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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Fen
kömmt man die Anzahl der 8 Fenster. Die Mitte,
welche 16 Fuß beträgt, söndere man durch Vortre-
tung oder Einziehung von dem andern ab, und suche
ihr eine besondere geschickte Eintheilung zu geben.
Sollte, nachdem alles festgesetzt worden ist, sich fin-
den, daß das mittelste Fenster dem guten Ansehn
zum Schaden zu breit oder zu schmal ist, so kann
man ihm im ersten Fall durch eine schmälere, im an-
dern durch eine breitere Einfaßung etwas helfen.

Die Methode, welche man an vielen Wohnhäu-
sern braucht, da man der geraden Zahl Fenster nicht
hat ausweichen wollen, die Thür an ein Ende der
Aussenseite zu setzen, giebt ofte der innern Einthei-
lung ziemliche Vortheile; doch steht sie nicht allzu
gut für das Ansehen der Aussenseite.

Mit der Höhe der Fenster ist der Baumeister we-
niger gezwungen, weil er die Höhe des ganzen Ge-
bäudes mehr in seiner Gewalt hat, als die Breite
desselben. Es muß aber die Höhe so wol des gan-
zen Gebäudes, als jedes Geschosses so genommen
werden, daß zwischen zwey über einander stehenden
Fenstern eine hinlängliche Maße Mauer sey, ohn-
gefehr so hoch als ein Fenster, und daß die Gebälke
oder Gesimse, die über den Fenstern weggehen,
ihren vollen Platz haben, und das Fenster nicht
einzudruken scheinen. Am aller ungereimtesten ist
der Fehler, der doch in einigen prächtigen Gebäu-
den, wie an dem Königl. Schloß in Berlin began-
gen worden, da die obersten Halbfenster in das Ge-
bälke hineintreten.

Ueber das Verhältniß der Höhe der Fenster zu
der Breite haben wir wenig anzumerken. Man
hat gefunden, daß diejenigen Fenster am besten ste-
hen, welche ohngefehr halb so breit, als hoch
sind. Merklich höher, bekommen sie ein zu leichtes
Ansehen, und nähern sich dem Ansehen bloßer Ritzen
in der Mauer. Merklich niedriger scheinen sie zu
schweer und zu plump. Jndessen lehrt die Erfah-
rung, daß die halben Fenster in attiken und halben
Geschossen, wenn sie ohngefehr so hoch wie breit,
oder etwas höher sind, das Ansehen der Gebäude
eben nicht verderben.

Jn Ansehung der Figur gehen die meisten Stim-
men der Kenner auf das vierekigte; die am ekelsten
sind, verwerfen alle Fenster mit Bogen, sie seyen
völlig oder gedrükt. Diese scheinen den feinesten Ge-
schmak zu haben. Doch kann man nicht sagen, daß
die sehr niedrige Bogen die Schönheit der Fenster
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Fen
ganz verstellen. S. Oeffnung. Fenster mit völlig
halbrunden Bogen, zumal wenn sie eng an einan-
der stehn, und Bänder oder Gesimse über die Fenster
hinlaufen, haben in der That etwas sehr beleidi-
gendes. Dieses haben die Alten so sehr gefühlt, daß
sie nicht einmal Thüren mit Bogen gemacht haben.

Uebrigens hat ein Baumeister in Ansehung der
Verzierung, der Verhältniß und des Ansehens der
Fenster in Rüksicht auf die Schönheit der Aussensei-
ten und der Uebereinstimmung mit den Säulenord-
nungen verschiedenes zu überlegen.

Da die Fenster denjenigen Aussenseiten, die we-
der Säulen noch Wandpfeiler haben, das meiste
Ansehen geben, so muß man sich wundern, daß
noch keinem Baumeister eingefallen ist, einen Versuch
zu machen, nach Anleitung der Säulenordnungen
dergleichen Fensterordnungen zu entwerfen. Wem
ein solcher Versuch gelünge, der würde der ganzen
Baukunst| eine Erweiterung, und den Baumeistern
eine große Erleichterung verschaffen. Folgende
hiezu gehörige Anmerkungen können den Weg dazu
bahnen.

Man könnte vier Hauptfensterordnungen machen,
welche so wol in ihren Verhältnissen, als Verzierun-
gen eben so stark von einander unterschieden wären,
als die Säulenordnungen. Die erste Ordnung
könnte auf Kirchen eingerichtet werden; die andre
auf große Palläste; die dritte auf ansehnliche Land-
und Wohnhäuser, und die vierte auf gemeine Häu-
ser. Das Wesentliche jeder Ordnung wär das Ver-
hältnis der Höhe zur Breite, wodurch zugleich die
Höhe des ganzen Geschosses bestimmt würde. Jede
Ordnung könnte etwa zwey Nebenabtheilungen ha-
ben, welche von der Figur der Fenster, je nachdem
sie einen gebogenen oder geraden Sturz hätten, und
von den Verzierungen hergenommen würden. Für
jede Ordnung müßten zwey oder drey der besten
Verhältnisse für die Fensterweiten bestimmt werden,
und eben so viel für ihre Anzahl auf einer Seite.
Endlich müßten auch alle Gesimse, Gebälke und an-
dre Verzierungen der Aussenseiten nach Maaßge-
bung jeder Ordnung bestimmt werden, damit der
Baumeister, so bald er die Fensterordnung für sein
Gebäude festgesezt, sogleich für dessen ganze Bauart
gewisse Vorschriften hätte.

Jn Ansehung der Verzierung der Fenster hat bald
jeder Baumeister etwas besonderes. Sie sind von
dreyerley Art, entweder blosse Einfaßungen, oder

Ein-

[Spaltenumbruch]

Fen
koͤmmt man die Anzahl der 8 Fenſter. Die Mitte,
welche 16 Fuß betraͤgt, ſoͤndere man durch Vortre-
tung oder Einziehung von dem andern ab, und ſuche
ihr eine beſondere geſchickte Eintheilung zu geben.
Sollte, nachdem alles feſtgeſetzt worden iſt, ſich fin-
den, daß das mittelſte Fenſter dem guten Anſehn
zum Schaden zu breit oder zu ſchmal iſt, ſo kann
man ihm im erſten Fall durch eine ſchmaͤlere, im an-
dern durch eine breitere Einfaßung etwas helfen.

Die Methode, welche man an vielen Wohnhaͤu-
ſern braucht, da man der geraden Zahl Fenſter nicht
hat ausweichen wollen, die Thuͤr an ein Ende der
Auſſenſeite zu ſetzen, giebt ofte der innern Einthei-
lung ziemliche Vortheile; doch ſteht ſie nicht allzu
gut fuͤr das Anſehen der Auſſenſeite.

Mit der Hoͤhe der Fenſter iſt der Baumeiſter we-
niger gezwungen, weil er die Hoͤhe des ganzen Ge-
baͤudes mehr in ſeiner Gewalt hat, als die Breite
deſſelben. Es muß aber die Hoͤhe ſo wol des gan-
zen Gebaͤudes, als jedes Geſchoſſes ſo genommen
werden, daß zwiſchen zwey uͤber einander ſtehenden
Fenſtern eine hinlaͤngliche Maße Mauer ſey, ohn-
gefehr ſo hoch als ein Fenſter, und daß die Gebaͤlke
oder Geſimſe, die uͤber den Fenſtern weggehen,
ihren vollen Platz haben, und das Fenſter nicht
einzudruken ſcheinen. Am aller ungereimteſten iſt
der Fehler, der doch in einigen praͤchtigen Gebaͤu-
den, wie an dem Koͤnigl. Schloß in Berlin began-
gen worden, da die oberſten Halbfenſter in das Ge-
baͤlke hineintreten.

Ueber das Verhaͤltniß der Hoͤhe der Fenſter zu
der Breite haben wir wenig anzumerken. Man
hat gefunden, daß diejenigen Fenſter am beſten ſte-
hen, welche ohngefehr halb ſo breit, als hoch
ſind. Merklich hoͤher, bekommen ſie ein zu leichtes
Anſehen, und naͤhern ſich dem Anſehen bloßer Ritzen
in der Mauer. Merklich niedriger ſcheinen ſie zu
ſchweer und zu plump. Jndeſſen lehrt die Erfah-
rung, daß die halben Fenſter in attiken und halben
Geſchoſſen, wenn ſie ohngefehr ſo hoch wie breit,
oder etwas hoͤher ſind, das Anſehen der Gebaͤude
eben nicht verderben.

Jn Anſehung der Figur gehen die meiſten Stim-
men der Kenner auf das vierekigte; die am ekelſten
ſind, verwerfen alle Fenſter mit Bogen, ſie ſeyen
voͤllig oder gedruͤkt. Dieſe ſcheinen den feineſten Ge-
ſchmak zu haben. Doch kann man nicht ſagen, daß
die ſehr niedrige Bogen die Schoͤnheit der Fenſter
[Spaltenumbruch]

Fen
ganz verſtellen. S. Oeffnung. Fenſter mit voͤllig
halbrunden Bogen, zumal wenn ſie eng an einan-
der ſtehn, und Baͤnder oder Geſimſe uͤber die Fenſter
hinlaufen, haben in der That etwas ſehr beleidi-
gendes. Dieſes haben die Alten ſo ſehr gefuͤhlt, daß
ſie nicht einmal Thuͤren mit Bogen gemacht haben.

Uebrigens hat ein Baumeiſter in Anſehung der
Verzierung, der Verhaͤltniß und des Anſehens der
Fenſter in Ruͤkſicht auf die Schoͤnheit der Auſſenſei-
ten und der Uebereinſtimmung mit den Saͤulenord-
nungen verſchiedenes zu uͤberlegen.

Da die Fenſter denjenigen Auſſenſeiten, die we-
der Saͤulen noch Wandpfeiler haben, das meiſte
Anſehen geben, ſo muß man ſich wundern, daß
noch keinem Baumeiſter eingefallen iſt, einen Verſuch
zu machen, nach Anleitung der Saͤulenordnungen
dergleichen Fenſterordnungen zu entwerfen. Wem
ein ſolcher Verſuch geluͤnge, der wuͤrde der ganzen
Baukunſt| eine Erweiterung, und den Baumeiſtern
eine große Erleichterung verſchaffen. Folgende
hiezu gehoͤrige Anmerkungen koͤnnen den Weg dazu
bahnen.

Man koͤnnte vier Hauptfenſterordnungen machen,
welche ſo wol in ihren Verhaͤltniſſen, als Verzierun-
gen eben ſo ſtark von einander unterſchieden waͤren,
als die Saͤulenordnungen. Die erſte Ordnung
koͤnnte auf Kirchen eingerichtet werden; die andre
auf große Pallaͤſte; die dritte auf anſehnliche Land-
und Wohnhaͤuſer, und die vierte auf gemeine Haͤu-
ſer. Das Weſentliche jeder Ordnung waͤr das Ver-
haͤltnis der Hoͤhe zur Breite, wodurch zugleich die
Hoͤhe des ganzen Geſchoſſes beſtimmt wuͤrde. Jede
Ordnung koͤnnte etwa zwey Nebenabtheilungen ha-
ben, welche von der Figur der Fenſter, je nachdem
ſie einen gebogenen oder geraden Sturz haͤtten, und
von den Verzierungen hergenommen wuͤrden. Fuͤr
jede Ordnung muͤßten zwey oder drey der beſten
Verhaͤltniſſe fuͤr die Fenſterweiten beſtimmt werden,
und eben ſo viel fuͤr ihre Anzahl auf einer Seite.
Endlich muͤßten auch alle Geſimſe, Gebaͤlke und an-
dre Verzierungen der Auſſenſeiten nach Maaßge-
bung jeder Ordnung beſtimmt werden, damit der
Baumeiſter, ſo bald er die Fenſterordnung fuͤr ſein
Gebaͤude feſtgeſezt, ſogleich fuͤr deſſen ganze Bauart
gewiſſe Vorſchriften haͤtte.

Jn Anſehung der Verzierung der Fenſter hat bald
jeder Baumeiſter etwas beſonderes. Sie ſind von
dreyerley Art, entweder bloſſe Einfaßungen, oder

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/392>, abgerufen am 25.11.2024.