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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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F.


[Spaltenumbruch]
F.
(Musik.)

Mit diesem Buchstaben nennt und bezeichnet
man die sechste Sayte unsers heutigen Ton-
systems, der sonst auch Fa genennt wird. Jn sei-
ner Reinigkeit macht dieser Ton die Quarte von C
aus; also ist die Länge seiner Sayte 3/4, wenn die
von C 1 ist.

Der Ton F bedeutet auch die ganze diatonische
Tonleiter, in der harten oder weichen Tonart, da-
von F der unterste Ton ist. Die Tonleiter beyder
Tonarten ist im Art. Tonart zu finden.

F heißt auch der Baßschlüssel oder das Zeichen,
womit auf dem Notensystem der Baßstimmen die
Linie bezeichnet wird, auf welcher die Note des To-
nes F zu stehen kömmt.

Fa.
(Musik.)

Bedeutet in der Solmisation nicht nur den Ton F
unsers diatonischen Systems, sondern jeden Ton,
der in der diatonischen Leiter mit dem vorhergehen-
den nur einen halben Ton ausmacht. Also unser
Ton C, ist das Fa, in der Tonleiter G dur. Jn
der Tonleiter F dur, ist unser B das Fa. Der
nächst unter dem Fa liegende halbe Ton wird alle-
mal Mi genennt, und wenn die Tonlehrer von
Mi Fa sprechen, so verstehen sie allemal die Lage
der zwey auf einander folgenden halben Tönen in
der diatonischen Leiter. Jn den nach den alten Kir-
chentönen verfertigten Fugen kommen, nach Beschaf-
fenheit des Tones, von diesem Mi Fa beträchtliche
Schwierigkeiten vor, daher findet man in den alten
Anleitungen zum Satz dieses Mi Fa so oft und mit
so vieler Bedenklichkeit erwähnet.

Fabel.
(Dichtkunst.)

Die Handlung oder Begebenheit, die den Stoff des
epischen und des dramatischen Gedichts ausmacht,
sie sey würklich geschehen, oder blos erdichtet. Ari-
stoteles nennt sie #, die
Beschaffenheit der Unternehmungen und Vorfälle.
[Spaltenumbruch] Sie ist das Gewebe, in welches der Dichter die Cha-
raktere, Reden und Entschliessungen der handelnden
Personen seiner Absicht gemäs einflicht. Sein ei-
gentlicher Zwek ist die mannigfaltigen Aeusserungen
der menschlichen Kräfte, bey merkwürdigen Vorfäl-
len, lebhaft zu schildern, die Stärke und Schwäche
des Menschen, seine gute und schlechte Seite sehen
zulassen und zu zeigen, wie er hier durch die Stärke
der Seele über alle Zufälle erhaben, dort ein Spiel-
zeug des Schiksals oder seiner eigenen Leidenschaf-
ten ist. Er sucht Vorfälle und Begebenheiten von
der Beschaffenheit, daß sie alles, was von würken-
der oder leidender Kraft in der menschlichen Seele
liegt, reizen und an den Tag bringen. Die Fabel
dienet dem Gedicht, wie das Knochengerippe des
Körpers, zum Gerüst, an dem die Edlern zum Le-
ben und zur Empfindung dienenden Theile angehef-
tet werden, damit sie ihre Würksamkeit ausüben
können.

Also ist die Fabel nicht das Wesentliche, auch
nicht der wichtigere Theil dieser Gedichte; sie ist nur
da um dem Dichter Gelegenheit zu geben, seine
Kenntnis der menschlichen Natur auf die vortheil-
hafteste Weise an uns zu bringen. Wer wird glau-
ben, daß Homerus bey der Jlias die Absicht gehabt
habe, den Griechen zu erzählen, was sich vor Troja
zugetragen, oder daß Sophokles seinen Oedipus
geschrieben, blos, um seinen Mitbürgern das Schau-
spiel des unglüklichen Falles dieses Regenten vor Au-
gen zu legen? Die Fabel ist nicht, wie die Geschicht,
um ihrer selbst willen da, und muß nach dem Grad
ihrer Tüchtigkeit zu Entwiklung der Charaktere und
Sinnesarten der darin vorkommenden Personen be-
urtheilt werden. Die beste Fabel ist die, welche
dem Dichter die beste Gelegenheit giebt, das, was
er uns zu zeigen hat, auf das kräftigste vor Au-
gen zu legen. Jede würkliche oder erdichtete Ge-
schicht oder Begebenheit, in dem Gesichtspunkte be-
trachtet, wie bey Gelegenheit derselben die Aeusse-
rungen der verschiedenen in dem menschlichen Ge-
müthe liegenden Kräfte, deutlich und lebhaft könnten
abgeschildert werden, wird durch diesen besondern Ge-
sichtspunkt, aus dem man sie ansieht, zur Fabel.

Dem-
F.


[Spaltenumbruch]
F.
(Muſik.)

Mit dieſem Buchſtaben nennt und bezeichnet
man die ſechſte Sayte unſers heutigen Ton-
ſyſtems, der ſonſt auch Fa genennt wird. Jn ſei-
ner Reinigkeit macht dieſer Ton die Quarte von C
aus; alſo iſt die Laͤnge ſeiner Sayte ¾, wenn die
von C 1 iſt.

Der Ton F bedeutet auch die ganze diatoniſche
Tonleiter, in der harten oder weichen Tonart, da-
von F der unterſte Ton iſt. Die Tonleiter beyder
Tonarten iſt im Art. Tonart zu finden.

F heißt auch der Baßſchluͤſſel oder das Zeichen,
womit auf dem Notenſyſtem der Baßſtimmen die
Linie bezeichnet wird, auf welcher die Note des To-
nes F zu ſtehen koͤmmt.

Fa.
(Muſik.)

Bedeutet in der Solmiſation nicht nur den Ton F
unſers diatoniſchen Syſtems, ſondern jeden Ton,
der in der diatoniſchen Leiter mit dem vorhergehen-
den nur einen halben Ton ausmacht. Alſo unſer
Ton C, iſt das Fa, in der Tonleiter G dur. Jn
der Tonleiter F dur, iſt unſer B das Fa. Der
naͤchſt unter dem Fa liegende halbe Ton wird alle-
mal Mi genennt, und wenn die Tonlehrer von
Mi Fa ſprechen, ſo verſtehen ſie allemal die Lage
der zwey auf einander folgenden halben Toͤnen in
der diatoniſchen Leiter. Jn den nach den alten Kir-
chentoͤnen verfertigten Fugen kommen, nach Beſchaf-
fenheit des Tones, von dieſem Mi Fa betraͤchtliche
Schwierigkeiten vor, daher findet man in den alten
Anleitungen zum Satz dieſes Mi Fa ſo oft und mit
ſo vieler Bedenklichkeit erwaͤhnet.

Fabel.
(Dichtkunſt.)

Die Handlung oder Begebenheit, die den Stoff des
epiſchen und des dramatiſchen Gedichts ausmacht,
ſie ſey wuͤrklich geſchehen, oder blos erdichtet. Ari-
ſtoteles nennt ſie #, die
Beſchaffenheit der Unternehmungen und Vorfaͤlle.
[Spaltenumbruch] Sie iſt das Gewebe, in welches der Dichter die Cha-
raktere, Reden und Entſchlieſſungen der handelnden
Perſonen ſeiner Abſicht gemaͤs einflicht. Sein ei-
gentlicher Zwek iſt die mannigfaltigen Aeuſſerungen
der menſchlichen Kraͤfte, bey merkwuͤrdigen Vorfaͤl-
len, lebhaft zu ſchildern, die Staͤrke und Schwaͤche
des Menſchen, ſeine gute und ſchlechte Seite ſehen
zulaſſen und zu zeigen, wie er hier durch die Staͤrke
der Seele uͤber alle Zufaͤlle erhaben, dort ein Spiel-
zeug des Schikſals oder ſeiner eigenen Leidenſchaf-
ten iſt. Er ſucht Vorfaͤlle und Begebenheiten von
der Beſchaffenheit, daß ſie alles, was von wuͤrken-
der oder leidender Kraft in der menſchlichen Seele
liegt, reizen und an den Tag bringen. Die Fabel
dienet dem Gedicht, wie das Knochengerippe des
Koͤrpers, zum Geruͤſt, an dem die Edlern zum Le-
ben und zur Empfindung dienenden Theile angehef-
tet werden, damit ſie ihre Wuͤrkſamkeit ausuͤben
koͤnnen.

Alſo iſt die Fabel nicht das Weſentliche, auch
nicht der wichtigere Theil dieſer Gedichte; ſie iſt nur
da um dem Dichter Gelegenheit zu geben, ſeine
Kenntnis der menſchlichen Natur auf die vortheil-
hafteſte Weiſe an uns zu bringen. Wer wird glau-
ben, daß Homerus bey der Jlias die Abſicht gehabt
habe, den Griechen zu erzaͤhlen, was ſich vor Troja
zugetragen, oder daß Sophokles ſeinen Oedipus
geſchrieben, blos, um ſeinen Mitbuͤrgern das Schau-
ſpiel des ungluͤklichen Falles dieſes Regenten vor Au-
gen zu legen? Die Fabel iſt nicht, wie die Geſchicht,
um ihrer ſelbſt willen da, und muß nach dem Grad
ihrer Tuͤchtigkeit zu Entwiklung der Charaktere und
Sinnesarten der darin vorkommenden Perſonen be-
urtheilt werden. Die beſte Fabel iſt die, welche
dem Dichter die beſte Gelegenheit giebt, das, was
er uns zu zeigen hat, auf das kraͤftigſte vor Au-
gen zu legen. Jede wuͤrkliche oder erdichtete Ge-
ſchicht oder Begebenheit, in dem Geſichtspunkte be-
trachtet, wie bey Gelegenheit derſelben die Aeuſſe-
rungen der verſchiedenen in dem menſchlichen Ge-
muͤthe liegenden Kraͤfte, deutlich und lebhaft koͤnnten
abgeſchildert werden, wird durch dieſen beſondern Ge-
ſichtspunkt, aus dem man ſie anſieht, zur Fabel.

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[359/0371] F. F. (Muſik.) Mit dieſem Buchſtaben nennt und bezeichnet man die ſechſte Sayte unſers heutigen Ton- ſyſtems, der ſonſt auch Fa genennt wird. Jn ſei- ner Reinigkeit macht dieſer Ton die Quarte von C aus; alſo iſt die Laͤnge ſeiner Sayte ¾, wenn die von C 1 iſt. Der Ton F bedeutet auch die ganze diatoniſche Tonleiter, in der harten oder weichen Tonart, da- von F der unterſte Ton iſt. Die Tonleiter beyder Tonarten iſt im Art. Tonart zu finden. F heißt auch der Baßſchluͤſſel oder das Zeichen, womit auf dem Notenſyſtem der Baßſtimmen die Linie bezeichnet wird, auf welcher die Note des To- nes F zu ſtehen koͤmmt. Fa. (Muſik.) Bedeutet in der Solmiſation nicht nur den Ton F unſers diatoniſchen Syſtems, ſondern jeden Ton, der in der diatoniſchen Leiter mit dem vorhergehen- den nur einen halben Ton ausmacht. Alſo unſer Ton C, iſt das Fa, in der Tonleiter G dur. Jn der Tonleiter F dur, iſt unſer B das Fa. Der naͤchſt unter dem Fa liegende halbe Ton wird alle- mal Mi genennt, und wenn die Tonlehrer von Mi Fa ſprechen, ſo verſtehen ſie allemal die Lage der zwey auf einander folgenden halben Toͤnen in der diatoniſchen Leiter. Jn den nach den alten Kir- chentoͤnen verfertigten Fugen kommen, nach Beſchaf- fenheit des Tones, von dieſem Mi Fa betraͤchtliche Schwierigkeiten vor, daher findet man in den alten Anleitungen zum Satz dieſes Mi Fa ſo oft und mit ſo vieler Bedenklichkeit erwaͤhnet. Fabel. (Dichtkunſt.) Die Handlung oder Begebenheit, die den Stoff des epiſchen und des dramatiſchen Gedichts ausmacht, ſie ſey wuͤrklich geſchehen, oder blos erdichtet. Ari- ſtoteles nennt ſie #, die Beſchaffenheit der Unternehmungen und Vorfaͤlle. Sie iſt das Gewebe, in welches der Dichter die Cha- raktere, Reden und Entſchlieſſungen der handelnden Perſonen ſeiner Abſicht gemaͤs einflicht. Sein ei- gentlicher Zwek iſt die mannigfaltigen Aeuſſerungen der menſchlichen Kraͤfte, bey merkwuͤrdigen Vorfaͤl- len, lebhaft zu ſchildern, die Staͤrke und Schwaͤche des Menſchen, ſeine gute und ſchlechte Seite ſehen zulaſſen und zu zeigen, wie er hier durch die Staͤrke der Seele uͤber alle Zufaͤlle erhaben, dort ein Spiel- zeug des Schikſals oder ſeiner eigenen Leidenſchaf- ten iſt. Er ſucht Vorfaͤlle und Begebenheiten von der Beſchaffenheit, daß ſie alles, was von wuͤrken- der oder leidender Kraft in der menſchlichen Seele liegt, reizen und an den Tag bringen. Die Fabel dienet dem Gedicht, wie das Knochengerippe des Koͤrpers, zum Geruͤſt, an dem die Edlern zum Le- ben und zur Empfindung dienenden Theile angehef- tet werden, damit ſie ihre Wuͤrkſamkeit ausuͤben koͤnnen. Alſo iſt die Fabel nicht das Weſentliche, auch nicht der wichtigere Theil dieſer Gedichte; ſie iſt nur da um dem Dichter Gelegenheit zu geben, ſeine Kenntnis der menſchlichen Natur auf die vortheil- hafteſte Weiſe an uns zu bringen. Wer wird glau- ben, daß Homerus bey der Jlias die Abſicht gehabt habe, den Griechen zu erzaͤhlen, was ſich vor Troja zugetragen, oder daß Sophokles ſeinen Oedipus geſchrieben, blos, um ſeinen Mitbuͤrgern das Schau- ſpiel des ungluͤklichen Falles dieſes Regenten vor Au- gen zu legen? Die Fabel iſt nicht, wie die Geſchicht, um ihrer ſelbſt willen da, und muß nach dem Grad ihrer Tuͤchtigkeit zu Entwiklung der Charaktere und Sinnesarten der darin vorkommenden Perſonen be- urtheilt werden. Die beſte Fabel iſt die, welche dem Dichter die beſte Gelegenheit giebt, das, was er uns zu zeigen hat, auf das kraͤftigſte vor Au- gen zu legen. Jede wuͤrkliche oder erdichtete Ge- ſchicht oder Begebenheit, in dem Geſichtspunkte be- trachtet, wie bey Gelegenheit derſelben die Aeuſſe- rungen der verſchiedenen in dem menſchlichen Ge- muͤthe liegenden Kraͤfte, deutlich und lebhaft koͤnnten abgeſchildert werden, wird durch dieſen beſondern Ge- ſichtspunkt, aus dem man ſie anſieht, zur Fabel. Dem-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/371>, abgerufen am 25.11.2024.