Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Aus
Dabey muß er etwas außerordentliches oder sonst
stark rührendes haben, damit sein Eindruk unaus-
löschlich bleibe.

Er ist zwar nicht in allen Arten der Handlun-
gen gleich wichtig. Jn demjenigen Lustspiel, wo
es blos darauf ankommt, den Zuschauer ein paar
Stunden zu ergötzen, hat der Dichter sich des Aus-
ganges halber eben keine große Sorge zu machen.
Sollte er ihm auch mißglüken, so hat er seinen
Endzwek erreicht; der Zuschauer hat gelacht; und
lacht vielleicht über den poßirlichen oder unnatür-
lichen Ausgang noch mehr. Deswegen hatten auch
die mimischen Spiele der Römer keinen ordentli-
(*) Orat.
proCaelio.
chen Ausgang. Mimi ergo, sagt Cicero, (*) est
jam exitus, non fabulae; in quo cum clausula non
invenitur, fugit aliquis e manibus, deinde Scabella
concrepant, aulaeum tollitur.
Deswegen haben
auch Plautus und Moliere, eben nicht allemal
die größte Sorgfalt auf den Ausgang gewendet.

Es kommt hier auf die Absicht des Dichters an;
aus dieser muß er urtheilen, wie wichtig oder gleich-
gültig der Ausgang sey, und worauf es dabey
hauptsächlich ankomme. Wer den Tod des Cäsars
vorstellen will, kann zur Absicht haben, einen Ty-
rannen zu schreken; sie kann aber auch seyn, die
patriotischen Gesinnungen seiner Mörder im höch-
sten Lichte darzustellen. Jn beyden Fällen ist der
Ausgang zwar einerley; aber seine besondre Be-
handlung muß bey jeder Absicht anders seyn. Es
ist ganz unnöthig, sich hierüber umständlich einzulas-
sen; genug daß der Dichter überhaupt aufmerksam
gemacht werde, den Ausgang genau nach seiner
Absicht einzurichten, und nach Beschaffenheit des
lezten Eindruks, den er machen will, ihm die ge-
hörige Lenkung zu geben. Jm Trauerspiel ist er
überhaupt weit wichtiger, als im Lustspiel, weil die
tragische Handlung an sich wichtiger ist, und große
Erwartung erweket.

Man hat als eine Regel festsetzen wollen, daß
das Trauerspiel einen fatalen oder traurigen, das
Lustspiel einen glüklichen Ausgang haben soll. So
ist er auch gröstentheils. Allein zur Regel kann
dieses nicht gemacht werden, weil der Ausgang der
Absicht des Dichters gemäß seyn muß. Will
er Schreken in den Gemüthern zurüke lassen, so muß
er einen andern Ausgang suchen, als wenn er Zu-
versicht und Standhaftigkeit in die Herzen seiner
Zuhörer bringen will.

[Spaltenumbruch]
Aus

So wie es uns verdrüßlich fällt, wenn der Aus-
gang einer Sache unsre Erwartung nicht völlig be-
friediget, so erwekt es Ueberdruß, wenn der Dichter
dem wahren Ende der Handlung noch etwas über-
flüßiges anhängt; wenn er den starken Eindruk,
den der Ausgang auf die Gemüther gemacht hat,
durch unwichtige Rebensachen, oder durch Anmer-
kungen und Schlußreden, wieder schwächt. Beym
Ausgang einer ernsthaften Handlung muß der Zu-
schauer voll Gefühl seyn; die Hauptpersonen müs-
sen in der Lage, worin sie durch den Ausgang ver-
sezt worden, seine ganze Seele erfüllen. Dieses
soll der Dichter wol bedenken, und sich sorgfältig
hüten, irgend etwas einfließen zu lassen, was zu
dieser Vorstellung unnütze ist.

Aus allem diesem erhellet, daß in ernsthaften
Stüken der Ausgang, so ein kleiner Theil der
Handlung er auch ist, mit der genauesten Ueber-
legung müsse behandelt werden. Mit diesem Artikel
ist der von der Auflösung zu vergleichen.

Ausladung.
(Baukunst.)

Das Maaß, um welches ein Glied an einem Ge-
sims weiter heraus steht, als das nächst vorherge-
hende oder nachfolgende. Die Ausladungen ge-
ben den Gesimsen das hauptsächlichste Ansehen. An
den Fußgesimsen, welche eine Festigkeit haben müs-
sen, steht das unterste Glied nothwendig am wei-
testen heraus, und die andern werden nach und
nach eingezogen. Das Gegentheil muß sich an
den obern Gesimsen finden, welche zur Bedekung
dienen, und das dem Fuß entgegen gesetzte End
ausmachen.

Es ist ein Hauptgrundsatz zur Bestimmung der
Ausladungen, daß sie mit der Höhe oder Stärke
des Gliedes, woran sie sind, ein gutes Verhältniß
haben müssen: die Stärke des Gliedes aber wird durch
die ganze Höhe des Gesimses bestimmt, und hat
folglich ebenfalls eine Beziehung auf die Ausladung.
Die Goldmannischen Verhältnisse können zur Regel
angepriesen werden. Nämlich die Ausladung ver-
hält sich zur Höhe:

in der Rinleiste und dem Riemlein wie 1 zu 1.
im Wulst 2 -- 3.
in der ablaufenden Leiste und im Reif 1 -- 2.
im Ablauf in den niedrigen Ordnungen 3 -- 4.
im
Erster Theil. P

[Spaltenumbruch]

Aus
Dabey muß er etwas außerordentliches oder ſonſt
ſtark ruͤhrendes haben, damit ſein Eindruk unaus-
loͤſchlich bleibe.

Er iſt zwar nicht in allen Arten der Handlun-
gen gleich wichtig. Jn demjenigen Luſtſpiel, wo
es blos darauf ankommt, den Zuſchauer ein paar
Stunden zu ergoͤtzen, hat der Dichter ſich des Aus-
ganges halber eben keine große Sorge zu machen.
Sollte er ihm auch mißgluͤken, ſo hat er ſeinen
Endzwek erreicht; der Zuſchauer hat gelacht; und
lacht vielleicht uͤber den poßirlichen oder unnatuͤr-
lichen Ausgang noch mehr. Deswegen hatten auch
die mimiſchen Spiele der Roͤmer keinen ordentli-
(*) Orat.
proCaelio.
chen Ausgang. Mimi ergo, ſagt Cicero, (*) eſt
jam exitus, non fabulae; in quo cum clauſula non
invenitur, fugit aliquis e manibus, deinde Scabella
concrepant, aulaeum tollitur.
Deswegen haben
auch Plautus und Moliere, eben nicht allemal
die groͤßte Sorgfalt auf den Ausgang gewendet.

Es kommt hier auf die Abſicht des Dichters an;
aus dieſer muß er urtheilen, wie wichtig oder gleich-
guͤltig der Ausgang ſey, und worauf es dabey
hauptſaͤchlich ankomme. Wer den Tod des Caͤſars
vorſtellen will, kann zur Abſicht haben, einen Ty-
rannen zu ſchreken; ſie kann aber auch ſeyn, die
patriotiſchen Geſinnungen ſeiner Moͤrder im hoͤch-
ſten Lichte darzuſtellen. Jn beyden Faͤllen iſt der
Ausgang zwar einerley; aber ſeine beſondre Be-
handlung muß bey jeder Abſicht anders ſeyn. Es
iſt ganz unnoͤthig, ſich hieruͤber umſtaͤndlich einzulaſ-
ſen; genug daß der Dichter uͤberhaupt aufmerkſam
gemacht werde, den Ausgang genau nach ſeiner
Abſicht einzurichten, und nach Beſchaffenheit des
lezten Eindruks, den er machen will, ihm die ge-
hoͤrige Lenkung zu geben. Jm Trauerſpiel iſt er
uͤberhaupt weit wichtiger, als im Luſtſpiel, weil die
tragiſche Handlung an ſich wichtiger iſt, und große
Erwartung erweket.

Man hat als eine Regel feſtſetzen wollen, daß
das Trauerſpiel einen fatalen oder traurigen, das
Luſtſpiel einen gluͤklichen Ausgang haben ſoll. So
iſt er auch groͤſtentheils. Allein zur Regel kann
dieſes nicht gemacht werden, weil der Ausgang der
Abſicht des Dichters gemaͤß ſeyn muß. Will
er Schreken in den Gemuͤthern zuruͤke laſſen, ſo muß
er einen andern Ausgang ſuchen, als wenn er Zu-
verſicht und Standhaftigkeit in die Herzen ſeiner
Zuhoͤrer bringen will.

[Spaltenumbruch]
Aus

So wie es uns verdruͤßlich faͤllt, wenn der Aus-
gang einer Sache unſre Erwartung nicht voͤllig be-
friediget, ſo erwekt es Ueberdruß, wenn der Dichter
dem wahren Ende der Handlung noch etwas uͤber-
fluͤßiges anhaͤngt; wenn er den ſtarken Eindruk,
den der Ausgang auf die Gemuͤther gemacht hat,
durch unwichtige Rebenſachen, oder durch Anmer-
kungen und Schlußreden, wieder ſchwaͤcht. Beym
Ausgang einer ernſthaften Handlung muß der Zu-
ſchauer voll Gefuͤhl ſeyn; die Hauptperſonen muͤſ-
ſen in der Lage, worin ſie durch den Ausgang ver-
ſezt worden, ſeine ganze Seele erfuͤllen. Dieſes
ſoll der Dichter wol bedenken, und ſich ſorgfaͤltig
huͤten, irgend etwas einfließen zu laſſen, was zu
dieſer Vorſtellung unnuͤtze iſt.

Aus allem dieſem erhellet, daß in ernſthaften
Stuͤken der Ausgang, ſo ein kleiner Theil der
Handlung er auch iſt, mit der genaueſten Ueber-
legung muͤſſe behandelt werden. Mit dieſem Artikel
iſt der von der Aufloͤſung zu vergleichen.

Ausladung.
(Baukunſt.)

Das Maaß, um welches ein Glied an einem Ge-
ſims weiter heraus ſteht, als das naͤchſt vorherge-
hende oder nachfolgende. Die Ausladungen ge-
ben den Geſimſen das hauptſaͤchlichſte Anſehen. An
den Fußgeſimſen, welche eine Feſtigkeit haben muͤſ-
ſen, ſteht das unterſte Glied nothwendig am wei-
teſten heraus, und die andern werden nach und
nach eingezogen. Das Gegentheil muß ſich an
den obern Geſimſen finden, welche zur Bedekung
dienen, und das dem Fuß entgegen geſetzte End
ausmachen.

Es iſt ein Hauptgrundſatz zur Beſtimmung der
Ausladungen, daß ſie mit der Hoͤhe oder Staͤrke
des Gliedes, woran ſie ſind, ein gutes Verhaͤltniß
haben muͤſſen: die Staͤrke des Gliedes aber wird durch
die ganze Hoͤhe des Geſimſes beſtimmt, und hat
folglich ebenfalls eine Beziehung auf die Ausladung.
Die Goldmanniſchen Verhaͤltniſſe koͤnnen zur Regel
angeprieſen werden. Naͤmlich die Ausladung ver-
haͤlt ſich zur Hoͤhe:

in der Rinleiſte und dem Riemlein wie 1 zu 1.
im Wulſt 2 — 3.
in der ablaufenden Leiſte und im Reif 1 — 2.
im Ablauf in den niedrigen Ordnungen 3 — 4.
im
Erſter Theil. P
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="113"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Aus</hi></fw><lb/>
Dabey muß er etwas außerordentliches oder &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;tark ru&#x0364;hrendes haben, damit &#x017F;ein Eindruk unaus-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;chlich bleibe.</p><lb/>
          <p>Er i&#x017F;t zwar nicht in allen Arten der Handlun-<lb/>
gen gleich wichtig. Jn demjenigen Lu&#x017F;t&#x017F;piel, wo<lb/>
es blos darauf ankommt, den Zu&#x017F;chauer ein paar<lb/>
Stunden zu ergo&#x0364;tzen, hat der Dichter &#x017F;ich des Aus-<lb/>
ganges halber eben keine große Sorge zu machen.<lb/>
Sollte er ihm auch mißglu&#x0364;ken, &#x017F;o hat er &#x017F;einen<lb/>
Endzwek erreicht; der Zu&#x017F;chauer hat gelacht; und<lb/>
lacht vielleicht u&#x0364;ber den poßirlichen oder unnatu&#x0364;r-<lb/>
lichen Ausgang noch mehr. Deswegen hatten auch<lb/>
die mimi&#x017F;chen Spiele der Ro&#x0364;mer keinen ordentli-<lb/><note place="left">(*) <hi rendition="#aq">Orat.<lb/>
proCaelio.</hi></note>chen Ausgang. <hi rendition="#aq">Mimi ergo,</hi> &#x017F;agt Cicero, (*) <hi rendition="#aq">e&#x017F;t<lb/>
jam exitus, non fabulae; in quo cum clau&#x017F;ula non<lb/>
invenitur, fugit aliquis e manibus, deinde Scabella<lb/>
concrepant, aulaeum tollitur.</hi> Deswegen haben<lb/>
auch Plautus und Moliere, eben nicht allemal<lb/>
die gro&#x0364;ßte Sorgfalt auf den Ausgang gewendet.</p><lb/>
          <p>Es kommt hier auf die Ab&#x017F;icht des Dichters an;<lb/>
aus die&#x017F;er muß er urtheilen, wie wichtig oder gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltig der Ausgang &#x017F;ey, und worauf es dabey<lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich ankomme. Wer den Tod des Ca&#x0364;&#x017F;ars<lb/>
vor&#x017F;tellen will, kann zur Ab&#x017F;icht haben, einen Ty-<lb/>
rannen zu &#x017F;chreken; &#x017F;ie kann aber auch &#x017F;eyn, die<lb/>
patrioti&#x017F;chen Ge&#x017F;innungen &#x017F;einer Mo&#x0364;rder im ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Lichte darzu&#x017F;tellen. Jn beyden Fa&#x0364;llen i&#x017F;t der<lb/>
Ausgang zwar einerley; aber &#x017F;eine be&#x017F;ondre Be-<lb/>
handlung muß bey jeder Ab&#x017F;icht anders &#x017F;eyn. Es<lb/>
i&#x017F;t ganz unno&#x0364;thig, &#x017F;ich hieru&#x0364;ber um&#x017F;ta&#x0364;ndlich einzula&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; genug daß der Dichter u&#x0364;berhaupt aufmerk&#x017F;am<lb/>
gemacht werde, den Ausgang genau nach &#x017F;einer<lb/>
Ab&#x017F;icht einzurichten, und nach Be&#x017F;chaffenheit des<lb/>
lezten Eindruks, den er machen will, ihm die ge-<lb/>
ho&#x0364;rige Lenkung zu geben. Jm Trauer&#x017F;piel i&#x017F;t er<lb/>
u&#x0364;berhaupt weit wichtiger, als im Lu&#x017F;t&#x017F;piel, weil die<lb/>
tragi&#x017F;che Handlung an &#x017F;ich wichtiger i&#x017F;t, und große<lb/>
Erwartung erweket.</p><lb/>
          <p>Man hat als eine Regel fe&#x017F;t&#x017F;etzen wollen, daß<lb/>
das Trauer&#x017F;piel einen fatalen oder traurigen, das<lb/>
Lu&#x017F;t&#x017F;piel einen glu&#x0364;klichen Ausgang haben &#x017F;oll. So<lb/>
i&#x017F;t er auch gro&#x0364;&#x017F;tentheils. Allein zur Regel kann<lb/>
die&#x017F;es nicht gemacht werden, weil der Ausgang der<lb/>
Ab&#x017F;icht des Dichters gema&#x0364;ß &#x017F;eyn muß. Will<lb/>
er Schreken in den Gemu&#x0364;thern zuru&#x0364;ke la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o muß<lb/>
er einen andern Ausgang &#x017F;uchen, als wenn er Zu-<lb/>
ver&#x017F;icht und Standhaftigkeit in die Herzen &#x017F;einer<lb/>
Zuho&#x0364;rer bringen will.</p><lb/>
          <cb/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Aus</hi> </fw><lb/>
          <p>So wie es uns verdru&#x0364;ßlich fa&#x0364;llt, wenn der Aus-<lb/>
gang einer Sache un&#x017F;re Erwartung nicht vo&#x0364;llig be-<lb/>
friediget, &#x017F;o erwekt es Ueberdruß, wenn der Dichter<lb/>
dem wahren Ende der Handlung noch etwas u&#x0364;ber-<lb/>
flu&#x0364;ßiges anha&#x0364;ngt; wenn er den &#x017F;tarken Eindruk,<lb/>
den der Ausgang auf die Gemu&#x0364;ther gemacht hat,<lb/>
durch unwichtige Reben&#x017F;achen, oder durch Anmer-<lb/>
kungen und Schlußreden, wieder &#x017F;chwa&#x0364;cht. Beym<lb/>
Ausgang einer ern&#x017F;thaften Handlung muß der Zu-<lb/>
&#x017F;chauer voll Gefu&#x0364;hl &#x017F;eyn; die Hauptper&#x017F;onen mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en in der Lage, worin &#x017F;ie durch den Ausgang ver-<lb/>
&#x017F;ezt worden, &#x017F;eine ganze Seele erfu&#x0364;llen. Die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;oll der Dichter wol bedenken, und &#x017F;ich &#x017F;orgfa&#x0364;ltig<lb/>
hu&#x0364;ten, irgend etwas einfließen zu la&#x017F;&#x017F;en, was zu<lb/>
die&#x017F;er Vor&#x017F;tellung unnu&#x0364;tze i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Aus allem die&#x017F;em erhellet, daß in ern&#x017F;thaften<lb/>
Stu&#x0364;ken der Ausgang, &#x017F;o ein kleiner Theil der<lb/>
Handlung er auch i&#x017F;t, mit der genaue&#x017F;ten Ueber-<lb/>
legung mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e behandelt werden. Mit die&#x017F;em Artikel<lb/>
i&#x017F;t der von der Auflo&#x0364;&#x017F;ung zu vergleichen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Ausladung.</hi><lb/>
(Baukun&#x017F;t.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>as Maaß, um welches ein Glied an einem Ge-<lb/>
&#x017F;ims weiter heraus &#x017F;teht, als das na&#x0364;ch&#x017F;t vorherge-<lb/>
hende oder nachfolgende. Die Ausladungen ge-<lb/>
ben den Ge&#x017F;im&#x017F;en das haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te An&#x017F;ehen. An<lb/>
den Fußge&#x017F;im&#x017F;en, welche eine Fe&#x017F;tigkeit haben mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;teht das unter&#x017F;te Glied nothwendig am wei-<lb/>
te&#x017F;ten heraus, und die andern werden nach und<lb/>
nach eingezogen. Das Gegentheil muß &#x017F;ich an<lb/>
den obern Ge&#x017F;im&#x017F;en finden, welche zur Bedekung<lb/>
dienen, und das dem Fuß entgegen ge&#x017F;etzte End<lb/>
ausmachen.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t ein Hauptgrund&#x017F;atz zur Be&#x017F;timmung der<lb/>
Ausladungen, daß &#x017F;ie mit der Ho&#x0364;he oder Sta&#x0364;rke<lb/>
des Gliedes, woran &#x017F;ie &#x017F;ind, ein gutes Verha&#x0364;ltniß<lb/>
haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: die Sta&#x0364;rke des Gliedes aber wird durch<lb/>
die ganze Ho&#x0364;he des Ge&#x017F;im&#x017F;es be&#x017F;timmt, und hat<lb/>
folglich ebenfalls eine Beziehung auf die Ausladung.<lb/>
Die Goldmanni&#x017F;chen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;nnen zur Regel<lb/>
angeprie&#x017F;en werden. Na&#x0364;mlich die Ausladung ver-<lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;ich zur Ho&#x0364;he:</p><lb/>
          <list>
            <item>in der <hi rendition="#fr">Rinlei&#x017F;te</hi> und dem <hi rendition="#fr">Riemlein</hi> wie 1 zu 1.</item><lb/>
            <item>im <hi rendition="#fr">Wul&#x017F;t</hi> <hi rendition="#et">2 &#x2014; 3.</hi></item><lb/>
            <item>in der <hi rendition="#fr">ablaufenden Lei&#x017F;te</hi> und im <hi rendition="#fr">Reif</hi> 1 &#x2014; 2.</item><lb/>
            <item>im <hi rendition="#fr">Ablauf</hi> in den niedrigen Ordnungen 3 &#x2014; 4.</item>
          </list><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> P</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">im</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0125] Aus Aus Dabey muß er etwas außerordentliches oder ſonſt ſtark ruͤhrendes haben, damit ſein Eindruk unaus- loͤſchlich bleibe. Er iſt zwar nicht in allen Arten der Handlun- gen gleich wichtig. Jn demjenigen Luſtſpiel, wo es blos darauf ankommt, den Zuſchauer ein paar Stunden zu ergoͤtzen, hat der Dichter ſich des Aus- ganges halber eben keine große Sorge zu machen. Sollte er ihm auch mißgluͤken, ſo hat er ſeinen Endzwek erreicht; der Zuſchauer hat gelacht; und lacht vielleicht uͤber den poßirlichen oder unnatuͤr- lichen Ausgang noch mehr. Deswegen hatten auch die mimiſchen Spiele der Roͤmer keinen ordentli- chen Ausgang. Mimi ergo, ſagt Cicero, (*) eſt jam exitus, non fabulae; in quo cum clauſula non invenitur, fugit aliquis e manibus, deinde Scabella concrepant, aulaeum tollitur. Deswegen haben auch Plautus und Moliere, eben nicht allemal die groͤßte Sorgfalt auf den Ausgang gewendet. (*) Orat. proCaelio. Es kommt hier auf die Abſicht des Dichters an; aus dieſer muß er urtheilen, wie wichtig oder gleich- guͤltig der Ausgang ſey, und worauf es dabey hauptſaͤchlich ankomme. Wer den Tod des Caͤſars vorſtellen will, kann zur Abſicht haben, einen Ty- rannen zu ſchreken; ſie kann aber auch ſeyn, die patriotiſchen Geſinnungen ſeiner Moͤrder im hoͤch- ſten Lichte darzuſtellen. Jn beyden Faͤllen iſt der Ausgang zwar einerley; aber ſeine beſondre Be- handlung muß bey jeder Abſicht anders ſeyn. Es iſt ganz unnoͤthig, ſich hieruͤber umſtaͤndlich einzulaſ- ſen; genug daß der Dichter uͤberhaupt aufmerkſam gemacht werde, den Ausgang genau nach ſeiner Abſicht einzurichten, und nach Beſchaffenheit des lezten Eindruks, den er machen will, ihm die ge- hoͤrige Lenkung zu geben. Jm Trauerſpiel iſt er uͤberhaupt weit wichtiger, als im Luſtſpiel, weil die tragiſche Handlung an ſich wichtiger iſt, und große Erwartung erweket. Man hat als eine Regel feſtſetzen wollen, daß das Trauerſpiel einen fatalen oder traurigen, das Luſtſpiel einen gluͤklichen Ausgang haben ſoll. So iſt er auch groͤſtentheils. Allein zur Regel kann dieſes nicht gemacht werden, weil der Ausgang der Abſicht des Dichters gemaͤß ſeyn muß. Will er Schreken in den Gemuͤthern zuruͤke laſſen, ſo muß er einen andern Ausgang ſuchen, als wenn er Zu- verſicht und Standhaftigkeit in die Herzen ſeiner Zuhoͤrer bringen will. So wie es uns verdruͤßlich faͤllt, wenn der Aus- gang einer Sache unſre Erwartung nicht voͤllig be- friediget, ſo erwekt es Ueberdruß, wenn der Dichter dem wahren Ende der Handlung noch etwas uͤber- fluͤßiges anhaͤngt; wenn er den ſtarken Eindruk, den der Ausgang auf die Gemuͤther gemacht hat, durch unwichtige Rebenſachen, oder durch Anmer- kungen und Schlußreden, wieder ſchwaͤcht. Beym Ausgang einer ernſthaften Handlung muß der Zu- ſchauer voll Gefuͤhl ſeyn; die Hauptperſonen muͤſ- ſen in der Lage, worin ſie durch den Ausgang ver- ſezt worden, ſeine ganze Seele erfuͤllen. Dieſes ſoll der Dichter wol bedenken, und ſich ſorgfaͤltig huͤten, irgend etwas einfließen zu laſſen, was zu dieſer Vorſtellung unnuͤtze iſt. Aus allem dieſem erhellet, daß in ernſthaften Stuͤken der Ausgang, ſo ein kleiner Theil der Handlung er auch iſt, mit der genaueſten Ueber- legung muͤſſe behandelt werden. Mit dieſem Artikel iſt der von der Aufloͤſung zu vergleichen. Ausladung. (Baukunſt.) Das Maaß, um welches ein Glied an einem Ge- ſims weiter heraus ſteht, als das naͤchſt vorherge- hende oder nachfolgende. Die Ausladungen ge- ben den Geſimſen das hauptſaͤchlichſte Anſehen. An den Fußgeſimſen, welche eine Feſtigkeit haben muͤſ- ſen, ſteht das unterſte Glied nothwendig am wei- teſten heraus, und die andern werden nach und nach eingezogen. Das Gegentheil muß ſich an den obern Geſimſen finden, welche zur Bedekung dienen, und das dem Fuß entgegen geſetzte End ausmachen. Es iſt ein Hauptgrundſatz zur Beſtimmung der Ausladungen, daß ſie mit der Hoͤhe oder Staͤrke des Gliedes, woran ſie ſind, ein gutes Verhaͤltniß haben muͤſſen: die Staͤrke des Gliedes aber wird durch die ganze Hoͤhe des Geſimſes beſtimmt, und hat folglich ebenfalls eine Beziehung auf die Ausladung. Die Goldmanniſchen Verhaͤltniſſe koͤnnen zur Regel angeprieſen werden. Naͤmlich die Ausladung ver- haͤlt ſich zur Hoͤhe: in der Rinleiſte und dem Riemlein wie 1 zu 1. im Wulſt 2 — 3. in der ablaufenden Leiſte und im Reif 1 — 2. im Ablauf in den niedrigen Ordnungen 3 — 4. im Erſter Theil. P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/125
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/125>, abgerufen am 25.11.2024.