Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Ent Epi sich dies Feuer zu Nutze mache, eh' es auslöscht.Von diesen glüklichen Augenbliken sind in dem Art. Begeisterung verschiedene hieher gehörige Anmer- kungen. Damit aber der Künstler eine desto grössere Fer- Dieses thun alle großen Meister, und daher kom- Episch. (Dichtkunst.) Dieses Wort ist aus dem Griechischen und La- Die wahre Natur des Epischen, nach der Ma- Episode. (Dichtkunst.) So nennte man ehemals, nach des Aristoteles Epi Gesang, oder zwischen den Gesängen steht. An-fänglich bestuhnd die griechische Tragödie, so wie die Comödie, blos aus einem festlichen Gesang eines oder mehrern Chöre; nachher aber stellte man zwischen den Gesängen eine Handlung vor, die da- her den Namen Episode bekam. Die Reuern drü- ken durch dieses Wort sowol in dem dramatischen, als epischen Gedichte solche Vorstellungen aus, die in den Zwischenraum, wo die Erzählung oder Vor- stellung der Handlung unterbrochen wird, einge- schaltet werden. So giebt Homer im zweyten Buch der Jlias währender Zeit, daß beyde Heere sich in Schlachtordnung stellen, davon er die Umstände nicht erzählen wollte, eine Beschreibung der ganzen Seemacht der Griechen; und im III Buch, da beyde Heere gegen einander stehen, die Ankunft des Pria- mus erwarten und feyerliche Opfer zurüsten, führt uns der Dichter inzwischen nach Troja zu der Helena: dergleichen Zwischenvorstellungen nennt man gegen- wärtig Episoden. Bisweilen nennt man auch, nicht nur in der Dichtkunst, sondern auch in Gemählden, gewisse Nebensachen, die keine nothwendige Verbin- dung mit der Hauptsache haben, episodische Aus- zierungen. Die Episoden lenken die Aufmerksamkeit eine Zeit- Die Episoden können auch noch aus einem andern einem
[Spaltenumbruch] Ent Epi ſich dies Feuer zu Nutze mache, eh’ es ausloͤſcht.Von dieſen gluͤklichen Augenbliken ſind in dem Art. Begeiſterung verſchiedene hieher gehoͤrige Anmer- kungen. Damit aber der Kuͤnſtler eine deſto groͤſſere Fer- Dieſes thun alle großen Meiſter, und daher kom- Epiſch. (Dichtkunſt.) Dieſes Wort iſt aus dem Griechiſchen und La- Die wahre Natur des Epiſchen, nach der Ma- Epiſode. (Dichtkunſt.) So nennte man ehemals, nach des Ariſtoteles Epi Geſang, oder zwiſchen den Geſaͤngen ſteht. An-faͤnglich beſtuhnd die griechiſche Tragoͤdie, ſo wie die Comoͤdie, blos aus einem feſtlichen Geſang eines oder mehrern Choͤre; nachher aber ſtellte man zwiſchen den Geſaͤngen eine Handlung vor, die da- her den Namen Epiſode bekam. Die Reuern druͤ- ken durch dieſes Wort ſowol in dem dramatiſchen, als epiſchen Gedichte ſolche Vorſtellungen aus, die in den Zwiſchenraum, wo die Erzaͤhlung oder Vor- ſtellung der Handlung unterbrochen wird, einge- ſchaltet werden. So giebt Homer im zweyten Buch der Jlias waͤhrender Zeit, daß beyde Heere ſich in Schlachtordnung ſtellen, davon er die Umſtaͤnde nicht erzaͤhlen wollte, eine Beſchreibung der ganzen Seemacht der Griechen; und im III Buch, da beyde Heere gegen einander ſtehen, die Ankunft des Pria- mus erwarten und feyerliche Opfer zuruͤſten, fuͤhrt uns der Dichter inzwiſchen nach Troja zu der Helena: dergleichen Zwiſchenvorſtellungen nennt man gegen- waͤrtig Epiſoden. Bisweilen nennt man auch, nicht nur in der Dichtkunſt, ſondern auch in Gemaͤhlden, gewiſſe Nebenſachen, die keine nothwendige Verbin- dung mit der Hauptſache haben, epiſodiſche Aus- zierungen. Die Epiſoden lenken die Aufmerkſamkeit eine Zeit- Die Epiſoden koͤnnen auch noch aus einem andern einem
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Der-<lb/> gleichen Entwuͤrfe, wenn ſie von großen Meiſtern<lb/> ſind, werden ofte hoͤher geſchaͤtzt als ausgefuͤhrte<lb/> Arbeiten, weil das ganze Feuer der Einbildungs-<lb/> kraft darin anzutreffen iſt, das oft in der Ausfuͤh-<lb/> rung etwas geſchwaͤcht worden. Der Entwurf iſt das<lb/> Werk des Genies, die Ausarbeitung aber iſt vor-<lb/> nehmlich das Werk der Kunſt und des Geſchmaks.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Epiſch.</hi><lb/> (Dichtkunſt.)</head><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ieſes Wort iſt aus dem Griechiſchen und La-<lb/> teiniſchen in die deutſche Kunſtſprach aufgenommen<lb/> worden, und bedeutet etwas, das zur <hi rendition="#fr">Epopee</hi> oder<lb/> zum <hi rendition="#fr">Heldengedicht</hi> gehoͤrt, welches auch das <hi rendition="#fr">epiſche<lb/> Gedicht</hi> genennt wird. 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Ent Epi
Epi
ſich dies Feuer zu Nutze mache, eh’ es ausloͤſcht.
Von dieſen gluͤklichen Augenbliken ſind in dem Art.
Begeiſterung verſchiedene hieher gehoͤrige Anmer-
kungen.
Damit aber der Kuͤnſtler eine deſto groͤſſere Fer-
tigkeit im ſchnellen Entwerfen erlange, ſo muß er
ſich fleißig darin uͤben. So oft ihm eine gute Er-
findung einfaͤllt, ſo entwerfe er dieſelbe, wenn er
gleich ſich nicht vorgeſetzt hat, das Werk auszufuͤh-
ren, nur damit er ſich auf kuͤnftige Faͤlle uͤbe.
Dieſes thun alle großen Meiſter, und daher kom-
men dieſe haͤufigen, blos fluͤchtig gezeichneten Ent-
wuͤrfe der beſten Mahler, die man in den Cabinetten
der Liebhaber findet, und die niemals in wuͤrklich
ausgefuͤhrten Gemaͤhlden angetroffen werden. Der-
gleichen Entwuͤrfe, wenn ſie von großen Meiſtern
ſind, werden ofte hoͤher geſchaͤtzt als ausgefuͤhrte
Arbeiten, weil das ganze Feuer der Einbildungs-
kraft darin anzutreffen iſt, das oft in der Ausfuͤh-
rung etwas geſchwaͤcht worden. Der Entwurf iſt das
Werk des Genies, die Ausarbeitung aber iſt vor-
nehmlich das Werk der Kunſt und des Geſchmaks.
Epiſch.
(Dichtkunſt.)
Dieſes Wort iſt aus dem Griechiſchen und La-
teiniſchen in die deutſche Kunſtſprach aufgenommen
worden, und bedeutet etwas, das zur Epopee oder
zum Heldengedicht gehoͤrt, welches auch das epiſche
Gedicht genennt wird. Von dieſem |Gedichte ſelbſt
handeln wir unter ſeinem deutſchen Namen; (*) hier
wird blos der Gebrauch dieſes Beyworts erklaͤret.
Man kann alſo dieſes Wort von jedem Gegenſtand
brauchen, um ſeine Beziehung auf das Heldenge-
dicht anzuzeigen. Daher ſagt man, ein epiſcher
Dichter, eine epiſche Auszierung oder Behand-
lung, der epiſche Ton des Vortrages, eine epiſche
Erzaͤhlung.
S Hel-
dengedicht.
Die wahre Natur des Epiſchen, nach der Ma-
terie oder nach der aͤuſſerlichen Form betrachtet, wird
in dem Artikel Heldengedicht entwikelt.
Epiſode.
(Dichtkunſt.)
So nennte man ehemals, nach des Ariſtoteles
Bericht, die Scenen des Draum, die zwiſchen den
Gefaͤngen des Chors aufgefuͤhrt wurden; denn das
Wort bedeutet urſpruͤnglich etwas, das nach dem
Geſang, oder zwiſchen den Geſaͤngen ſteht. An-
faͤnglich beſtuhnd die griechiſche Tragoͤdie, ſo wie
die Comoͤdie, blos aus einem feſtlichen Geſang eines
oder mehrern Choͤre; nachher aber ſtellte man
zwiſchen den Geſaͤngen eine Handlung vor, die da-
her den Namen Epiſode bekam. Die Reuern druͤ-
ken durch dieſes Wort ſowol in dem dramatiſchen,
als epiſchen Gedichte ſolche Vorſtellungen aus, die
in den Zwiſchenraum, wo die Erzaͤhlung oder Vor-
ſtellung der Handlung unterbrochen wird, einge-
ſchaltet werden. So giebt Homer im zweyten
Buch der Jlias waͤhrender Zeit, daß beyde Heere ſich
in Schlachtordnung ſtellen, davon er die Umſtaͤnde
nicht erzaͤhlen wollte, eine Beſchreibung der ganzen
Seemacht der Griechen; und im III Buch, da beyde
Heere gegen einander ſtehen, die Ankunft des Pria-
mus erwarten und feyerliche Opfer zuruͤſten, fuͤhrt
uns der Dichter inzwiſchen nach Troja zu der Helena:
dergleichen Zwiſchenvorſtellungen nennt man gegen-
waͤrtig Epiſoden. Bisweilen nennt man auch, nicht
nur in der Dichtkunſt, ſondern auch in Gemaͤhlden,
gewiſſe Nebenſachen, die keine nothwendige Verbin-
dung mit der Hauptſache haben, epiſodiſche Aus-
zierungen.
Die Epiſoden lenken die Aufmerkſamkeit eine Zeit-
lang von der Hauptvorſtellung ab, und verurfa-
chen in der Handlung Ruheſtellen, auf welchen die
Vorſtellungskraft ſich durch Gegenſtaͤnde einer an-
dern Art erholt, oder, weil es nicht moͤglich oder
nicht ſchiklich war, ihr das, was inzwiſchen ge-
ſchieht, vorzulegen, mit etwas andern beſchaͤftiget
wird. Jn großen und etwas verwikelten Handlun-
gen geſchieht es meiſtentheils, daß Dinge vorkom-
men, die im Drama nicht vorgeſtellt und im epi-
ſchen Gedicht nicht wol koͤnnen erzaͤhlt werden.
Damit aber weder die Handlung, noch die Erzaͤh-
lung dadurch voͤllig ſtill ſtehe, wird unterdeſſen etwas
Epiſodiſches in die Handlung oder Erzaͤhlung ein-
gemiſcht.
Die Epiſoden koͤnnen auch noch aus einem andern
Grund nothwendig werden; naͤmlich da, wo zweyer-
ley ganz intreſſante Vorſtellungen von entgegen
geſetztem Charakter auf einander folgen muͤßten. Da
kann eine dazwiſchen geſetzte Epiſode den Geiſt und
das Gemuͤth nach und nach in eine andre Faßung
bringen, und zu dem folgenden vorbereiten. Dieſes
beobachten auch die Tonſetzer, die, wo es nicht die
Natur der Sache ausdruͤklich erfodert, nie von
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