Naturaliensammler aus Osten und Westen Schmet- terlinge und Muscheln einsammelt, nicht um die Natur kennen zu lernen, sondern ein reiches Ca- binet zu haben. Schon daraus allein könnte man vermuthen, daß Rom keine Bildhauer von der ersten Grösse wird gezogen haben; denn dieses ist nur da möglich, wo die Künste zu ihrer höchsten Bestimmung angewendet werden. Jedermann kennt die schönen Verse, durch welche Virgil die Römer wegen Mangels dieser Kunst tröstet:
Excudent alii spirantia mollius aera: -- -- -- -- -- (*) Aen. VI.Tu regere imperio populos Romane memento:
Man kann hieraus den nicht unwichtigen Schluß ziehen, daß die höchste Liebhaberey, und die reich- sten Kunstsammlungen eben keinen grossen Einfluß auf die Erhöhung der Kunst haben. An keinem Orte der Welt sind jemal mehr schöne Werke der bildenden Künste zusammen gewesen, als in Rom, das zu den Zeiten des Augustus vermuthlich mehr Bilder aus Erzt und Marmor, als lebendige Men- schen gehabt; und nirgend ist die Liebhaberey stär- ker gewesen: dennoch hat Rom wenig gute Künstler hervorgebracht. Selbst unter der Regierung des Augustus waren die meisten Bildhauer in Rom Griechen. Diese scheinen mehr die Werke ihrer ehe- maligen grossen Meister nachgeahmet, als selbst grosse Werke erfunden zu haben. Jndessen erhielt sich die Kunst unter den Kaysern, in dem Grad der Vollkommenheit, den sie unter Augustus gehabt hatte, noch eine ziemliche Zeit hindurch. Win- kelmann setzt ihren Verfall in die Regierung des Severus, und ihren Untergang noch vor Constan- tinus dem Grossen.
Nachher war die Verehrung der Bilder in der christlichen Kirche eine Gelegenheit, wenigstens das mechanische der Bildhauerkunst von dem gänzli- chen Untergange zu retten. Es wurden durch alle Zeiten der Barbarey, die auf die Zerstöhrung des abendländischen Reichs folgten, noch immer Bilder gehauen; und etwas, das dem Schatten der Kunst ähnlich ist, erhielt sich. Kayser Theodosius der Grosse hat eine Ehrensäule, nach Art der trajani- (*) Histoi- re des arts qui ont rapport au dessein par Mr. Mo- nier.schen setzen lassen, auf welcher Bildhauerarbeit seyn soll, in der man den guten Geschmak nicht gänzlich vermißt: die Academie der Mahler in Paris soll eine Zeichnung davon haben. (*)
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Es sind also in Griechenland und vielleicht in Rom, alle Jahrhunderte durch, die von dem Un- tergang Roms, bis auf die Wiederherstellung der Wissenschaften, verflossen sind, Bildhauer gewesen: aber ihre Werke verdienten nicht auf uns zu kom- men; oder wenn sie sich erhalten haben, so verdie- nen sie wenigstens unsre Aufmerksamkeit nicht. Es fehlet uns an einer gründlichen Geschichte von der Wiederherstellung dieser Kunst, so weit sie wieder hergestellt ist. Sie hat in Jtalien angefangen, sich wieder aus dem Staub empor zu heben. Die Ge- legenheit dazu scheinen die reichen Handlungsstädte dieses Landes, besonders Pisa, gegeben zu haben. Der erworbene Reichthum machte ihnen Lust zu bauen; man ließ Baumeister und Bildhauer aus Griechenland kommen, und man brachte auch an- tikes Schnitzwerk, aus den Trümmern der ehema- ligen griechischen Gebäude, nach Jtalien. Man erwähnt namentlich eines gewissen Nicolaus aus Pisa, vom 13ten Jahrhundert, der von den Grie- chen die Bildhauerkunst gelernt, und seinen Ge- schmak nach dem, was er von dem Antiken gesehen hat, soll gebildet haben. Um dieselbe Zeit soll auch in Rom, in Bologna und in Florenz, die Kunst aufs neue aufgekeimt haben. Auch wird ein An- dreas von Pisa um dieselbe Zeit als ein guter Bild- hauer genennt. Um das Jahr 1216 verfertigte ein gewisser Marchione das Grabmal Pabst Hono- riusIII. in einer zu Sta. Maria Maggiore gehörigen Capelle, welches schon Spuren des wiederkommen- den guten Geschmaks zeigen soll. Zu Anfang des 15ten Jahrhunderts finden wir schon einen Mann, dessen Arbeit selbst Michel Angelo soll bewundert haben: nämlich Lorenzo Ghiberti, der aus einem Goldarbeiter ein Bildhauer und Stempelschneider geworden. Von ihm sind die aus Erzt gegossenen Thüren der Kirche des h. Johannis des Täufers in Florenz, die Mich. Angelo für würdig erklärt hat, an dem Eingange des Paradieses zu stehen. Um dieselbe Zeit lebten auch in Florenz noch andre ge- schikte Bildhauer, Donat oder il Donatello, Bru- neleschi und Andr. Verochio. Von diesem ist das gegossene Bild zu Pferde, des Bartolomeo Cleone von Bergamo, das in Venedig auf dem Platz des heil. Johannis und des heil. Paulus steht. Bald nach die- sen kam Michel Angelo, den man mit Recht un- ter die größten Bildhauer der neuern Zeit setzet. Durch ihn ward also diese Kunst einigermaassen in
Jtalien
Erster Theil. Z
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Naturalienſammler aus Oſten und Weſten Schmet- terlinge und Muſcheln einſammelt, nicht um die Natur kennen zu lernen, ſondern ein reiches Ca- binet zu haben. Schon daraus allein koͤnnte man vermuthen, daß Rom keine Bildhauer von der erſten Groͤſſe wird gezogen haben; denn dieſes iſt nur da moͤglich, wo die Kuͤnſte zu ihrer hoͤchſten Beſtimmung angewendet werden. Jedermann kennt die ſchoͤnen Verſe, durch welche Virgil die Roͤmer wegen Mangels dieſer Kunſt troͤſtet:
Excudent alii ſpirantia mollius æra: — — — — — (*) Aen. VI.Tu regere imperio populos Romane memento:
Man kann hieraus den nicht unwichtigen Schluß ziehen, daß die hoͤchſte Liebhaberey, und die reich- ſten Kunſtſammlungen eben keinen groſſen Einfluß auf die Erhoͤhung der Kunſt haben. An keinem Orte der Welt ſind jemal mehr ſchoͤne Werke der bildenden Kuͤnſte zuſammen geweſen, als in Rom, das zu den Zeiten des Auguſtus vermuthlich mehr Bilder aus Erzt und Marmor, als lebendige Men- ſchen gehabt; und nirgend iſt die Liebhaberey ſtaͤr- ker geweſen: dennoch hat Rom wenig gute Kuͤnſtler hervorgebracht. Selbſt unter der Regierung des Auguſtus waren die meiſten Bildhauer in Rom Griechen. Dieſe ſcheinen mehr die Werke ihrer ehe- maligen groſſen Meiſter nachgeahmet, als ſelbſt groſſe Werke erfunden zu haben. Jndeſſen erhielt ſich die Kunſt unter den Kayſern, in dem Grad der Vollkommenheit, den ſie unter Auguſtus gehabt hatte, noch eine ziemliche Zeit hindurch. Win- kelmann ſetzt ihren Verfall in die Regierung des Severus, und ihren Untergang noch vor Conſtan- tinus dem Groſſen.
Nachher war die Verehrung der Bilder in der chriſtlichen Kirche eine Gelegenheit, wenigſtens das mechaniſche der Bildhauerkunſt von dem gaͤnzli- chen Untergange zu retten. Es wurden durch alle Zeiten der Barbarey, die auf die Zerſtoͤhrung des abendlaͤndiſchen Reichs folgten, noch immer Bilder gehauen; und etwas, das dem Schatten der Kunſt aͤhnlich iſt, erhielt ſich. Kayſer Theodoſius der Groſſe hat eine Ehrenſaͤule, nach Art der trajani- (*) Hiſtoi- re des arts qui ont rapport au deſſein par Mr. Mo- nier.ſchen ſetzen laſſen, auf welcher Bildhauerarbeit ſeyn ſoll, in der man den guten Geſchmak nicht gaͤnzlich vermißt: die Academie der Mahler in Paris ſoll eine Zeichnung davon haben. (*)
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Es ſind alſo in Griechenland und vielleicht in Rom, alle Jahrhunderte durch, die von dem Un- tergang Roms, bis auf die Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften, verfloſſen ſind, Bildhauer geweſen: aber ihre Werke verdienten nicht auf uns zu kom- men; oder wenn ſie ſich erhalten haben, ſo verdie- nen ſie wenigſtens unſre Aufmerkſamkeit nicht. Es fehlet uns an einer gruͤndlichen Geſchichte von der Wiederherſtellung dieſer Kunſt, ſo weit ſie wieder hergeſtellt iſt. Sie hat in Jtalien angefangen, ſich wieder aus dem Staub empor zu heben. Die Ge- legenheit dazu ſcheinen die reichen Handlungsſtaͤdte dieſes Landes, beſonders Piſa, gegeben zu haben. Der erworbene Reichthum machte ihnen Luſt zu bauen; man ließ Baumeiſter und Bildhauer aus Griechenland kommen, und man brachte auch an- tikes Schnitzwerk, aus den Truͤmmern der ehema- ligen griechiſchen Gebaͤude, nach Jtalien. Man erwaͤhnt namentlich eines gewiſſen Nicolaus aus Piſa, vom 13ten Jahrhundert, der von den Grie- chen die Bildhauerkunſt gelernt, und ſeinen Ge- ſchmak nach dem, was er von dem Antiken geſehen hat, ſoll gebildet haben. Um dieſelbe Zeit ſoll auch in Rom, in Bologna und in Florenz, die Kunſt aufs neue aufgekeimt haben. Auch wird ein An- dreas von Piſa um dieſelbe Zeit als ein guter Bild- hauer genennt. Um das Jahr 1216 verfertigte ein gewiſſer Marchione das Grabmal Pabſt Hono- riusIII. in einer zu Sta. Maria Maggiore gehoͤrigen Capelle, welches ſchon Spuren des wiederkommen- den guten Geſchmaks zeigen ſoll. Zu Anfang des 15ten Jahrhunderts finden wir ſchon einen Mann, deſſen Arbeit ſelbſt Michel Angelo ſoll bewundert haben: naͤmlich Lorenzo Ghiberti, der aus einem Goldarbeiter ein Bildhauer und Stempelſchneider geworden. Von ihm ſind die aus Erzt gegoſſenen Thuͤren der Kirche des h. Johannis des Taͤufers in Florenz, die Mich. Angelo fuͤr wuͤrdig erklaͤrt hat, an dem Eingange des Paradieſes zu ſtehen. Um dieſelbe Zeit lebten auch in Florenz noch andre ge- ſchikte Bildhauer, Donat oder il Donatello, Bru- neleſchi und Andr. Verochio. Von dieſem iſt das gegoſſene Bild zu Pferde, des Bartolomeo Cleone von Bergamo, das in Venedig auf dem Platz des heil. Johannis und des heil. Paulus ſteht. Bald nach die- ſen kam Michel Angelo, den man mit Recht un- ter die groͤßten Bildhauer der neuern Zeit ſetzet. Durch ihn ward alſo dieſe Kunſt einigermaaſſen in
Jtalien
Erſter Theil. Z
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Naturalienſammler aus Oſten und Weſten Schmet-
terlinge und Muſcheln einſammelt, nicht um die
Natur kennen zu lernen, ſondern ein reiches Ca-
binet zu haben. Schon daraus allein koͤnnte man
vermuthen, daß Rom keine Bildhauer von der
erſten Groͤſſe wird gezogen haben; denn dieſes iſt
nur da moͤglich, wo die Kuͤnſte zu ihrer hoͤchſten
Beſtimmung angewendet werden. Jedermann
kennt die ſchoͤnen Verſe, durch welche Virgil die
Roͤmer wegen Mangels dieſer Kunſt troͤſtet:
Excudent alii ſpirantia mollius æra:
— — — — —
Tu regere imperio populos Romane memento:
Man kann hieraus den nicht unwichtigen Schluß
ziehen, daß die hoͤchſte Liebhaberey, und die reich-
ſten Kunſtſammlungen eben keinen groſſen Einfluß
auf die Erhoͤhung der Kunſt haben. An keinem
Orte der Welt ſind jemal mehr ſchoͤne Werke der
bildenden Kuͤnſte zuſammen geweſen, als in Rom,
das zu den Zeiten des Auguſtus vermuthlich mehr
Bilder aus Erzt und Marmor, als lebendige Men-
ſchen gehabt; und nirgend iſt die Liebhaberey ſtaͤr-
ker geweſen: dennoch hat Rom wenig gute Kuͤnſtler
hervorgebracht. Selbſt unter der Regierung des
Auguſtus waren die meiſten Bildhauer in Rom
Griechen. Dieſe ſcheinen mehr die Werke ihrer ehe-
maligen groſſen Meiſter nachgeahmet, als ſelbſt
groſſe Werke erfunden zu haben. Jndeſſen erhielt
ſich die Kunſt unter den Kayſern, in dem Grad der
Vollkommenheit, den ſie unter Auguſtus gehabt
hatte, noch eine ziemliche Zeit hindurch. Win-
kelmann ſetzt ihren Verfall in die Regierung des
Severus, und ihren Untergang noch vor Conſtan-
tinus dem Groſſen.
Nachher war die Verehrung der Bilder in der
chriſtlichen Kirche eine Gelegenheit, wenigſtens das
mechaniſche der Bildhauerkunſt von dem gaͤnzli-
chen Untergange zu retten. Es wurden durch alle
Zeiten der Barbarey, die auf die Zerſtoͤhrung des
abendlaͤndiſchen Reichs folgten, noch immer Bilder
gehauen; und etwas, das dem Schatten der Kunſt
aͤhnlich iſt, erhielt ſich. Kayſer Theodoſius der
Groſſe hat eine Ehrenſaͤule, nach Art der trajani-
ſchen ſetzen laſſen, auf welcher Bildhauerarbeit ſeyn
ſoll, in der man den guten Geſchmak nicht gaͤnzlich
vermißt: die Academie der Mahler in Paris ſoll
eine Zeichnung davon haben. (*)
(*) Hiſtoi-
re des arts
qui ont
rapport au
deſſein par
Mr. Mo-
nier.
Es ſind alſo in Griechenland und vielleicht in
Rom, alle Jahrhunderte durch, die von dem Un-
tergang Roms, bis auf die Wiederherſtellung der
Wiſſenſchaften, verfloſſen ſind, Bildhauer geweſen:
aber ihre Werke verdienten nicht auf uns zu kom-
men; oder wenn ſie ſich erhalten haben, ſo verdie-
nen ſie wenigſtens unſre Aufmerkſamkeit nicht. Es
fehlet uns an einer gruͤndlichen Geſchichte von der
Wiederherſtellung dieſer Kunſt, ſo weit ſie wieder
hergeſtellt iſt. Sie hat in Jtalien angefangen, ſich
wieder aus dem Staub empor zu heben. Die Ge-
legenheit dazu ſcheinen die reichen Handlungsſtaͤdte
dieſes Landes, beſonders Piſa, gegeben zu haben.
Der erworbene Reichthum machte ihnen Luſt zu
bauen; man ließ Baumeiſter und Bildhauer aus
Griechenland kommen, und man brachte auch an-
tikes Schnitzwerk, aus den Truͤmmern der ehema-
ligen griechiſchen Gebaͤude, nach Jtalien. Man
erwaͤhnt namentlich eines gewiſſen Nicolaus aus
Piſa, vom 13ten Jahrhundert, der von den Grie-
chen die Bildhauerkunſt gelernt, und ſeinen Ge-
ſchmak nach dem, was er von dem Antiken geſehen
hat, ſoll gebildet haben. Um dieſelbe Zeit ſoll auch
in Rom, in Bologna und in Florenz, die Kunſt
aufs neue aufgekeimt haben. Auch wird ein An-
dreas von Piſa um dieſelbe Zeit als ein guter Bild-
hauer genennt. Um das Jahr 1216 verfertigte
ein gewiſſer Marchione das Grabmal Pabſt Hono-
rius III. in einer zu Sta. Maria Maggiore gehoͤrigen
Capelle, welches ſchon Spuren des wiederkommen-
den guten Geſchmaks zeigen ſoll. Zu Anfang des
15ten Jahrhunderts finden wir ſchon einen Mann,
deſſen Arbeit ſelbſt Michel Angelo ſoll bewundert
haben: naͤmlich Lorenzo Ghiberti, der aus einem
Goldarbeiter ein Bildhauer und Stempelſchneider
geworden. Von ihm ſind die aus Erzt gegoſſenen
Thuͤren der Kirche des h. Johannis des Taͤufers in
Florenz, die Mich. Angelo fuͤr wuͤrdig erklaͤrt hat,
an dem Eingange des Paradieſes zu ſtehen. Um
dieſelbe Zeit lebten auch in Florenz noch andre ge-
ſchikte Bildhauer, Donat oder il Donatello, Bru-
neleſchi und Andr. Verochio. Von dieſem iſt das
gegoſſene Bild zu Pferde, des Bartolomeo Cleone von
Bergamo, das in Venedig auf dem Platz des heil.
Johannis und des heil. Paulus ſteht. Bald nach die-
ſen kam Michel Angelo, den man mit Recht un-
ter die groͤßten Bildhauer der neuern Zeit ſetzet.
Durch ihn ward alſo dieſe Kunſt einigermaaſſen in
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/189>, abgerufen am 17.02.2025.
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