> vorkommen, zuletzt daran gewoͤhne, und ſie nicht<lb/> mehr beleidigend finde.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Held.</hi><lb/> (Dichtkunſt.)</head><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Hauptperſon des Heldengedichts, wie Achilles<lb/> in der Jlias, Ulyſſes in der Odyſſee, Aeneas in der<lb/> Aeneis. Man braucht aber daſſelbe Wort etwas<lb/> uneigentlich auch von der Hauptperſon im Drama.<lb/> Der Held iſt alſo der, welcher in der Handlung die<lb/> Hauptrole hat, auf den das meiſte ankoͤmmt und<lb/> der alles belebt, der ſo wol an der Handlung, als<lb/> am Ausgang derſelben das groͤßte Jntreſſe hat.</p><lb/> <p>Darum muß der Held des Stuͤks eine wichtige<lb/> Perſon ſeyn, deren Gemuͤthscharakter ſich auf eine<lb/> merkwuͤrdige Art aͤußert; und damit die Aufmerk-<lb/> ſamkeit gleich von Anfang des Gedichts gereizt wer-<lb/> de, iſt es gut, wenn er eine in der Geſchichte be-<lb/> ruͤhmte Perſon iſt, von deren Charakter uns die<lb/> Hauptzuͤge ſchon bekannt genug ſind. Waͤre dieſes<lb/> nicht, ſo wuͤrde der Dichter Muͤhe haben ſeinen Hel-<lb/> den gleich von Anfang in dem gehoͤrigen Lichte zu<lb/> zeigen. Einige Kunſtrichter haben anmerken wol-<lb/> len, daß vollkommen tugendhafte Perſonen ſich nicht<lb/> ſchiken, Helden der Epopee oder des Drama zu ſeyn.<lb/> Lord <hi rendition="#fr">Shaftesbury</hi> behauptet ſo gar, daß ein ſolcher<lb/> Held fuͤr die Poeſie das groͤßte Ungehener waͤre. (*)<note place="right">(*) <hi rendition="#aq">Cha-<lb/> rackteri-<lb/> ſtiks T. III.</hi><lb/> S. 262.</note><lb/> Man muß ſich aber durch das Anſehen dieſes ſcharf-<lb/> ſinnigen Mannes nicht verfuͤhren laſſen. Warum<lb/> ſollte der ſterbende Sokrates (und wo iſt wol je-<lb/> mals ein vollkommnerer Mann, als dieſer geweſen)<lb/> als Held des Trauerſpiels eine ungeheure Figur<lb/> machen? Und wem iſt Leonidas in <hi rendition="#fr">Glovers</hi> Epo-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">U u u 3</fw><fw place="bottom" type="catch">poͤe</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [525/0537]
Hau
Hau Hel
chen. Darum muß ein Baumeiſter nicht blos das,
was ſeiner Kunſt eigen iſt, verſtehen, ſondern uͤber-
haupt ein Mann von Verſtand und reifer Beur-
theilung ſeyn, der zugleich die Welt und die Lebens-
art aller Menſchen, von welchem Stande ſie ſeyen,
genau kennet. Ein unverſtaͤndiger, oder ein leicht-
ſinniger und ausſchweifender Baumeiſter kann Ge-
legenheit zu mancher Unordnung in der Lebensart
geben, und ein ganz vernuͤnftiger hingegen kann
viel zu einer vernuͤnftigen und ordentlichen Lebens-
art beytragen. Es gehoͤrt alſo mehr dazu, als die
Saͤulenordnungen, oder eine regelmaͤßige Faſſade
zeichnen zu koͤnnen.
Wo es irgend angeht, ſo thut man wol, wenn
die Haͤuſer, deren kuͤnftige Beſitzer ihres Vermoͤgens
halber auf die vornehmſten Gemaͤchlichkeiten des Le-
bens ſehen, ſo angelegt werden, daß der erſte Boden
3 bis 4 Fuß uͤber die Erde zu liegen koͤmmt, wo-
durch man, außer guten hellen Kellern, ſchoͤne halb
unterirrdiſche Kammern und Kuͤchen zum Gebrauch
der Hauswirthſchaft bekoͤmmt.
Die Tiefe ſolcher Haͤuſer wird am beſten von 48
bis 56 Fuß genommen, damit die Hauptzimmer
eine anfehnliche Tiefe bekommen, und in andern Zim-
mern Alcoven, und wo Licht von den Seiten zu ha-
ben iſt, kleine Cammern fuͤr Bediente, die man zur
Hand haben will, und fuͤr andre Bequaͤmlichkeiten,
koͤnnen angebracht werden. Auch giebt dieſes in et-
was großen Haͤuſern zu Rebentreppen die ſchoͤnſte
Gelegenheit. Die meiſten neueren Haͤuſer in Ber-
lin haben den Fehler, daß ſie nicht tief genug ſind,
indem ſie nur 44 bis 45 Fuß haben, einige gar
noch weniger.
Haͤuſer, die nur fuͤr eine Familie gebauet werden
und dabey eine hinlaͤngliche Breite haben, bekom-
men das beſte Anſehen, wenn ſie einen hohen Fuß
von 5 bis 6 Schuhen, hernach eine Ordnung von
Pilaſtern oder Saͤulen, mit einem Hauptſtok und
einer Attique daruͤber haben.
Bey der merklichen Erhoͤhung des unterſten Bo-
dens uͤber der Erde zeiget ſich oft die Schwierigkeit
wegen der Einfahrt durch das Haus in den Hof.
Denn wo man nicht etwa eine Seite frey hat, an
welcher die Durchfahrt kann angelegt werden, ſo
bleibt kein anderes Mittel uͤbrig, als dieſelbe auf
der rechten oder linken Seite der Faſſade anzubrin-
gen, wodurch aber meiſtentheils ſehr gegen die Sym-
metrie angeſtoßen wird, wie man in Berlin ſehr
haͤufig ſehen kann.
Die gute oder ſchlechte Bauart gemeiner Wohn-
haͤuſer in einer Stadt kann einen merklichen Einfluß
auf den Charakter und die Denkungsart der Ein-
wohner haben, und das, was wir im Artikel Bau-
kunſt uͤberhaupt angemerkt haben, kann auf die
Wohnhaͤuſer insbeſonder angewendet werden. Es
iſt nicht unter der Wuͤrde eines Regenten dafuͤr zu
ſorgen, daß auch der gemeine Mann ordentlich und
bequaͤm wohne, und von außen, wenn er durch
die Straßen geht, nichts ſehe, das einen offenbaren
Mangel an Ueberlegung anzeige, oder das die Vor-
ſtellungen von Unordnung und Unverſtand ſo ge-
laͤufig mache, daß man ſich, weil ſie gar zu ofte
vorkommen, zuletzt daran gewoͤhne, und ſie nicht
mehr beleidigend finde.
Held.
(Dichtkunſt.)
Die Hauptperſon des Heldengedichts, wie Achilles
in der Jlias, Ulyſſes in der Odyſſee, Aeneas in der
Aeneis. Man braucht aber daſſelbe Wort etwas
uneigentlich auch von der Hauptperſon im Drama.
Der Held iſt alſo der, welcher in der Handlung die
Hauptrole hat, auf den das meiſte ankoͤmmt und
der alles belebt, der ſo wol an der Handlung, als
am Ausgang derſelben das groͤßte Jntreſſe hat.
Darum muß der Held des Stuͤks eine wichtige
Perſon ſeyn, deren Gemuͤthscharakter ſich auf eine
merkwuͤrdige Art aͤußert; und damit die Aufmerk-
ſamkeit gleich von Anfang des Gedichts gereizt wer-
de, iſt es gut, wenn er eine in der Geſchichte be-
ruͤhmte Perſon iſt, von deren Charakter uns die
Hauptzuͤge ſchon bekannt genug ſind. Waͤre dieſes
nicht, ſo wuͤrde der Dichter Muͤhe haben ſeinen Hel-
den gleich von Anfang in dem gehoͤrigen Lichte zu
zeigen. Einige Kunſtrichter haben anmerken wol-
len, daß vollkommen tugendhafte Perſonen ſich nicht
ſchiken, Helden der Epopee oder des Drama zu ſeyn.
Lord Shaftesbury behauptet ſo gar, daß ein ſolcher
Held fuͤr die Poeſie das groͤßte Ungehener waͤre. (*)
Man muß ſich aber durch das Anſehen dieſes ſcharf-
ſinnigen Mannes nicht verfuͤhren laſſen. Warum
ſollte der ſterbende Sokrates (und wo iſt wol je-
mals ein vollkommnerer Mann, als dieſer geweſen)
als Held des Trauerſpiels eine ungeheure Figur
machen? Und wem iſt Leonidas in Glovers Epo-
poͤe
(*) Cha-
rackteri-
ſtiks T. III.
S. 262.
U u u 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |