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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Ein
andrer mit gleich scharfem Auge sie nicht sieht. Wer
sein Gehör wenig in Bemerkung der feinern Mo-
dification des Klanges geübt hat, der empfindet
bey dem Klang einer Gloke etwas ganz einförmiges,
darin er nichts unterscheidet, da das geübtere Ohr
des Tonkünstlers eine Menge einzeler Töne da-
(*) S.
Harmonie.
rin bemerket. (*) Darum befahl Pythagoras sei-
nen Schülern, ihr Gehör täglich an dem Monochord
zu üben. Ohne die fleißigsten Uebungen der Sinnen,
für welche der Künstler arbeitet, wird seine Einbil-
dungskraft da, wo er sie am meisten nöthig hat,
mittelmäßig bleiben. Aber der Dichter, der allein
für alle Sinnen arbeitet, muß auch alle durch Ue-
bung verfeinern.

Auch der Hang nach einer allgemeinen Sinnlich-
keit, wodurch die Einbildungskraft unterstützt wird,
kann durch Uebung vermehrt werden. Hier ist
nicht von der gröbern Sinnlichkeit die Rede, von
dem blos thierischen Hang, undeutliche, von allem
geistigen Wesen entblößte, nur den Körper rei-
zende Empfindungen zu haben. Je mehr die Seele
des Künstlers sich von dieser groben Sinnlichkeit
entfernt, je mehr gewinnt seine Einbildungs-
kraft, weil diese Sinnlichkeit die Seele mit Träg-
heit erfüllt, und ein blos leidendes Wesen aus ihr
macht. Die feinere Sinnlichkeit des Künstlers ist
ein Hang, sich den sinnlichen Eindrüken mit Ge-
schmak und Ueberlegung so zu überlassen, daß man
jedes reizbare darin bemerkt, ohne es ergründen
oder es der Prüfung des Verstandes unterwerfen
zu wollen. Der Künstler überläßt sich der ange-
nehmen Empfindung, die der Regenbogen in ihm
erwekt, mit Geschmak, indem er jedes einzele dieser
Empfindung besonders, aber doch immer auch alles
zugleich empfinden will; er fühlt die Schönheit der
Farben, die Harmonie derselben, und die liebliche Wöl-
bung des Bogens, einzeln und doch alles zugleich:
da der weniger sinnliche Naturforscher beschäftiget ist,
bey dieser Empfindung mehr seinen Verstand, als
seine untern Seelenkräfte zu üben. Er will die Entste-
hung der Farben, und die geometrische Bestimmung der
Rundung deutlich erkennen. Dieser Hang in jeder
Vorstellung das einzele aufzusuchen, abzusöndern und
mit Deutlichkeit zu fassen, ist der Grund des Unter-
suchungsgeistes, und zerstöhrt die Sinnlichkeit, die
eine Stütze der Einbildungskraft ist.

Es kann einem künftigen Künstler, dessen Ein-
bildungskraft an das Ausschweiffende gränzet, nütz-
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Ein
lich seyn, die strengern Uebungen des Verstandes
durch Erlernung der Wissenschaften, bis auf ei-
nen gewissen Grad zu treiben. Ein grosser Dichter
nennt die Meßkunst ganz richtig den Zaum der Phan-
tasie; (*) aber der zum Künstler berufene Jüng-(*) Haller
an Hrn. D
Geßner.

ling muß sich, wo er nicht ein ausserordentliches
zu allem gleich aufgelegtes Genie hat, nicht zu tief
in abgezogene Untersuchungen einlassen, er muß sich
vorzüglich bemühen, Begriffe, Wahrheit und all-
gemeine Kenntnis mehr anschauend in sinnlichen Ge-
genständen zu empfinden, als durch den reinern Ver-
stand zu erkennen.

Wir haben eine vorzügliche Lebhaftigkeit und
Thätigkeit des Geistes mit zu den Grundlagen ei-
ner lebhaften und leichten Einbildungskraft gezählt,
und auch diese muß durch Uebung vermehrt werden.
Jede Seele kann durch Hemmung der Thätigkeit
träg werden. Man gebe nur auf die Würkungen
der weibischen Erziehung Achtung, bey der das erste
Gesez ist, das vornehme Kind von allem, was es
in Verlegenheit setzen, von allem, was ihm Mühe
machen könnte, von allem, wobey ihm eigene Ueber-
legung und Anstrengung seiner Kräfte nöthig wären,
zurükzuhalten; jeder Begierde und jeder Aeusserung
seiner Würksamkeit zuvorzukommen. Durch eine
solche Erziehung wird der Seele ihre männliche Kraft
weggeschnitten, alle Nerven werden schlaff, und
man macht aus dem Menschen eine Mißgebuhrt,
der die wesentlichste Eigenschaft eines vernünftigen
Geschöpfes, die innere thätige Würksamkeit benom-
men ist.

Aber durch fleißige Uebung seiner Vorstellungs-
kräfte erlangt der Geist die Lebhaftigkeit, der er fä-
hig ist. Glüklich hierin ist der, dessen Erziehung
frey und thätig gewesen, dessen noch unentwikelte
Seelenkräfte hinlängliche Reizung zur Würksam-
keit empfunden, der schon früh fühlen gelernt, daß
durch Auffoderung seiner Kräfte das Gebieth sei-
ner eigenen Würksamkeit erweitert, durch Unthätig-
keit aber in enge Schranken eingeschlossen werde.
Dadurch bekommt der Geist seine Lebhaftigkeit, daß
er unauf hörlich gegen alle ihm vorkommende Gegen-
stände würksam wird. Dieses sind also die Mittel
der Einbildungskraft ihre völlige Stärke zu geben.

Das nächste, was hierauf zur Bildung eines
grossen Künstlers gehört, ist, daß er seine Phantaste
bereichere. Denn sie ist das Zeughaus, woraus er
die Waffen nihmt, die ihm die Siege über die Ge-

müther
O o 3

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Ein
andrer mit gleich ſcharfem Auge ſie nicht ſieht. Wer
ſein Gehoͤr wenig in Bemerkung der feinern Mo-
dification des Klanges geuͤbt hat, der empfindet
bey dem Klang einer Gloke etwas ganz einfoͤrmiges,
darin er nichts unterſcheidet, da das geuͤbtere Ohr
des Tonkuͤnſtlers eine Menge einzeler Toͤne da-
(*) S.
Harmonie.
rin bemerket. (*) Darum befahl Pythagoras ſei-
nen Schuͤlern, ihr Gehoͤr taͤglich an dem Monochord
zu uͤben. Ohne die fleißigſten Uebungen der Sinnen,
fuͤr welche der Kuͤnſtler arbeitet, wird ſeine Einbil-
dungskraft da, wo er ſie am meiſten noͤthig hat,
mittelmaͤßig bleiben. Aber der Dichter, der allein
fuͤr alle Sinnen arbeitet, muß auch alle durch Ue-
bung verfeinern.

Auch der Hang nach einer allgemeinen Sinnlich-
keit, wodurch die Einbildungskraft unterſtuͤtzt wird,
kann durch Uebung vermehrt werden. Hier iſt
nicht von der groͤbern Sinnlichkeit die Rede, von
dem blos thieriſchen Hang, undeutliche, von allem
geiſtigen Weſen entbloͤßte, nur den Koͤrper rei-
zende Empfindungen zu haben. Je mehr die Seele
des Kuͤnſtlers ſich von dieſer groben Sinnlichkeit
entfernt, je mehr gewinnt ſeine Einbildungs-
kraft, weil dieſe Sinnlichkeit die Seele mit Traͤg-
heit erfuͤllt, und ein blos leidendes Weſen aus ihr
macht. Die feinere Sinnlichkeit des Kuͤnſtlers iſt
ein Hang, ſich den ſinnlichen Eindruͤken mit Ge-
ſchmak und Ueberlegung ſo zu uͤberlaſſen, daß man
jedes reizbare darin bemerkt, ohne es ergruͤnden
oder es der Pruͤfung des Verſtandes unterwerfen
zu wollen. Der Kuͤnſtler uͤberlaͤßt ſich der ange-
nehmen Empfindung, die der Regenbogen in ihm
erwekt, mit Geſchmak, indem er jedes einzele dieſer
Empfindung beſonders, aber doch immer auch alles
zugleich empfinden will; er fuͤhlt die Schoͤnheit der
Farben, die Harmonie derſelben, und die liebliche Woͤl-
bung des Bogens, einzeln und doch alles zugleich:
da der weniger ſinnliche Naturforſcher beſchaͤftiget iſt,
bey dieſer Empfindung mehr ſeinen Verſtand, als
ſeine untern Seelenkraͤfte zu uͤben. Er will die Entſte-
hung der Farben, und die geometriſche Beſtimmung der
Rundung deutlich erkennen. Dieſer Hang in jeder
Vorſtellung das einzele aufzuſuchen, abzuſoͤndern und
mit Deutlichkeit zu faſſen, iſt der Grund des Unter-
ſuchungsgeiſtes, und zerſtoͤhrt die Sinnlichkeit, die
eine Stuͤtze der Einbildungskraft iſt.

Es kann einem kuͤnftigen Kuͤnſtler, deſſen Ein-
bildungskraft an das Ausſchweiffende graͤnzet, nuͤtz-
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Ein
lich ſeyn, die ſtrengern Uebungen des Verſtandes
durch Erlernung der Wiſſenſchaften, bis auf ei-
nen gewiſſen Grad zu treiben. Ein groſſer Dichter
nennt die Meßkunſt ganz richtig den Zaum der Phan-
taſie; (*) aber der zum Kuͤnſtler berufene Juͤng-(*) Haller
an Hrn. D
Geßner.

ling muß ſich, wo er nicht ein auſſerordentliches
zu allem gleich aufgelegtes Genie hat, nicht zu tief
in abgezogene Unterſuchungen einlaſſen, er muß ſich
vorzuͤglich bemuͤhen, Begriffe, Wahrheit und all-
gemeine Kenntnis mehr anſchauend in ſinnlichen Ge-
genſtaͤnden zu empfinden, als durch den reinern Ver-
ſtand zu erkennen.

Wir haben eine vorzuͤgliche Lebhaftigkeit und
Thaͤtigkeit des Geiſtes mit zu den Grundlagen ei-
ner lebhaften und leichten Einbildungskraft gezaͤhlt,
und auch dieſe muß durch Uebung vermehrt werden.
Jede Seele kann durch Hemmung der Thaͤtigkeit
traͤg werden. Man gebe nur auf die Wuͤrkungen
der weibiſchen Erziehung Achtung, bey der das erſte
Geſez iſt, das vornehme Kind von allem, was es
in Verlegenheit ſetzen, von allem, was ihm Muͤhe
machen koͤnnte, von allem, wobey ihm eigene Ueber-
legung und Anſtrengung ſeiner Kraͤfte noͤthig waͤren,
zuruͤkzuhalten; jeder Begierde und jeder Aeuſſerung
ſeiner Wuͤrkſamkeit zuvorzukommen. Durch eine
ſolche Erziehung wird der Seele ihre maͤnnliche Kraft
weggeſchnitten, alle Nerven werden ſchlaff, und
man macht aus dem Menſchen eine Mißgebuhrt,
der die weſentlichſte Eigenſchaft eines vernuͤnftigen
Geſchoͤpfes, die innere thaͤtige Wuͤrkſamkeit benom-
men iſt.

Aber durch fleißige Uebung ſeiner Vorſtellungs-
kraͤfte erlangt der Geiſt die Lebhaftigkeit, der er faͤ-
hig iſt. Gluͤklich hierin iſt der, deſſen Erziehung
frey und thaͤtig geweſen, deſſen noch unentwikelte
Seelenkraͤfte hinlaͤngliche Reizung zur Wuͤrkſam-
keit empfunden, der ſchon fruͤh fuͤhlen gelernt, daß
durch Auffoderung ſeiner Kraͤfte das Gebieth ſei-
ner eigenen Wuͤrkſamkeit erweitert, durch Unthaͤtig-
keit aber in enge Schranken eingeſchloſſen werde.
Dadurch bekommt der Geiſt ſeine Lebhaftigkeit, daß
er unauf hoͤrlich gegen alle ihm vorkommende Gegen-
ſtaͤnde wuͤrkſam wird. Dieſes ſind alſo die Mittel
der Einbildungskraft ihre voͤllige Staͤrke zu geben.

Das naͤchſte, was hierauf zur Bildung eines
groſſen Kuͤnſtlers gehoͤrt, iſt, daß er ſeine Phantaſte
bereichere. Denn ſie iſt das Zeughaus, woraus er
die Waffen nihmt, die ihm die Siege uͤber die Ge-

muͤther
O o 3
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[293/0305] Ein Ein andrer mit gleich ſcharfem Auge ſie nicht ſieht. Wer ſein Gehoͤr wenig in Bemerkung der feinern Mo- dification des Klanges geuͤbt hat, der empfindet bey dem Klang einer Gloke etwas ganz einfoͤrmiges, darin er nichts unterſcheidet, da das geuͤbtere Ohr des Tonkuͤnſtlers eine Menge einzeler Toͤne da- rin bemerket. (*) Darum befahl Pythagoras ſei- nen Schuͤlern, ihr Gehoͤr taͤglich an dem Monochord zu uͤben. Ohne die fleißigſten Uebungen der Sinnen, fuͤr welche der Kuͤnſtler arbeitet, wird ſeine Einbil- dungskraft da, wo er ſie am meiſten noͤthig hat, mittelmaͤßig bleiben. Aber der Dichter, der allein fuͤr alle Sinnen arbeitet, muß auch alle durch Ue- bung verfeinern. (*) S. Harmonie. Auch der Hang nach einer allgemeinen Sinnlich- keit, wodurch die Einbildungskraft unterſtuͤtzt wird, kann durch Uebung vermehrt werden. Hier iſt nicht von der groͤbern Sinnlichkeit die Rede, von dem blos thieriſchen Hang, undeutliche, von allem geiſtigen Weſen entbloͤßte, nur den Koͤrper rei- zende Empfindungen zu haben. Je mehr die Seele des Kuͤnſtlers ſich von dieſer groben Sinnlichkeit entfernt, je mehr gewinnt ſeine Einbildungs- kraft, weil dieſe Sinnlichkeit die Seele mit Traͤg- heit erfuͤllt, und ein blos leidendes Weſen aus ihr macht. Die feinere Sinnlichkeit des Kuͤnſtlers iſt ein Hang, ſich den ſinnlichen Eindruͤken mit Ge- ſchmak und Ueberlegung ſo zu uͤberlaſſen, daß man jedes reizbare darin bemerkt, ohne es ergruͤnden oder es der Pruͤfung des Verſtandes unterwerfen zu wollen. Der Kuͤnſtler uͤberlaͤßt ſich der ange- nehmen Empfindung, die der Regenbogen in ihm erwekt, mit Geſchmak, indem er jedes einzele dieſer Empfindung beſonders, aber doch immer auch alles zugleich empfinden will; er fuͤhlt die Schoͤnheit der Farben, die Harmonie derſelben, und die liebliche Woͤl- bung des Bogens, einzeln und doch alles zugleich: da der weniger ſinnliche Naturforſcher beſchaͤftiget iſt, bey dieſer Empfindung mehr ſeinen Verſtand, als ſeine untern Seelenkraͤfte zu uͤben. Er will die Entſte- hung der Farben, und die geometriſche Beſtimmung der Rundung deutlich erkennen. Dieſer Hang in jeder Vorſtellung das einzele aufzuſuchen, abzuſoͤndern und mit Deutlichkeit zu faſſen, iſt der Grund des Unter- ſuchungsgeiſtes, und zerſtoͤhrt die Sinnlichkeit, die eine Stuͤtze der Einbildungskraft iſt. Es kann einem kuͤnftigen Kuͤnſtler, deſſen Ein- bildungskraft an das Ausſchweiffende graͤnzet, nuͤtz- lich ſeyn, die ſtrengern Uebungen des Verſtandes durch Erlernung der Wiſſenſchaften, bis auf ei- nen gewiſſen Grad zu treiben. Ein groſſer Dichter nennt die Meßkunſt ganz richtig den Zaum der Phan- taſie; (*) aber der zum Kuͤnſtler berufene Juͤng- ling muß ſich, wo er nicht ein auſſerordentliches zu allem gleich aufgelegtes Genie hat, nicht zu tief in abgezogene Unterſuchungen einlaſſen, er muß ſich vorzuͤglich bemuͤhen, Begriffe, Wahrheit und all- gemeine Kenntnis mehr anſchauend in ſinnlichen Ge- genſtaͤnden zu empfinden, als durch den reinern Ver- ſtand zu erkennen. (*) Haller an Hrn. D Geßner. Wir haben eine vorzuͤgliche Lebhaftigkeit und Thaͤtigkeit des Geiſtes mit zu den Grundlagen ei- ner lebhaften und leichten Einbildungskraft gezaͤhlt, und auch dieſe muß durch Uebung vermehrt werden. Jede Seele kann durch Hemmung der Thaͤtigkeit traͤg werden. Man gebe nur auf die Wuͤrkungen der weibiſchen Erziehung Achtung, bey der das erſte Geſez iſt, das vornehme Kind von allem, was es in Verlegenheit ſetzen, von allem, was ihm Muͤhe machen koͤnnte, von allem, wobey ihm eigene Ueber- legung und Anſtrengung ſeiner Kraͤfte noͤthig waͤren, zuruͤkzuhalten; jeder Begierde und jeder Aeuſſerung ſeiner Wuͤrkſamkeit zuvorzukommen. Durch eine ſolche Erziehung wird der Seele ihre maͤnnliche Kraft weggeſchnitten, alle Nerven werden ſchlaff, und man macht aus dem Menſchen eine Mißgebuhrt, der die weſentlichſte Eigenſchaft eines vernuͤnftigen Geſchoͤpfes, die innere thaͤtige Wuͤrkſamkeit benom- men iſt. Aber durch fleißige Uebung ſeiner Vorſtellungs- kraͤfte erlangt der Geiſt die Lebhaftigkeit, der er faͤ- hig iſt. Gluͤklich hierin iſt der, deſſen Erziehung frey und thaͤtig geweſen, deſſen noch unentwikelte Seelenkraͤfte hinlaͤngliche Reizung zur Wuͤrkſam- keit empfunden, der ſchon fruͤh fuͤhlen gelernt, daß durch Auffoderung ſeiner Kraͤfte das Gebieth ſei- ner eigenen Wuͤrkſamkeit erweitert, durch Unthaͤtig- keit aber in enge Schranken eingeſchloſſen werde. Dadurch bekommt der Geiſt ſeine Lebhaftigkeit, daß er unauf hoͤrlich gegen alle ihm vorkommende Gegen- ſtaͤnde wuͤrkſam wird. Dieſes ſind alſo die Mittel der Einbildungskraft ihre voͤllige Staͤrke zu geben. Das naͤchſte, was hierauf zur Bildung eines groſſen Kuͤnſtlers gehoͤrt, iſt, daß er ſeine Phantaſte bereichere. Denn ſie iſt das Zeughaus, woraus er die Waffen nihmt, die ihm die Siege uͤber die Ge- muͤther O o 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/305>, abgerufen am 22.11.2024.