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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Ges
abgekommen. Man hat in Jtalien 1727 zwey
Ringe mit geschnittenen Steinen gefunden, die in
die Hände des Marchese Alexander Capponi gekom-
men, worauf Köpfe von gothischen oder longobar-
(*) Me-
morie de-
gli Intagli-
atori mo-
derne. p.

116.
dischen Personen geschnitten waren (*). Auf der
königl. Bibliothek in Berlin werden verschiedene geist-
liche Gesang- und Litaneybücher aus dem neunten
und folgenden Jahrhunderten aufbehalten, welche
mit geschnittenen Steinen aus denselben Zeiten reich-
lich ausgeschmükt sind, worunter einige von nicht
ganz verächtlicher Arbeit sich befinden. Der Ver-
fasser des angeführten Werks bezeuget, daß er in
Bolognen ein geschnittenes Siegel aus dem vierzehn-
ten Jahrhundert gesehen, welches von guter Arbeit
(*) in dem
vorher an-
gezogenen
Werk 116.
117.
(molto ben fatto) ist (*).

Es ist also unrichtig, wenn man auf das Ansehen
einiger Geschichtschreiber immer wiederholt, daß diese
Kunst, so wie die Mahler und Bildhauerkunst, nach
dem Untergang des römischen Reichs in Jtalien, sich
in dem Occident verlohren habe, und im funfzehnten
Jahrhundert durch die Griechen aus Constantinopel
wieder in die diesseitigen Länder gebracht worden.
Denn es ist gewiß, daß die Künste sich immer, so wol
in Jtalien, als in Frankreich und Deutschland so gut
erhalten haben, als in den Provinzen des römisch-
griechischen Reiches. Dieses bleibt aber ausgemacht,
daß sie in dem funfzehnten Jahrhundert in Jtalien
wieder angefangen sich ihrem ehemaligen Glanz
etwas zu nähern.

Was nun insbesonder die Kunst in Stein zu
schneiden betrifft, so scheinet die Anmerkung des
florentinischen Professors Giulianelli [Spaltenumbruch] (+) ganz richtig:
daß sie unter den Päpsten Martin dem V und Paul
dem
II dadurch wieder ein neues Leben bekommen
habe, daß die Großen in Jtalien damals in den
Geschmak gekommen, die antiken geschnittenen Steine
zu sammeln und in hohem Werthe zu halten. Er
merkt insbesonder an, daß ein florentinischer Künst-
ler, il Donatello genennt, um dieselbe Zeit angefangen,
die griechischen Werke der Kunst nachzuahmen. Er
hat in einem Pallast in Florenz, der den Marchesi
Riccardi
zugehört, acht Stücke von flachem Schnitz-
werk verfertiget, von griechischem Jnhalt. Eines
derselben stellt insbesonder den Diomedes mit dem
geraubten Palladium vor, welches er vermuthlich
[Spaltenumbruch]

Ges
nach dem bekannten Stein der florentinischen Samm-
lung gearbeitet hat. Dieser Donatello starb zu Ende
des Jahrs 1466.

Ein noch größeres Leben bekam diese Kunst kurz
nachher durch die Verfügungen des großen Beschü-
tzers aller Künste, Lorenzo de Medici, in der letz-
tern Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. Dieser
fürtreffliche Fürst, den man mit Recht den Vater
der Künste und Wissenschaften nennt, brachte nicht
nur eine ansehnliche Sammlung alter geschnittener
Steine zusammen, sondern er nahm verschiedene
Steinschneider zu sich, munterte sie zur Nachah-
mung der alten Werke auf, und theilte die Arbeit
selbst unter sie aus. Man sieht in der kayserlich-
großherzoglichen Gallerie zu Florenz noch viele
Steine, welche Lorenzo damals verfertigen lassen.
Dieses brachte die Kunst bald wieder empor; denn
so bald sich reiche und ansehnliche Liebhaber und Ken-
ner einfinden, so sieht man auch gute Künstler ent-
stehen. An guten Körfen, welche in allen Künsten
glüklich fortkommen, fehlt es zu keiner Zeit. Daß
aber diese Kunst damals gar nicht neu, oder in ihrer
ersten Wiederherstellung, noch Florenz eigen gewe-
sen, wie einige uns bereden wollen, sieht man dar-
aus, daß zur selbigen Zeit ein Mayländer Dome-
nico,
mit dem Zunamen de Camei, dergleichen Arbeit
mit großer Geschiklichkeit verfertiget hat. Vasari
sagt, daß das Bild des damaligen Herzogs Ludwig
des Mohren,
von Domenico verfertiget, alle Arbeit
derselben Zeit übertroffen habe.

Nachdem die Kunst in Stein zu schneiden auf diese
Weise wieder mit neuem Eyfer getrieben worden,
stieg sie in kurzer Zeit beynahe wieder zu der Voll-
kommenheit, die sie ehedem in Griechenland bekom-
men hatte. Vor der Eroberung der Stadt Rom,
die in das Jahr 1527 fällt, hielten sich in dieser
Hauptstadt eine Menge fürtrefflicher Künstler auf,
deren Namen in einem andern Artikel zu lesen.
(S. Steinschneider.) Diese bildeten die besten alten
Steine und Münzen nach, und machten sie so gut,
daß man noch jetzo auch Kenner damit betriegen
könnte. Je eyfriger diese kostbaren Ueberbleibsel der
Kunst des alten Griechenlands und Roms gesucht
wurden, je mehr bestrebten sich die Künstler, durch
die Reizungen der Ehre und des Gewinnstes getrie-

ben,
(+) Memorie degli Intagliatori &c. S. 122. Ein da-
selbst angezogener Schriftsteller schreibt vom Pabst Paul
[Spaltenumbruch] dem
II: multa conquisivit undique ex Graecia et Asia et
aliis gentibus &c.

[Spaltenumbruch]

Geſ
abgekommen. Man hat in Jtalien 1727 zwey
Ringe mit geſchnittenen Steinen gefunden, die in
die Haͤnde des Marcheſe Alexander Capponi gekom-
men, worauf Koͤpfe von gothiſchen oder longobar-
(*) Me-
morie de-
gli Intagli-
atori mo-
derne. p.

116.
diſchen Perſonen geſchnitten waren (*). Auf der
koͤnigl. Bibliothek in Berlin werden verſchiedene geiſt-
liche Geſang- und Litaneybuͤcher aus dem neunten
und folgenden Jahrhunderten aufbehalten, welche
mit geſchnittenen Steinen aus denſelben Zeiten reich-
lich ausgeſchmuͤkt ſind, worunter einige von nicht
ganz veraͤchtlicher Arbeit ſich befinden. Der Ver-
faſſer des angefuͤhrten Werks bezeuget, daß er in
Bolognen ein geſchnittenes Siegel aus dem vierzehn-
ten Jahrhundert geſehen, welches von guter Arbeit
(*) in dem
vorher an-
gezogenen
Werk 116.
117.
(molto ben fatto) iſt (*).

Es iſt alſo unrichtig, wenn man auf das Anſehen
einiger Geſchichtſchreiber immer wiederholt, daß dieſe
Kunſt, ſo wie die Mahler und Bildhauerkunſt, nach
dem Untergang des roͤmiſchen Reichs in Jtalien, ſich
in dem Occident verlohren habe, und im funfzehnten
Jahrhundert durch die Griechen aus Conſtantinopel
wieder in die dieſſeitigen Laͤnder gebracht worden.
Denn es iſt gewiß, daß die Kuͤnſte ſich immer, ſo wol
in Jtalien, als in Frankreich und Deutſchland ſo gut
erhalten haben, als in den Provinzen des roͤmiſch-
griechiſchen Reiches. Dieſes bleibt aber ausgemacht,
daß ſie in dem funfzehnten Jahrhundert in Jtalien
wieder angefangen ſich ihrem ehemaligen Glanz
etwas zu naͤhern.

Was nun insbeſonder die Kunſt in Stein zu
ſchneiden betrifft, ſo ſcheinet die Anmerkung des
florentiniſchen Profeſſors Giulianelli [Spaltenumbruch] (†) ganz richtig:
daß ſie unter den Paͤpſten Martin dem V und Paul
dem
II dadurch wieder ein neues Leben bekommen
habe, daß die Großen in Jtalien damals in den
Geſchmak gekommen, die antiken geſchnittenen Steine
zu ſammeln und in hohem Werthe zu halten. Er
merkt insbeſonder an, daß ein florentiniſcher Kuͤnſt-
ler, il Donatello genennt, um dieſelbe Zeit angefangen,
die griechiſchen Werke der Kunſt nachzuahmen. Er
hat in einem Pallaſt in Florenz, der den Marcheſi
Riccardi
zugehoͤrt, acht Stuͤcke von flachem Schnitz-
werk verfertiget, von griechiſchem Jnhalt. Eines
derſelben ſtellt insbeſonder den Diomedes mit dem
geraubten Palladium vor, welches er vermuthlich
[Spaltenumbruch]

Geſ
nach dem bekannten Stein der florentiniſchen Samm-
lung gearbeitet hat. Dieſer Donatello ſtarb zu Ende
des Jahrs 1466.

Ein noch groͤßeres Leben bekam dieſe Kunſt kurz
nachher durch die Verfuͤgungen des großen Beſchuͤ-
tzers aller Kuͤnſte, Lorenzo de Medici, in der letz-
tern Haͤlfte des funfzehnten Jahrhunderts. Dieſer
fuͤrtreffliche Fuͤrſt, den man mit Recht den Vater
der Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nennt, brachte nicht
nur eine anſehnliche Sammlung alter geſchnittener
Steine zuſammen, ſondern er nahm verſchiedene
Steinſchneider zu ſich, munterte ſie zur Nachah-
mung der alten Werke auf, und theilte die Arbeit
ſelbſt unter ſie aus. Man ſieht in der kayſerlich-
großherzoglichen Gallerie zu Florenz noch viele
Steine, welche Lorenzo damals verfertigen laſſen.
Dieſes brachte die Kunſt bald wieder empor; denn
ſo bald ſich reiche und anſehnliche Liebhaber und Ken-
ner einfinden, ſo ſieht man auch gute Kuͤnſtler ent-
ſtehen. An guten Koͤrfen, welche in allen Kuͤnſten
gluͤklich fortkommen, fehlt es zu keiner Zeit. Daß
aber dieſe Kunſt damals gar nicht neu, oder in ihrer
erſten Wiederherſtellung, noch Florenz eigen gewe-
ſen, wie einige uns bereden wollen, ſieht man dar-
aus, daß zur ſelbigen Zeit ein Maylaͤnder Dome-
nico,
mit dem Zunamen de Camei, dergleichen Arbeit
mit großer Geſchiklichkeit verfertiget hat. Vaſari
ſagt, daß das Bild des damaligen Herzogs Ludwig
des Mohren,
von Domenico verfertiget, alle Arbeit
derſelben Zeit uͤbertroffen habe.

Nachdem die Kunſt in Stein zu ſchneiden auf dieſe
Weiſe wieder mit neuem Eyfer getrieben worden,
ſtieg ſie in kurzer Zeit beynahe wieder zu der Voll-
kommenheit, die ſie ehedem in Griechenland bekom-
men hatte. Vor der Eroberung der Stadt Rom,
die in das Jahr 1527 faͤllt, hielten ſich in dieſer
Hauptſtadt eine Menge fuͤrtrefflicher Kuͤnſtler auf,
deren Namen in einem andern Artikel zu leſen.
(S. Steinſchneider.) Dieſe bildeten die beſten alten
Steine und Muͤnzen nach, und machten ſie ſo gut,
daß man noch jetzo auch Kenner damit betriegen
koͤnnte. Je eyfriger dieſe koſtbaren Ueberbleibſel der
Kunſt des alten Griechenlands und Roms geſucht
wurden, je mehr beſtrebten ſich die Kuͤnſtler, durch
die Reizungen der Ehre und des Gewinnſtes getrie-

ben,
(†) Memorie degli Intagliatori &c. S. 122. Ein da-
ſelbſt angezogener Schriftſteller ſchreibt vom Pabſt Paul
[Spaltenumbruch] dem
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aliis gentibus &c.
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[468/0480] Geſ Geſ abgekommen. Man hat in Jtalien 1727 zwey Ringe mit geſchnittenen Steinen gefunden, die in die Haͤnde des Marcheſe Alexander Capponi gekom- men, worauf Koͤpfe von gothiſchen oder longobar- diſchen Perſonen geſchnitten waren (*). Auf der koͤnigl. Bibliothek in Berlin werden verſchiedene geiſt- liche Geſang- und Litaneybuͤcher aus dem neunten und folgenden Jahrhunderten aufbehalten, welche mit geſchnittenen Steinen aus denſelben Zeiten reich- lich ausgeſchmuͤkt ſind, worunter einige von nicht ganz veraͤchtlicher Arbeit ſich befinden. Der Ver- faſſer des angefuͤhrten Werks bezeuget, daß er in Bolognen ein geſchnittenes Siegel aus dem vierzehn- ten Jahrhundert geſehen, welches von guter Arbeit (molto ben fatto) iſt (*). (*) Me- morie de- gli Intagli- atori mo- derne. p. 116. (*) in dem vorher an- gezogenen Werk 116. 117. Es iſt alſo unrichtig, wenn man auf das Anſehen einiger Geſchichtſchreiber immer wiederholt, daß dieſe Kunſt, ſo wie die Mahler und Bildhauerkunſt, nach dem Untergang des roͤmiſchen Reichs in Jtalien, ſich in dem Occident verlohren habe, und im funfzehnten Jahrhundert durch die Griechen aus Conſtantinopel wieder in die dieſſeitigen Laͤnder gebracht worden. Denn es iſt gewiß, daß die Kuͤnſte ſich immer, ſo wol in Jtalien, als in Frankreich und Deutſchland ſo gut erhalten haben, als in den Provinzen des roͤmiſch- griechiſchen Reiches. Dieſes bleibt aber ausgemacht, daß ſie in dem funfzehnten Jahrhundert in Jtalien wieder angefangen ſich ihrem ehemaligen Glanz etwas zu naͤhern. Was nun insbeſonder die Kunſt in Stein zu ſchneiden betrifft, ſo ſcheinet die Anmerkung des florentiniſchen Profeſſors Giulianelli (†) ganz richtig: daß ſie unter den Paͤpſten Martin dem V und Paul dem II dadurch wieder ein neues Leben bekommen habe, daß die Großen in Jtalien damals in den Geſchmak gekommen, die antiken geſchnittenen Steine zu ſammeln und in hohem Werthe zu halten. Er merkt insbeſonder an, daß ein florentiniſcher Kuͤnſt- ler, il Donatello genennt, um dieſelbe Zeit angefangen, die griechiſchen Werke der Kunſt nachzuahmen. Er hat in einem Pallaſt in Florenz, der den Marcheſi Riccardi zugehoͤrt, acht Stuͤcke von flachem Schnitz- werk verfertiget, von griechiſchem Jnhalt. Eines derſelben ſtellt insbeſonder den Diomedes mit dem geraubten Palladium vor, welches er vermuthlich nach dem bekannten Stein der florentiniſchen Samm- lung gearbeitet hat. Dieſer Donatello ſtarb zu Ende des Jahrs 1466. Ein noch groͤßeres Leben bekam dieſe Kunſt kurz nachher durch die Verfuͤgungen des großen Beſchuͤ- tzers aller Kuͤnſte, Lorenzo de Medici, in der letz- tern Haͤlfte des funfzehnten Jahrhunderts. Dieſer fuͤrtreffliche Fuͤrſt, den man mit Recht den Vater der Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nennt, brachte nicht nur eine anſehnliche Sammlung alter geſchnittener Steine zuſammen, ſondern er nahm verſchiedene Steinſchneider zu ſich, munterte ſie zur Nachah- mung der alten Werke auf, und theilte die Arbeit ſelbſt unter ſie aus. Man ſieht in der kayſerlich- großherzoglichen Gallerie zu Florenz noch viele Steine, welche Lorenzo damals verfertigen laſſen. Dieſes brachte die Kunſt bald wieder empor; denn ſo bald ſich reiche und anſehnliche Liebhaber und Ken- ner einfinden, ſo ſieht man auch gute Kuͤnſtler ent- ſtehen. An guten Koͤrfen, welche in allen Kuͤnſten gluͤklich fortkommen, fehlt es zu keiner Zeit. Daß aber dieſe Kunſt damals gar nicht neu, oder in ihrer erſten Wiederherſtellung, noch Florenz eigen gewe- ſen, wie einige uns bereden wollen, ſieht man dar- aus, daß zur ſelbigen Zeit ein Maylaͤnder Dome- nico, mit dem Zunamen de Camei, dergleichen Arbeit mit großer Geſchiklichkeit verfertiget hat. Vaſari ſagt, daß das Bild des damaligen Herzogs Ludwig des Mohren, von Domenico verfertiget, alle Arbeit derſelben Zeit uͤbertroffen habe. Nachdem die Kunſt in Stein zu ſchneiden auf dieſe Weiſe wieder mit neuem Eyfer getrieben worden, ſtieg ſie in kurzer Zeit beynahe wieder zu der Voll- kommenheit, die ſie ehedem in Griechenland bekom- men hatte. Vor der Eroberung der Stadt Rom, die in das Jahr 1527 faͤllt, hielten ſich in dieſer Hauptſtadt eine Menge fuͤrtrefflicher Kuͤnſtler auf, deren Namen in einem andern Artikel zu leſen. (S. Steinſchneider.) Dieſe bildeten die beſten alten Steine und Muͤnzen nach, und machten ſie ſo gut, daß man noch jetzo auch Kenner damit betriegen koͤnnte. Je eyfriger dieſe koſtbaren Ueberbleibſel der Kunſt des alten Griechenlands und Roms geſucht wurden, je mehr beſtrebten ſich die Kuͤnſtler, durch die Reizungen der Ehre und des Gewinnſtes getrie- ben, (†) Memorie degli Intagliatori &c. S. 122. Ein da- ſelbſt angezogener Schriftſteller ſchreibt vom Pabſt Paul dem II: multa conquiſivit undique ex Græcia et Aſia et aliis gentibus &c.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/480>, abgerufen am 22.11.2024.