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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Dre
[Abbildung]
Dreyschliz.
(Baukunst.)

Eine Zierath an dem Fries der dorischen Ge-
(*) S. die
Figuren in
den Artik.
Dorisch u.
Gebälke.
bälke. (*) Es ist zu vermuthen, daß in den ältesten
Zeiten der Fries nichts anders gewesen ist, als der
Raum zwischen dem Unterbalken und dem Kranz,
den zum Theil die Köpfe der Queerbalken, zum
Theil der leere Raum zwischen denselben eingenom-
men haben. Von diesen Balkenköpfen sind die
Dreyschlize oder Triglyphen entstanden, und ge-
blieben, nachdem der Zwischenraum ausgemauret
worden.

Vermuthlich hat man, wie einige berichten, in
die Balkenköpfe blos darum senkrecht herunterge-
hende Schlize gemacht, damit das Wasser desto leich-
ter davon ablaufe und sich nicht in die Balken ziehe.
Denn wenn es eine blosse Zierath wäre, so ist zu
vermuthen, daß man auf etwas anders gefallen seyn
würde, wie man denn noch ietzo an alten hölzernen
Häusern die Balkenköpfe mit Rosen und anderm
Schnizwerk verziert findet. Die unter den Tri-
glyphen stehenden oder hangenden Tropfen scheinen es
noch mehr zu bestätigen. Man findet schon die
Spuhren der Dreyschlize sowol als der Verzierun-
gen der Zwischentiefen, in einem sehr alten Gebälke
in Amara, welches das alte Taetyra ist.

Ursprünglich sind also die Dreyschlize Balkenköpfe,
welche mit drey gerad herunterlaufenden prisma-
tischen Schlizen vertieft sind. Man hat nachher,
da sowol die Balkenköpfe, als der leere Raum da-
zwischen, mit Steinen bedekt und zugesetzt worden,
die Dreyschlize und Zwischentiefen, als Zierrathen
des Frieses beybehalten. Allein es läßt sich nicht
sagen, warum in keiner andern Ordnung eine
Spuhr der Balkenköpfe übrig geblieben sey. So
viel ist aber gewiß, daß dadurch die dorische Ord-
nung überhaupt ein gutes Ansehen bekömmt, und
daß die Dreyschlize und die darunter hängenden
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Dre
Tropfen, als die einfachesten geschnizten Zierathen,
dem Gebälk ein gutes Ansehen geben.

Die griechischen Baumeister haben, um dem Fries
mehrere Mannigfaltigkeit zu geben, die Dreyschlize
in ihren Verhältnissen von den Zwischentiefen unter-
scheiden. Diesen haben sie die Form eines gleich-
seitigen rechtwinklichten Viereks gegeben, da sie die
Dreyschlize etwas höher, als breit gemacht. Vitru-
vius
giebt dieses als eine nothwendige Regel, daß ihre
Höhe zu der Breite sich wie 3 zu 2 verhalten, diese
aber 1 Model seyn müsse. Allein diese Regel ist von
keiner Nothwendigkeit. Alle Verhältnisse können statt
haben, wenn sie nur grösser als 2:1 und kleiner als
6:5 sind. Es ist kaum zu begreifen, wie die Hoch-
achtung für die griechischen Verhältnisse, auch da, wo
sie die Natur nicht zum Grund haben, so viel neuere
Baumeister hat zwingen können, das so sehr un-
bequäme Verhältniß des Vitruvius beyzubehalten,
das sich, wie wir bald sehen werden, zu so wenig
Säulenweiten schiket. Goldman verwirft daher
diese Einschränkung, die Vignola Palladio und
Scamozzi beybehalten haben, mit Recht.

Das vitruvische Verhältniß ist darin unbequäm,
daß man die Triglyphen in den Säulenweiten von
4, 6, 7 und 8 Modeln, nicht mitten auf jede
Säule bringen kann, welches doch in einer der we-
sentlichsten Regeln der Baukunst gegründet ist,
Denn es ist ein beleidigender Fehler, wenn ein
Balken nicht mitten auf die Säulen oder Pfeiler
trifft. Setzet man die Säulen unter den ersten
und dritten Dreyschliz, so wird die Säulenweite
von fünf Modeln; setzet man sie aber immer un-
ter den fünften Dreyschliz, so wird die Säulen-
weite von 10 Modeln, und von funfzehen, wenn
man immer unter den siebenden Dreyschliz eine
Säule setzet. Mithin können in der dorischen Ord-
nung nur drey Säulenweiten, nämlich von 5, 10,
und 15 Modeln statt haben, welches die Bogenstel-
lungen sehr ungeschikt macht.

Dieser Unbequämlichkeit abzuhelfen hat Gold-
man verschiedene Verhältnisse angenommen. Erst-
lich behält er die Vitruvischen für die bemeldten Säu-
lenweiten; hernach rechnet er ein ander Gebälk
aus, darin die Dreyschlize etwas kleiner sind, die-
ses schiket sich auf die Säulenweiten von 4, 6, 8,
10, 12, 14 und 16 Model; endlich hat er
noch ein ander Gebälke, wo die Höhe der Drey-
schlize zur Breite sich verhält, wie 4 zu 3. Dieses

schiket
Erster Theil. N n
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Dre
[Abbildung]
Dreyſchliz.
(Baukunſt.)

Eine Zierath an dem Fries der doriſchen Ge-
(*) S. die
Figuren in
den Artik.
Doriſch u.
Gebaͤlke.
baͤlke. (*) Es iſt zu vermuthen, daß in den aͤlteſten
Zeiten der Fries nichts anders geweſen iſt, als der
Raum zwiſchen dem Unterbalken und dem Kranz,
den zum Theil die Koͤpfe der Queerbalken, zum
Theil der leere Raum zwiſchen denſelben eingenom-
men haben. Von dieſen Balkenkoͤpfen ſind die
Dreyſchlize oder Triglyphen entſtanden, und ge-
blieben, nachdem der Zwiſchenraum ausgemauret
worden.

Vermuthlich hat man, wie einige berichten, in
die Balkenkoͤpfe blos darum ſenkrecht herunterge-
hende Schlize gemacht, damit das Waſſer deſto leich-
ter davon ablaufe und ſich nicht in die Balken ziehe.
Denn wenn es eine bloſſe Zierath waͤre, ſo iſt zu
vermuthen, daß man auf etwas anders gefallen ſeyn
wuͤrde, wie man denn noch ietzo an alten hoͤlzernen
Haͤuſern die Balkenkoͤpfe mit Roſen und anderm
Schnizwerk verziert findet. Die unter den Tri-
glyphen ſtehenden oder hangenden Tropfen ſcheinen es
noch mehr zu beſtaͤtigen. Man findet ſchon die
Spuhren der Dreyſchlize ſowol als der Verzierun-
gen der Zwiſchentiefen, in einem ſehr alten Gebaͤlke
in Amara, welches das alte Taetyra iſt.

Urſpruͤnglich ſind alſo die Dreyſchlize Balkenkoͤpfe,
welche mit drey gerad herunterlaufenden prisma-
tiſchen Schlizen vertieft ſind. Man hat nachher,
da ſowol die Balkenkoͤpfe, als der leere Raum da-
zwiſchen, mit Steinen bedekt und zugeſetzt worden,
die Dreyſchlize und Zwiſchentiefen, als Zierrathen
des Frieſes beybehalten. Allein es laͤßt ſich nicht
ſagen, warum in keiner andern Ordnung eine
Spuhr der Balkenkoͤpfe uͤbrig geblieben ſey. So
viel iſt aber gewiß, daß dadurch die doriſche Ord-
nung uͤberhaupt ein gutes Anſehen bekoͤmmt, und
daß die Dreyſchlize und die darunter haͤngenden
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Dre
Tropfen, als die einfacheſten geſchnizten Zierathen,
dem Gebaͤlk ein gutes Anſehen geben.

Die griechiſchen Baumeiſter haben, um dem Fries
mehrere Mannigfaltigkeit zu geben, die Dreyſchlize
in ihren Verhaͤltniſſen von den Zwiſchentiefen unter-
ſcheiden. Dieſen haben ſie die Form eines gleich-
ſeitigen rechtwinklichten Viereks gegeben, da ſie die
Dreyſchlize etwas hoͤher, als breit gemacht. Vitru-
vius
giebt dieſes als eine nothwendige Regel, daß ihre
Hoͤhe zu der Breite ſich wie 3 zu 2 verhalten, dieſe
aber 1 Model ſeyn muͤſſe. Allein dieſe Regel iſt von
keiner Nothwendigkeit. Alle Verhaͤltniſſe koͤnnen ſtatt
haben, wenn ſie nur groͤſſer als 2:1 und kleiner als
6:5 ſind. Es iſt kaum zu begreifen, wie die Hoch-
achtung fuͤr die griechiſchen Verhaͤltniſſe, auch da, wo
ſie die Natur nicht zum Grund haben, ſo viel neuere
Baumeiſter hat zwingen koͤnnen, das ſo ſehr un-
bequaͤme Verhaͤltniß des Vitruvius beyzubehalten,
das ſich, wie wir bald ſehen werden, zu ſo wenig
Saͤulenweiten ſchiket. Goldman verwirft daher
dieſe Einſchraͤnkung, die Vignola Palladio und
Scamozzi beybehalten haben, mit Recht.

Das vitruviſche Verhaͤltniß iſt darin unbequaͤm,
daß man die Triglyphen in den Saͤulenweiten von
4, 6, 7 und 8 Modeln, nicht mitten auf jede
Saͤule bringen kann, welches doch in einer der we-
ſentlichſten Regeln der Baukunſt gegruͤndet iſt,
Denn es iſt ein beleidigender Fehler, wenn ein
Balken nicht mitten auf die Saͤulen oder Pfeiler
trifft. Setzet man die Saͤulen unter den erſten
und dritten Dreyſchliz, ſo wird die Saͤulenweite
von fuͤnf Modeln; ſetzet man ſie aber immer un-
ter den fuͤnften Dreyſchliz, ſo wird die Saͤulen-
weite von 10 Modeln, und von funfzehen, wenn
man immer unter den ſiebenden Dreyſchliz eine
Saͤule ſetzet. Mithin koͤnnen in der doriſchen Ord-
nung nur drey Saͤulenweiten, naͤmlich von 5, 10,
und 15 Modeln ſtatt haben, welches die Bogenſtel-
lungen ſehr ungeſchikt macht.

Dieſer Unbequaͤmlichkeit abzuhelfen hat Gold-
man verſchiedene Verhaͤltniſſe angenommen. Erſt-
lich behaͤlt er die Vitruviſchen fuͤr die bemeldten Saͤu-
lenweiten; hernach rechnet er ein ander Gebaͤlk
aus, darin die Dreyſchlize etwas kleiner ſind, die-
ſes ſchiket ſich auf die Saͤulenweiten von 4, 6, 8,
10, 12, 14 und 16 Model; endlich hat er
noch ein ander Gebaͤlke, wo die Hoͤhe der Drey-
ſchlize zur Breite ſich verhaͤlt, wie 4 zu 3. Dieſes

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[281/0293] Dre Dre [Abbildung] Dreyſchliz. (Baukunſt.) Eine Zierath an dem Fries der doriſchen Ge- baͤlke. (*) Es iſt zu vermuthen, daß in den aͤlteſten Zeiten der Fries nichts anders geweſen iſt, als der Raum zwiſchen dem Unterbalken und dem Kranz, den zum Theil die Koͤpfe der Queerbalken, zum Theil der leere Raum zwiſchen denſelben eingenom- men haben. Von dieſen Balkenkoͤpfen ſind die Dreyſchlize oder Triglyphen entſtanden, und ge- blieben, nachdem der Zwiſchenraum ausgemauret worden. (*) S. die Figuren in den Artik. Doriſch u. Gebaͤlke. Vermuthlich hat man, wie einige berichten, in die Balkenkoͤpfe blos darum ſenkrecht herunterge- hende Schlize gemacht, damit das Waſſer deſto leich- ter davon ablaufe und ſich nicht in die Balken ziehe. Denn wenn es eine bloſſe Zierath waͤre, ſo iſt zu vermuthen, daß man auf etwas anders gefallen ſeyn wuͤrde, wie man denn noch ietzo an alten hoͤlzernen Haͤuſern die Balkenkoͤpfe mit Roſen und anderm Schnizwerk verziert findet. Die unter den Tri- glyphen ſtehenden oder hangenden Tropfen ſcheinen es noch mehr zu beſtaͤtigen. Man findet ſchon die Spuhren der Dreyſchlize ſowol als der Verzierun- gen der Zwiſchentiefen, in einem ſehr alten Gebaͤlke in Amara, welches das alte Taetyra iſt. Urſpruͤnglich ſind alſo die Dreyſchlize Balkenkoͤpfe, welche mit drey gerad herunterlaufenden prisma- tiſchen Schlizen vertieft ſind. Man hat nachher, da ſowol die Balkenkoͤpfe, als der leere Raum da- zwiſchen, mit Steinen bedekt und zugeſetzt worden, die Dreyſchlize und Zwiſchentiefen, als Zierrathen des Frieſes beybehalten. Allein es laͤßt ſich nicht ſagen, warum in keiner andern Ordnung eine Spuhr der Balkenkoͤpfe uͤbrig geblieben ſey. So viel iſt aber gewiß, daß dadurch die doriſche Ord- nung uͤberhaupt ein gutes Anſehen bekoͤmmt, und daß die Dreyſchlize und die darunter haͤngenden Tropfen, als die einfacheſten geſchnizten Zierathen, dem Gebaͤlk ein gutes Anſehen geben. Die griechiſchen Baumeiſter haben, um dem Fries mehrere Mannigfaltigkeit zu geben, die Dreyſchlize in ihren Verhaͤltniſſen von den Zwiſchentiefen unter- ſcheiden. Dieſen haben ſie die Form eines gleich- ſeitigen rechtwinklichten Viereks gegeben, da ſie die Dreyſchlize etwas hoͤher, als breit gemacht. Vitru- vius giebt dieſes als eine nothwendige Regel, daß ihre Hoͤhe zu der Breite ſich wie 3 zu 2 verhalten, dieſe aber 1 Model ſeyn muͤſſe. Allein dieſe Regel iſt von keiner Nothwendigkeit. Alle Verhaͤltniſſe koͤnnen ſtatt haben, wenn ſie nur groͤſſer als 2:1 und kleiner als 6:5 ſind. Es iſt kaum zu begreifen, wie die Hoch- achtung fuͤr die griechiſchen Verhaͤltniſſe, auch da, wo ſie die Natur nicht zum Grund haben, ſo viel neuere Baumeiſter hat zwingen koͤnnen, das ſo ſehr un- bequaͤme Verhaͤltniß des Vitruvius beyzubehalten, das ſich, wie wir bald ſehen werden, zu ſo wenig Saͤulenweiten ſchiket. Goldman verwirft daher dieſe Einſchraͤnkung, die Vignola Palladio und Scamozzi beybehalten haben, mit Recht. Das vitruviſche Verhaͤltniß iſt darin unbequaͤm, daß man die Triglyphen in den Saͤulenweiten von 4, 6, 7 und 8 Modeln, nicht mitten auf jede Saͤule bringen kann, welches doch in einer der we- ſentlichſten Regeln der Baukunſt gegruͤndet iſt, Denn es iſt ein beleidigender Fehler, wenn ein Balken nicht mitten auf die Saͤulen oder Pfeiler trifft. Setzet man die Saͤulen unter den erſten und dritten Dreyſchliz, ſo wird die Saͤulenweite von fuͤnf Modeln; ſetzet man ſie aber immer un- ter den fuͤnften Dreyſchliz, ſo wird die Saͤulen- weite von 10 Modeln, und von funfzehen, wenn man immer unter den ſiebenden Dreyſchliz eine Saͤule ſetzet. Mithin koͤnnen in der doriſchen Ord- nung nur drey Saͤulenweiten, naͤmlich von 5, 10, und 15 Modeln ſtatt haben, welches die Bogenſtel- lungen ſehr ungeſchikt macht. Dieſer Unbequaͤmlichkeit abzuhelfen hat Gold- man verſchiedene Verhaͤltniſſe angenommen. Erſt- lich behaͤlt er die Vitruviſchen fuͤr die bemeldten Saͤu- lenweiten; hernach rechnet er ein ander Gebaͤlk aus, darin die Dreyſchlize etwas kleiner ſind, die- ſes ſchiket ſich auf die Saͤulenweiten von 4, 6, 8, 10, 12, 14 und 16 Model; endlich hat er noch ein ander Gebaͤlke, wo die Hoͤhe der Drey- ſchlize zur Breite ſich verhaͤlt, wie 4 zu 3. Dieſes ſchiket Erſter Theil. N n

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/293>, abgerufen am 23.11.2024.