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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Fuß
ohne Fuß auf dem Grunde steht, sieht wie ein abge-
brochenes Stük aus; ein Haus, das gegen den
Grund keinen Fuß hat, wie wenn es in die Erde
gesunken wäre. Es ist deswegen zum guten Aus-
sehen unumgänglich nothwendig, daß ein stehender
Körper einen Fuß habe, und man kann es durch
keine einzige gute Regel des Geschmaks rechtfertigen,
daß die griechischen Baumeister bisweilen dorische
Säulen ohne Fuß gemacht haben, wie an den
Tempeln des Theseus und der Minerva in Athen.

Die allgemeine Beschaffenheit des Fußes an stehen-
den Körpern kann aus dem Grundsatz der Festigkeit
hergeleitet werden. Wenn der Fuß etwas hervor-
steht, und dem stehenden Körper eine etwas brei-
tere Grundfläche macht, so steht dieser fester.
Folglich ist es in der Natur unsrer Vorstellungen
gegründet, daß der Fuß etwas breiter, als der über
ihm stehende Theil des Körpers sey, daher kommen
an den Häusern die Plinthen, an den Säulen und
Pfeilern die Fußgesimse. Die Natur hat schon die
ersten Baumeister darauf geleitet. Man findet die
Füße in den ältesten ägyptischen, in den gothischen,
arabischen und chinesischen Gebäuden.

Es müssen aber, so wol in der Höhe des Fußes
als in seiner Ausladung, gewisse Verhältnisse beob-
achtet werden. Es muß da weder zu viel, noch zu
wenig seyn. Wäre der Fuß so groß, daß er einen
merklichen Theil des Körpers, den vierten oder fünf-
ten Theil seiner Höhe einnähme, so würde man
ihn nicht blos für den Fuß halten; denn der Kopf
und der Fuß zusammen müssen blos, als kleine
Theile eines großen Körpers erscheinen. Dero-
wegen können beyde zusammen in ihrer Höhe nicht
wol mehr als den fünften Theil der ganzen Höhe
ausmachen; da sie aber beyde noch eine merkliche
Stärke haben müssen, so müssen sie auch nicht so
klein seyn, daß ihre Höhe vor der ganzen Höhe des
Körpers unbemerkt verschwinde, welches vielleicht
geschehen würde, wenn beyde weniger, als den
12. Theil des ganzen Körpers ausmachten.

Es erhellet hieraus, daß man dem Fuß nicht wol
mehr, als den 10. oder 12. Theil der Höhe des
Körpers, und nicht wol weniger, als den 20. oder
24. Theil derselben geben könne. Jn den Säulen,
wo man am meisten auf ein mit hinlänglicher Festig-
keit verbundenes schönes Ansehen beflissen gewesen,
trift man die größten Füße nicht über den 14. Theil,
und ihr geringstes Maaß nicht über den 20. Theil
[Spaltenumbruch]

Fuß
der ganzen Länge an. Jhre Ausladung aber kann
aus der Höhe bestimmt werden. Wenn sie zu ge-
ring ist, so bemerkt man sie kaum; zu stark giebt
sie das Ansehen der Zerbrechlichkeit. Der fünfte
bis sechste Theil seiner Höhe scheinet die beste Größe
der Ausladung zu seyn. Die Säulenstühle haben
größere Füße; denn sie machen oft den vierten oder
fünften Theil der Höhe aus. Allein man kann diese
Füße zugleich für die Füße der ganzen Ordnung hal-
ten. Bey einem ganzen Gebäude kann der Unter-
satz oder die Plinthe nicht wol kleiner, als der 20.
Theil der Höhe seyn.

Wenn ein Fuß ganz platt ist, so wird er die
Plinthe genennt; ist er aber mit Gliedern verziert,
so werden diese zusammen das Fußgesims genennt.

Fuß.
(Dichtkunst.)

Ein kleines, aus zwey, höchstens vier Sylben be-
stehendes Glied der Rede, welches nur einen ein-
zigen Accent hat. Den Ursprung der Füße in jeder
Rede, und die Nothwendigkeit ihrer Abwechslung
für den Wolklang, haben wir anderswo gezeiget (*).(*) S.
Vers.

Hier werden also nur die besondern Arten der Füße
betrachtet.

Die Sylben sind so wol durch die Länge und Kürze
der Zeit, als durch die Höhe und Tiefe des Tons,
worin sie ausgesprochen werden, von einander ver-
schieden. Die Griechen und Römer sahen bey Be-
stimmung ihrer Füße auf den ersten Unterschied; alle
neuern Völker aber nehmen sie hauptsächlich von der
andern her. Dieser Satz verdient um so mehr einer
genauen Ausführung, da er selbst von Dichtern nicht
allezeit, wie es seyn sollte, in Ueberlegung genommen
wird. Wir haben unsern Füßen eben die Namen
gegeben, womit die Alten die ihrigen benennt haben;
daher man sich insgemein einbildet, daß wir in
unsrer Dichtkunst die Füße der Alten beybehalten
haben.

Man muß aus allem, was wir von den ältesten
Gedichten der Griechen wissen, schliessen, daß ur-
sprünglich der Vers blos für die Musik ist gemacht
worden, und zwar so, daß jeder Fuß einen Takt
ausgemacht habe. Bey dem Takt aber ist die ge-
naue Abmessung der Zeit das Wesentliche; daher in
dem griechischen Fuß alles auf die Länge und Kürze
der Sylben ankam. Zwey kurze Sylben mußten
in eben der Zeit ausgesprochen werden, als eine

lange,

[Spaltenumbruch]

Fuß
ohne Fuß auf dem Grunde ſteht, ſieht wie ein abge-
brochenes Stuͤk aus; ein Haus, das gegen den
Grund keinen Fuß hat, wie wenn es in die Erde
geſunken waͤre. Es iſt deswegen zum guten Aus-
ſehen unumgaͤnglich nothwendig, daß ein ſtehender
Koͤrper einen Fuß habe, und man kann es durch
keine einzige gute Regel des Geſchmaks rechtfertigen,
daß die griechiſchen Baumeiſter bisweilen doriſche
Saͤulen ohne Fuß gemacht haben, wie an den
Tempeln des Theſeus und der Minerva in Athen.

Die allgemeine Beſchaffenheit des Fußes an ſtehen-
den Koͤrpern kann aus dem Grundſatz der Feſtigkeit
hergeleitet werden. Wenn der Fuß etwas hervor-
ſteht, und dem ſtehenden Koͤrper eine etwas brei-
tere Grundflaͤche macht, ſo ſteht dieſer feſter.
Folglich iſt es in der Natur unſrer Vorſtellungen
gegruͤndet, daß der Fuß etwas breiter, als der uͤber
ihm ſtehende Theil des Koͤrpers ſey, daher kommen
an den Haͤuſern die Plinthen, an den Saͤulen und
Pfeilern die Fußgeſimſe. Die Natur hat ſchon die
erſten Baumeiſter darauf geleitet. Man findet die
Fuͤße in den aͤlteſten aͤgyptiſchen, in den gothiſchen,
arabiſchen und chineſiſchen Gebaͤuden.

Es muͤſſen aber, ſo wol in der Hoͤhe des Fußes
als in ſeiner Ausladung, gewiſſe Verhaͤltniſſe beob-
achtet werden. Es muß da weder zu viel, noch zu
wenig ſeyn. Waͤre der Fuß ſo groß, daß er einen
merklichen Theil des Koͤrpers, den vierten oder fuͤnf-
ten Theil ſeiner Hoͤhe einnaͤhme, ſo wuͤrde man
ihn nicht blos fuͤr den Fuß halten; denn der Kopf
und der Fuß zuſammen muͤſſen blos, als kleine
Theile eines großen Koͤrpers erſcheinen. Dero-
wegen koͤnnen beyde zuſammen in ihrer Hoͤhe nicht
wol mehr als den fuͤnften Theil der ganzen Hoͤhe
ausmachen; da ſie aber beyde noch eine merkliche
Staͤrke haben muͤſſen, ſo muͤſſen ſie auch nicht ſo
klein ſeyn, daß ihre Hoͤhe vor der ganzen Hoͤhe des
Koͤrpers unbemerkt verſchwinde, welches vielleicht
geſchehen wuͤrde, wenn beyde weniger, als den
12. Theil des ganzen Koͤrpers ausmachten.

Es erhellet hieraus, daß man dem Fuß nicht wol
mehr, als den 10. oder 12. Theil der Hoͤhe des
Koͤrpers, und nicht wol weniger, als den 20. oder
24. Theil derſelben geben koͤnne. Jn den Saͤulen,
wo man am meiſten auf ein mit hinlaͤnglicher Feſtig-
keit verbundenes ſchoͤnes Anſehen befliſſen geweſen,
trift man die groͤßten Fuͤße nicht uͤber den 14. Theil,
und ihr geringſtes Maaß nicht uͤber den 20. Theil
[Spaltenumbruch]

Fuß
der ganzen Laͤnge an. Jhre Ausladung aber kann
aus der Hoͤhe beſtimmt werden. Wenn ſie zu ge-
ring iſt, ſo bemerkt man ſie kaum; zu ſtark giebt
ſie das Anſehen der Zerbrechlichkeit. Der fuͤnfte
bis ſechſte Theil ſeiner Hoͤhe ſcheinet die beſte Groͤße
der Ausladung zu ſeyn. Die Saͤulenſtuͤhle haben
groͤßere Fuͤße; denn ſie machen oft den vierten oder
fuͤnften Theil der Hoͤhe aus. Allein man kann dieſe
Fuͤße zugleich fuͤr die Fuͤße der ganzen Ordnung hal-
ten. Bey einem ganzen Gebaͤude kann der Unter-
ſatz oder die Plinthe nicht wol kleiner, als der 20.
Theil der Hoͤhe ſeyn.

Wenn ein Fuß ganz platt iſt, ſo wird er die
Plinthe genennt; iſt er aber mit Gliedern verziert,
ſo werden dieſe zuſammen das Fußgeſims genennt.

Fuß.
(Dichtkunſt.)

Ein kleines, aus zwey, hoͤchſtens vier Sylben be-
ſtehendes Glied der Rede, welches nur einen ein-
zigen Accent hat. Den Urſprung der Fuͤße in jeder
Rede, und die Nothwendigkeit ihrer Abwechslung
fuͤr den Wolklang, haben wir anderswo gezeiget (*).(*) S.
Vers.

Hier werden alſo nur die beſondern Arten der Fuͤße
betrachtet.

Die Sylben ſind ſo wol durch die Laͤnge und Kuͤrze
der Zeit, als durch die Hoͤhe und Tiefe des Tons,
worin ſie ausgeſprochen werden, von einander ver-
ſchieden. Die Griechen und Roͤmer ſahen bey Be-
ſtimmung ihrer Fuͤße auf den erſten Unterſchied; alle
neuern Voͤlker aber nehmen ſie hauptſaͤchlich von der
andern her. Dieſer Satz verdient um ſo mehr einer
genauen Ausfuͤhrung, da er ſelbſt von Dichtern nicht
allezeit, wie es ſeyn ſollte, in Ueberlegung genommen
wird. Wir haben unſern Fuͤßen eben die Namen
gegeben, womit die Alten die ihrigen benennt haben;
daher man ſich insgemein einbildet, daß wir in
unſrer Dichtkunſt die Fuͤße der Alten beybehalten
haben.

Man muß aus allem, was wir von den aͤlteſten
Gedichten der Griechen wiſſen, ſchlieſſen, daß ur-
ſpruͤnglich der Vers blos fuͤr die Muſik iſt gemacht
worden, und zwar ſo, daß jeder Fuß einen Takt
ausgemacht habe. Bey dem Takt aber iſt die ge-
naue Abmeſſung der Zeit das Weſentliche; daher in
dem griechiſchen Fuß alles auf die Laͤnge und Kuͤrze
der Sylben ankam. Zwey kurze Sylben mußten
in eben der Zeit ausgeſprochen werden, als eine

lange,
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[414/0426] Fuß Fuß ohne Fuß auf dem Grunde ſteht, ſieht wie ein abge- brochenes Stuͤk aus; ein Haus, das gegen den Grund keinen Fuß hat, wie wenn es in die Erde geſunken waͤre. Es iſt deswegen zum guten Aus- ſehen unumgaͤnglich nothwendig, daß ein ſtehender Koͤrper einen Fuß habe, und man kann es durch keine einzige gute Regel des Geſchmaks rechtfertigen, daß die griechiſchen Baumeiſter bisweilen doriſche Saͤulen ohne Fuß gemacht haben, wie an den Tempeln des Theſeus und der Minerva in Athen. Die allgemeine Beſchaffenheit des Fußes an ſtehen- den Koͤrpern kann aus dem Grundſatz der Feſtigkeit hergeleitet werden. Wenn der Fuß etwas hervor- ſteht, und dem ſtehenden Koͤrper eine etwas brei- tere Grundflaͤche macht, ſo ſteht dieſer feſter. Folglich iſt es in der Natur unſrer Vorſtellungen gegruͤndet, daß der Fuß etwas breiter, als der uͤber ihm ſtehende Theil des Koͤrpers ſey, daher kommen an den Haͤuſern die Plinthen, an den Saͤulen und Pfeilern die Fußgeſimſe. Die Natur hat ſchon die erſten Baumeiſter darauf geleitet. Man findet die Fuͤße in den aͤlteſten aͤgyptiſchen, in den gothiſchen, arabiſchen und chineſiſchen Gebaͤuden. Es muͤſſen aber, ſo wol in der Hoͤhe des Fußes als in ſeiner Ausladung, gewiſſe Verhaͤltniſſe beob- achtet werden. Es muß da weder zu viel, noch zu wenig ſeyn. Waͤre der Fuß ſo groß, daß er einen merklichen Theil des Koͤrpers, den vierten oder fuͤnf- ten Theil ſeiner Hoͤhe einnaͤhme, ſo wuͤrde man ihn nicht blos fuͤr den Fuß halten; denn der Kopf und der Fuß zuſammen muͤſſen blos, als kleine Theile eines großen Koͤrpers erſcheinen. Dero- wegen koͤnnen beyde zuſammen in ihrer Hoͤhe nicht wol mehr als den fuͤnften Theil der ganzen Hoͤhe ausmachen; da ſie aber beyde noch eine merkliche Staͤrke haben muͤſſen, ſo muͤſſen ſie auch nicht ſo klein ſeyn, daß ihre Hoͤhe vor der ganzen Hoͤhe des Koͤrpers unbemerkt verſchwinde, welches vielleicht geſchehen wuͤrde, wenn beyde weniger, als den 12. Theil des ganzen Koͤrpers ausmachten. Es erhellet hieraus, daß man dem Fuß nicht wol mehr, als den 10. oder 12. Theil der Hoͤhe des Koͤrpers, und nicht wol weniger, als den 20. oder 24. Theil derſelben geben koͤnne. Jn den Saͤulen, wo man am meiſten auf ein mit hinlaͤnglicher Feſtig- keit verbundenes ſchoͤnes Anſehen befliſſen geweſen, trift man die groͤßten Fuͤße nicht uͤber den 14. Theil, und ihr geringſtes Maaß nicht uͤber den 20. Theil der ganzen Laͤnge an. Jhre Ausladung aber kann aus der Hoͤhe beſtimmt werden. Wenn ſie zu ge- ring iſt, ſo bemerkt man ſie kaum; zu ſtark giebt ſie das Anſehen der Zerbrechlichkeit. Der fuͤnfte bis ſechſte Theil ſeiner Hoͤhe ſcheinet die beſte Groͤße der Ausladung zu ſeyn. Die Saͤulenſtuͤhle haben groͤßere Fuͤße; denn ſie machen oft den vierten oder fuͤnften Theil der Hoͤhe aus. Allein man kann dieſe Fuͤße zugleich fuͤr die Fuͤße der ganzen Ordnung hal- ten. Bey einem ganzen Gebaͤude kann der Unter- ſatz oder die Plinthe nicht wol kleiner, als der 20. Theil der Hoͤhe ſeyn. Wenn ein Fuß ganz platt iſt, ſo wird er die Plinthe genennt; iſt er aber mit Gliedern verziert, ſo werden dieſe zuſammen das Fußgeſims genennt. Fuß. (Dichtkunſt.) Ein kleines, aus zwey, hoͤchſtens vier Sylben be- ſtehendes Glied der Rede, welches nur einen ein- zigen Accent hat. Den Urſprung der Fuͤße in jeder Rede, und die Nothwendigkeit ihrer Abwechslung fuͤr den Wolklang, haben wir anderswo gezeiget (*). Hier werden alſo nur die beſondern Arten der Fuͤße betrachtet. (*) S. Vers. Die Sylben ſind ſo wol durch die Laͤnge und Kuͤrze der Zeit, als durch die Hoͤhe und Tiefe des Tons, worin ſie ausgeſprochen werden, von einander ver- ſchieden. Die Griechen und Roͤmer ſahen bey Be- ſtimmung ihrer Fuͤße auf den erſten Unterſchied; alle neuern Voͤlker aber nehmen ſie hauptſaͤchlich von der andern her. Dieſer Satz verdient um ſo mehr einer genauen Ausfuͤhrung, da er ſelbſt von Dichtern nicht allezeit, wie es ſeyn ſollte, in Ueberlegung genommen wird. Wir haben unſern Fuͤßen eben die Namen gegeben, womit die Alten die ihrigen benennt haben; daher man ſich insgemein einbildet, daß wir in unſrer Dichtkunſt die Fuͤße der Alten beybehalten haben. Man muß aus allem, was wir von den aͤlteſten Gedichten der Griechen wiſſen, ſchlieſſen, daß ur- ſpruͤnglich der Vers blos fuͤr die Muſik iſt gemacht worden, und zwar ſo, daß jeder Fuß einen Takt ausgemacht habe. Bey dem Takt aber iſt die ge- naue Abmeſſung der Zeit das Weſentliche; daher in dem griechiſchen Fuß alles auf die Laͤnge und Kuͤrze der Sylben ankam. Zwey kurze Sylben mußten in eben der Zeit ausgeſprochen werden, als eine lange,

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/426>, abgerufen am 22.11.2024.