Die Würkung sowol ganzer Werke der schönen Künste, als einzeler Theile derselben, kommt gar ofte von der Aehnlichkeit her. Von ihr kommt das Vergnügen, das ein durch Kunst nachgeahmter Gegenstand erwekt; ihr hat man ofte die große Würkung einiger Vorstellungen der Beredsamkeit und Dichtkunst zu zuschreiben. Sowol die Annehm- lichkeit als die Kraft der aesopischen Fabel, des Gleichnißes, der Bilder, der Allegorie, der Me- tapher, haben in der Würkung der Aehnlichkeit ih- ren Grund. Es gehört also zur Theorie der schö- nen Künste, daß dieser Gegenstand genau unter- sucht werde.
Daß die bloße Bemerkung der Aehnlichkeit uns angenehm sey, erkennen wir aus dem Vergnü- gen, welches solche Nachahmungen erweken, de- ren Urbilder wir nicht gerne sehen. Wir ergetzen (*) Jn der Abhand- lung, wie man die Dichter lesen soll.uns, sagt Plutarchus (*), an einer gemahlten Ey- dechse, an einem Affen, oder gar wol an dem Ge- sicht eines Thersites, nicht der Schönheit, sondern der Aehnlichkeit halber. Man betrachtet manches gemahlte Bild mit großem Vergnügen, von deßen Urbild man die Augen wegwenden würde, so bald man es erbliket. Wollte man dagegen einwenden, daß das Vergnügen in den angeführten Fällen nicht von der Bemerkung der Aehnlichkeit herkomme, da es auch bey gut gemahlten Bildern statt hat, deren Urbilder man nicht kennet, und also die Aehnlichkeit nicht bemerken kann; so wird eine nähere Ueber- legung der Sache diesen Einwurf bald heben. Wenn wir gleich die Person, deren Bild wir betrachten, nicht kennen, so entdeken wir doch in diesem einen Charakter, ein Leben, eine Seele, ein Tempera- ment, dergleichen wir an lebenden Menschen be- merkt haben; mithin eine Aehnlichkeit mit einem würklichen Menschen, wiewol wir ihn nicht ken- nen. Eine von de Heem gemahlte Frucht oder Blume, die man niemal in der Natur gesehen, zeiget ein vegetabilisches Leben, in völliger Aehn- lichkeit mit dem Leben andrer uns bekanten Blu- men. Es ist die Bemerkung dieser Aehnlichkeit die uns gefällt.
Es haben einige Kunstrichter geglaubt, daß das Vergnügen aus der Bemerkung der Aehnlichkeit von der Bewunderung der Kunst herrühre. Allerdings [Spaltenumbruch]
Aeh
macht die Betrachtung der Kunst an sich selbst auch Vergnügen, (S. Künstlich.) aber in den bemeldten Fällen ist noch ein Ergetzen da, welches mit die- sem nichts gemein hat. Wir finden ja einen Ge- fallen an Aehnlichkeiten, die von keiner Kunst her- rühren; an einem Florentinischen Marmor, der eine Landschaft vorstellt, an einer Blume, welche große Aehnlichkeit mit einer Fliege hat (*) und an(*) Orchis muscam reserens. vielen andern Dingen dieser Art.
Demnach ist die bloße Bemerkung der Aehnlich- keit, ohne alle Rücksicht auf die Kunst, wodurch sie entstanden ist, eine Ursache des Vergnügens. Es ist auch nicht schweer zu zeigen, wie es entsteht. Wir sehen zwey ihrer Natur nach verschiedene Dinge, einen würklichen Körper, und eine flach ausgespannte Leinwand mit Farben bedekt. Die Natur des einen scheinet der Natur des andern entgegen zu seyn. Dennoch entdeken wir in bey- den so viel einerley, daß das eine eben die Empfin- dungen in dem Auge erwekt, als das andre. Die- ses einerley bey sogar ungleichen Dingen, muß al- so nothwendig auf sehr ungleiche Weise entstehen. Der Geist stellt sich, wiewol ganz dunkel, zwey Quellen oder Ursachen vor, deren Naturen einan- der entgegen sind, die aber einerley Würkungen hervorbringen. Dieses ist uns etwas unerwarte- tes; zwey ihrer Natur nach ganz verschiedene Ein- heiten, kommen in eben demselben manigfaltigen überein. Höhen und Tiefen auf einer Fläche, so gut als an einem würklichen Körper, ein Leben und eine Seele in einem Stein, dies muß uns nothwendig in eine angenehme Bewunderung setzen. Selbst das große Geheimnis von dem Reiz der Schönheit scheinet mir daher erklärbar, daß wir die Vollkommenheit eines Geistes in der Materie erbliken (*). Außer diesem unterhält die Bemer-(*) S. Schön- heit. kung der Aehnlichkeit den Geist in der Würksamkeit welche allemal nothwendig von der angenehmen(*) S. Theorie der ange- nehmen und unan- genehmen Empfin- dungen. Empfindung begleitet wird (*). Eine beständige Vergleichung aller Theile zweyer Gegenstände, und Bemerkung ihrer Uebereinstimmung unterhält diese Würksamkeit.
Die Wahrheit dieser Anmerkungen wird durch Betrachtung einiger besonderer Fälle bestätiget, da die höchste Aehnlichkeit nur wenig Vergnügen er- wekt. Nichts ist ähnlicher, als die Wachsabgüße von würklich lebenden Personen; dennoch gefallen sie unendlich weniger als gut gemahlte Porträte.
Der
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Aeh
Aehnlichkeit. (Schoͤne Kuͤnſte uͤberhaupt.)
Die Wuͤrkung ſowol ganzer Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte, als einzeler Theile derſelben, kommt gar ofte von der Aehnlichkeit her. Von ihr kommt das Vergnuͤgen, das ein durch Kunſt nachgeahmter Gegenſtand erwekt; ihr hat man ofte die große Wuͤrkung einiger Vorſtellungen der Beredſamkeit und Dichtkunſt zu zuſchreiben. Sowol die Annehm- lichkeit als die Kraft der aeſopiſchen Fabel, des Gleichnißes, der Bilder, der Allegorie, der Me- tapher, haben in der Wuͤrkung der Aehnlichkeit ih- ren Grund. Es gehoͤrt alſo zur Theorie der ſchoͤ- nen Kuͤnſte, daß dieſer Gegenſtand genau unter- ſucht werde.
Daß die bloße Bemerkung der Aehnlichkeit uns angenehm ſey, erkennen wir aus dem Vergnuͤ- gen, welches ſolche Nachahmungen erweken, de- ren Urbilder wir nicht gerne ſehen. Wir ergetzen (*) Jn der Abhand- lung, wie man die Dichter leſen ſoll.uns, ſagt Plutarchus (*), an einer gemahlten Ey- dechſe, an einem Affen, oder gar wol an dem Ge- ſicht eines Therſites, nicht der Schoͤnheit, ſondern der Aehnlichkeit halber. Man betrachtet manches gemahlte Bild mit großem Vergnuͤgen, von deßen Urbild man die Augen wegwenden wuͤrde, ſo bald man es erbliket. Wollte man dagegen einwenden, daß das Vergnuͤgen in den angefuͤhrten Faͤllen nicht von der Bemerkung der Aehnlichkeit herkomme, da es auch bey gut gemahlten Bildern ſtatt hat, deren Urbilder man nicht kennet, und alſo die Aehnlichkeit nicht bemerken kann; ſo wird eine naͤhere Ueber- legung der Sache dieſen Einwurf bald heben. Wenn wir gleich die Perſon, deren Bild wir betrachten, nicht kennen, ſo entdeken wir doch in dieſem einen Charakter, ein Leben, eine Seele, ein Tempera- ment, dergleichen wir an lebenden Menſchen be- merkt haben; mithin eine Aehnlichkeit mit einem wuͤrklichen Menſchen, wiewol wir ihn nicht ken- nen. Eine von de Heem gemahlte Frucht oder Blume, die man niemal in der Natur geſehen, zeiget ein vegetabiliſches Leben, in voͤlliger Aehn- lichkeit mit dem Leben andrer uns bekanten Blu- men. Es iſt die Bemerkung dieſer Aehnlichkeit die uns gefaͤllt.
Es haben einige Kunſtrichter geglaubt, daß das Vergnuͤgen aus der Bemerkung der Aehnlichkeit von der Bewunderung der Kunſt herruͤhre. Allerdings [Spaltenumbruch]
Aeh
macht die Betrachtung der Kunſt an ſich ſelbſt auch Vergnuͤgen, (S. Kuͤnſtlich.) aber in den bemeldten Faͤllen iſt noch ein Ergetzen da, welches mit die- ſem nichts gemein hat. Wir finden ja einen Ge- fallen an Aehnlichkeiten, die von keiner Kunſt her- ruͤhren; an einem Florentiniſchen Marmor, der eine Landſchaft vorſtellt, an einer Blume, welche große Aehnlichkeit mit einer Fliege hat (*) und an(*) Orchis muſcam reſerens. vielen andern Dingen dieſer Art.
Demnach iſt die bloße Bemerkung der Aehnlich- keit, ohne alle Ruͤckſicht auf die Kunſt, wodurch ſie entſtanden iſt, eine Urſache des Vergnuͤgens. Es iſt auch nicht ſchweer zu zeigen, wie es entſteht. Wir ſehen zwey ihrer Natur nach verſchiedene Dinge, einen wuͤrklichen Koͤrper, und eine flach ausgeſpannte Leinwand mit Farben bedekt. Die Natur des einen ſcheinet der Natur des andern entgegen zu ſeyn. Dennoch entdeken wir in bey- den ſo viel einerley, daß das eine eben die Empfin- dungen in dem Auge erwekt, als das andre. Die- ſes einerley bey ſogar ungleichen Dingen, muß al- ſo nothwendig auf ſehr ungleiche Weiſe entſtehen. Der Geiſt ſtellt ſich, wiewol ganz dunkel, zwey Quellen oder Urſachen vor, deren Naturen einan- der entgegen ſind, die aber einerley Wuͤrkungen hervorbringen. Dieſes iſt uns etwas unerwarte- tes; zwey ihrer Natur nach ganz verſchiedene Ein- heiten, kommen in eben demſelben manigfaltigen uͤberein. Hoͤhen und Tiefen auf einer Flaͤche, ſo gut als an einem wuͤrklichen Koͤrper, ein Leben und eine Seele in einem Stein, dies muß uns nothwendig in eine angenehme Bewunderung ſetzen. Selbſt das große Geheimnis von dem Reiz der Schoͤnheit ſcheinet mir daher erklaͤrbar, daß wir die Vollkommenheit eines Geiſtes in der Materie erbliken (*). Außer dieſem unterhaͤlt die Bemer-(*) S. Schoͤn- heit. kung der Aehnlichkeit den Geiſt in der Wuͤrkſamkeit welche allemal nothwendig von der angenehmen(*) S. Theorie der ange- nehmen und unan- genehmen Empfin- dungen. Empfindung begleitet wird (*). Eine beſtaͤndige Vergleichung aller Theile zweyer Gegenſtaͤnde, und Bemerkung ihrer Uebereinſtimmung unterhaͤlt dieſe Wuͤrkſamkeit.
Die Wahrheit dieſer Anmerkungen wird durch Betrachtung einiger beſonderer Faͤlle beſtaͤtiget, da die hoͤchſte Aehnlichkeit nur wenig Vergnuͤgen er- wekt. Nichts iſt aͤhnlicher, als die Wachsabguͤße von wuͤrklich lebenden Perſonen; dennoch gefallen ſie unendlich weniger als gut gemahlte Portraͤte.
Der
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Aehnlichkeit.
(Schoͤne Kuͤnſte uͤberhaupt.)
Die Wuͤrkung ſowol ganzer Werke der ſchoͤnen
Kuͤnſte, als einzeler Theile derſelben, kommt gar
ofte von der Aehnlichkeit her. Von ihr kommt das
Vergnuͤgen, das ein durch Kunſt nachgeahmter
Gegenſtand erwekt; ihr hat man ofte die große
Wuͤrkung einiger Vorſtellungen der Beredſamkeit
und Dichtkunſt zu zuſchreiben. Sowol die Annehm-
lichkeit als die Kraft der aeſopiſchen Fabel, des
Gleichnißes, der Bilder, der Allegorie, der Me-
tapher, haben in der Wuͤrkung der Aehnlichkeit ih-
ren Grund. Es gehoͤrt alſo zur Theorie der ſchoͤ-
nen Kuͤnſte, daß dieſer Gegenſtand genau unter-
ſucht werde.
Daß die bloße Bemerkung der Aehnlichkeit uns
angenehm ſey, erkennen wir aus dem Vergnuͤ-
gen, welches ſolche Nachahmungen erweken, de-
ren Urbilder wir nicht gerne ſehen. Wir ergetzen
uns, ſagt Plutarchus (*), an einer gemahlten Ey-
dechſe, an einem Affen, oder gar wol an dem Ge-
ſicht eines Therſites, nicht der Schoͤnheit, ſondern
der Aehnlichkeit halber. Man betrachtet manches
gemahlte Bild mit großem Vergnuͤgen, von deßen
Urbild man die Augen wegwenden wuͤrde, ſo bald
man es erbliket. Wollte man dagegen einwenden,
daß das Vergnuͤgen in den angefuͤhrten Faͤllen nicht
von der Bemerkung der Aehnlichkeit herkomme, da
es auch bey gut gemahlten Bildern ſtatt hat, deren
Urbilder man nicht kennet, und alſo die Aehnlichkeit
nicht bemerken kann; ſo wird eine naͤhere Ueber-
legung der Sache dieſen Einwurf bald heben. Wenn
wir gleich die Perſon, deren Bild wir betrachten,
nicht kennen, ſo entdeken wir doch in dieſem einen
Charakter, ein Leben, eine Seele, ein Tempera-
ment, dergleichen wir an lebenden Menſchen be-
merkt haben; mithin eine Aehnlichkeit mit einem
wuͤrklichen Menſchen, wiewol wir ihn nicht ken-
nen. Eine von de Heem gemahlte Frucht oder
Blume, die man niemal in der Natur geſehen,
zeiget ein vegetabiliſches Leben, in voͤlliger Aehn-
lichkeit mit dem Leben andrer uns bekanten Blu-
men. Es iſt die Bemerkung dieſer Aehnlichkeit
die uns gefaͤllt.
(*) Jn der
Abhand-
lung, wie
man die
Dichter
leſen ſoll.
Es haben einige Kunſtrichter geglaubt, daß das
Vergnuͤgen aus der Bemerkung der Aehnlichkeit von
der Bewunderung der Kunſt herruͤhre. Allerdings
macht die Betrachtung der Kunſt an ſich ſelbſt auch
Vergnuͤgen, (S. Kuͤnſtlich.) aber in den bemeldten
Faͤllen iſt noch ein Ergetzen da, welches mit die-
ſem nichts gemein hat. Wir finden ja einen Ge-
fallen an Aehnlichkeiten, die von keiner Kunſt her-
ruͤhren; an einem Florentiniſchen Marmor, der
eine Landſchaft vorſtellt, an einer Blume, welche
große Aehnlichkeit mit einer Fliege hat (*) und an
vielen andern Dingen dieſer Art.
(*) Orchis
muſcam
reſerens.
Demnach iſt die bloße Bemerkung der Aehnlich-
keit, ohne alle Ruͤckſicht auf die Kunſt, wodurch
ſie entſtanden iſt, eine Urſache des Vergnuͤgens. Es
iſt auch nicht ſchweer zu zeigen, wie es entſteht.
Wir ſehen zwey ihrer Natur nach verſchiedene
Dinge, einen wuͤrklichen Koͤrper, und eine flach
ausgeſpannte Leinwand mit Farben bedekt. Die
Natur des einen ſcheinet der Natur des andern
entgegen zu ſeyn. Dennoch entdeken wir in bey-
den ſo viel einerley, daß das eine eben die Empfin-
dungen in dem Auge erwekt, als das andre. Die-
ſes einerley bey ſogar ungleichen Dingen, muß al-
ſo nothwendig auf ſehr ungleiche Weiſe entſtehen.
Der Geiſt ſtellt ſich, wiewol ganz dunkel, zwey
Quellen oder Urſachen vor, deren Naturen einan-
der entgegen ſind, die aber einerley Wuͤrkungen
hervorbringen. Dieſes iſt uns etwas unerwarte-
tes; zwey ihrer Natur nach ganz verſchiedene Ein-
heiten, kommen in eben demſelben manigfaltigen
uͤberein. Hoͤhen und Tiefen auf einer Flaͤche, ſo
gut als an einem wuͤrklichen Koͤrper, ein Leben
und eine Seele in einem Stein, dies muß uns
nothwendig in eine angenehme Bewunderung ſetzen.
Selbſt das große Geheimnis von dem Reiz der
Schoͤnheit ſcheinet mir daher erklaͤrbar, daß wir
die Vollkommenheit eines Geiſtes in der Materie
erbliken (*). Außer dieſem unterhaͤlt die Bemer-
kung der Aehnlichkeit den Geiſt in der Wuͤrkſamkeit
welche allemal nothwendig von der angenehmen
Empfindung begleitet wird (*). Eine beſtaͤndige
Vergleichung aller Theile zweyer Gegenſtaͤnde, und
Bemerkung ihrer Uebereinſtimmung unterhaͤlt dieſe
Wuͤrkſamkeit.
(*) S.
Schoͤn-
heit.
(*) S.
Theorie
der ange-
nehmen
und unan-
genehmen
Empfin-
dungen.
Die Wahrheit dieſer Anmerkungen wird durch
Betrachtung einiger beſonderer Faͤlle beſtaͤtiget, da
die hoͤchſte Aehnlichkeit nur wenig Vergnuͤgen er-
wekt. Nichts iſt aͤhnlicher, als die Wachsabguͤße
von wuͤrklich lebenden Perſonen; dennoch gefallen
ſie unendlich weniger als gut gemahlte Portraͤte.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/26>, abgerufen am 16.02.2025.
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