Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Aus werden, und giebt diesen Namen bald dem Zeichen,als der Ursache der Vorstellung, bald seiner Wür- kung. Die Wörter und Redensarten der Sprache erweken gewisse Vorstellungen, deswegen schreibt man ihnen einen Ausdruk zu: aber sie selbst werden auch Ausdrüke, das ist, Mittel zum Ausdruk ge- nennt. Dieser Artikel ist der Betrachtung der Mittel, die die schönen Künste haben, Vorstellun- gen zu erweken, gewiedmet. Diese Mittel sind in den redenden Künsten die Der Zwek aller schönen Künste ist die Erwekung Da die Mittel zum Ausdruke so sehr verschieden Ausdruk in der Sprache. Der Redner Der Ausdruk ist vollkommen, wenn die Wörter Ans Jn jedem Ausdruk ist also zuerst auf die Bedeu- Wörter, als bloße Töne betrachtet, müssen nichts Wol- klang. Wenn der Ausdruk richtig, bestimmt und klar Hier R 3
[Spaltenumbruch] Aus werden, und giebt dieſen Namen bald dem Zeichen,als der Urſache der Vorſtellung, bald ſeiner Wuͤr- kung. Die Woͤrter und Redensarten der Sprache erweken gewiſſe Vorſtellungen, deswegen ſchreibt man ihnen einen Ausdruk zu: aber ſie ſelbſt werden auch Ausdruͤke, das iſt, Mittel zum Ausdruk ge- nennt. Dieſer Artikel iſt der Betrachtung der Mittel, die die ſchoͤnen Kuͤnſte haben, Vorſtellun- gen zu erweken, gewiedmet. Dieſe Mittel ſind in den redenden Kuͤnſten die Der Zwek aller ſchoͤnen Kuͤnſte iſt die Erwekung Da die Mittel zum Ausdruke ſo ſehr verſchieden Ausdruk in der Sprache. Der Redner Der Ausdruk iſt vollkommen, wenn die Woͤrter Ans Jn jedem Ausdruk iſt alſo zuerſt auf die Bedeu- Woͤrter, als bloße Toͤne betrachtet, muͤſſen nichts Wol- klang. Wenn der Ausdruk richtig, beſtimmt und klar Hier R 3
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Es wuͤrde ihm nichts helfen, die fuͤrtrefflich-<lb/> ſten Vorſtellungen erfunden zu haben, wenn er ſie<lb/> nicht ausdruͤken koͤnnte.</p><lb/> <p>Da die Mittel zum Ausdruke ſo ſehr verſchieden<lb/> ſind, ſo verdienet jede Gattung beſonders betrachtet<lb/> zu werden. Der beſte Unterricht uͤber den Aus-<lb/> druk redender Kuͤnſte, kann dem Mahler zu nichts<lb/> dienen; wir wollen deswegen die verſchiedenen<lb/> Gattungen des Ausdruks beſonders vornehmen.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Ausdruk in der Sprache.</hi> Der Redner<lb/> oder Dichter, der in ſeiner Kunſt vollkommen ſeyn<lb/> will, muß auch den Ausdruk voͤllig in ſeiner Ge-<lb/> walt haben; er muß im Stande ſeyn, den Begriff,<lb/> die Vorſtellung, die er erweken will, vermittelſt<lb/> ſeiner Woͤrter und Redensarten in dem Maaße,<lb/> wie es ſeine Abſicht erfodert, zu erreichen. Eine<lb/> ſehr ſchweere Sache, beſonders in den Sprachen,<lb/> die noch nicht ganz ausgebildet, die noch nicht zu<lb/> dem Reichthum geſtiegen ſind, der fuͤr jedes Be-<lb/> duͤrffnis hinreichend iſt!</p><lb/> <p>Der Ausdruk iſt vollkommen, wenn die Woͤrter<lb/> und Redensarten gerade das bedeuten, was ſie be-<lb/> deuten ſollen, zugleich aber dem Charakter der Vor-<lb/> ſtellung, wozu die Begriffe, als Theile gehoͤren, ge-<lb/> maͤß iſt. 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Aus
Ans
werden, und giebt dieſen Namen bald dem Zeichen,
als der Urſache der Vorſtellung, bald ſeiner Wuͤr-
kung. Die Woͤrter und Redensarten der Sprache
erweken gewiſſe Vorſtellungen, deswegen ſchreibt
man ihnen einen Ausdruk zu: aber ſie ſelbſt werden
auch Ausdruͤke, das iſt, Mittel zum Ausdruk ge-
nennt. Dieſer Artikel iſt der Betrachtung der
Mittel, die die ſchoͤnen Kuͤnſte haben, Vorſtellun-
gen zu erweken, gewiedmet.
Dieſe Mittel ſind in den redenden Kuͤnſten die
Woͤrter und die Saͤtze der Rede; in der Muſik die
Toͤne und die daraus zuſammen geſetzte Tonſaͤtze;
in den zeichnenden Kuͤnſten Geſichtszuͤge, Gebehr-
den, ſelbſt die Geſichtsfarbe; im Tanz Stellung,
Gebehrden und Bewegung.
Der Zwek aller ſchoͤnen Kuͤnſte iſt die Erwekung
gewiſſer Vorſtellungen und Empfindungen; daher
die ganze Arbeit des Kuͤnſtlers in gluͤklicher Er-
findung dieſer Vorſtellungen, und im guten Aus-
druk derſelben beſteht. Alſo iſt die Kunſt des Aus-
druks die Haͤlfte deſſen, was ein Kuͤnſtler beſitzen
muß. Es wuͤrde ihm nichts helfen, die fuͤrtrefflich-
ſten Vorſtellungen erfunden zu haben, wenn er ſie
nicht ausdruͤken koͤnnte.
Da die Mittel zum Ausdruke ſo ſehr verſchieden
ſind, ſo verdienet jede Gattung beſonders betrachtet
zu werden. Der beſte Unterricht uͤber den Aus-
druk redender Kuͤnſte, kann dem Mahler zu nichts
dienen; wir wollen deswegen die verſchiedenen
Gattungen des Ausdruks beſonders vornehmen.
Ausdruk in der Sprache. Der Redner
oder Dichter, der in ſeiner Kunſt vollkommen ſeyn
will, muß auch den Ausdruk voͤllig in ſeiner Ge-
walt haben; er muß im Stande ſeyn, den Begriff,
die Vorſtellung, die er erweken will, vermittelſt
ſeiner Woͤrter und Redensarten in dem Maaße,
wie es ſeine Abſicht erfodert, zu erreichen. Eine
ſehr ſchweere Sache, beſonders in den Sprachen,
die noch nicht ganz ausgebildet, die noch nicht zu
dem Reichthum geſtiegen ſind, der fuͤr jedes Be-
duͤrffnis hinreichend iſt!
Der Ausdruk iſt vollkommen, wenn die Woͤrter
und Redensarten gerade das bedeuten, was ſie be-
deuten ſollen, zugleich aber dem Charakter der Vor-
ſtellung, wozu die Begriffe, als Theile gehoͤren, ge-
maͤß iſt. Wenn ſo wol einzele Woͤrter, als ganze
Saͤtze der Rede dieſe doppelte Eigenſchaft haben,
ſo iſt der Ausdruk ſo, wie er ſeyn ſoll.
Jn jedem Ausdruk iſt alſo zuerſt auf die Bedeu-
tung, und hernach auf den Charakter zu ſehen; bey-
des aber muß ſo wol bey einzeln Woͤrtern, als bey
ganzen Saͤtzen in Betrachtung gezogen werden.
Schon in der gemeinen Rede muß der Ausdruk in
Abſicht auf die Bedeutung richtig, beſtimmt, klar,
und von verhaͤltnißmaͤßiger Kuͤrze ſeyn; in der
kunſtmaͤßigen Rede muͤſſen ſich dieſe Eigenſchaften
in einem hoͤhern Grad finden. So gar der bloße
Ton der Woͤrter muß dieſe Eigenſchaften ſchon an
ſich haben. Dieſes alles verdienet naͤher entwi-
kelt zu werden.
Woͤrter, als bloße Toͤne betrachtet, muͤſſen nichts
unbeſtimmtes, nichts undeutliches, nichts allzuge-
draͤngtes noch ſchleppendes haben. Der Geiſt em-
pfindet nur in dem Maaße, in welchem die Sinnen
geruͤhrt werden. Was fuͤr das Auge undeutlich
gezeichnet iſt, erwekt in dem Geiſte keine deutliche
Vorſtellung; alſo vernehmen wir auch die durch
das Gehoͤr kommenden Begriffe richtiger, klarer
und beſtimmter, wenn die Toͤne, die ſie erweken,
dieſe Eigenſchaften haben, als wenn ſie ihnen feh-
len. Eine zweydeutige Sylbe, uͤber deren Elemente
oder Buchſtaben man ungewiß iſt, wird nicht gut
gefaßt, und ſo auch ganze Woͤrter nicht, die aus
ſolchen Sylben beſtehen; ſo geht es auch mit
ſchweeren Woͤrtern, die man kaum ausſprechen
kann; deswegen gehoͤrt die Beobachtung des Wol-
klanges zum vollkommenen Ausdruk. (*)
Wenn der Ausdruk richtig, beſtimmt und klar
iſt, ſo erwekt er nicht nur gerade die Begriffe, die
er erweken ſoll; ſondern es geſchieht, wenn dieſe
Eigenſchaften in einem gewiſſen Grad vorhanden
ſind, mit aͤſthetiſcher Kraft, weil alles vollkommene
einen Reiz bey ſich fuͤhret. Ohne Abſicht auf die
Wichtigkeit der Dinge, die man uns ſagt, empfin-
den wir Vergnuͤgen, wenn wir jedes Ding mit
ſeinem Namen nennen hoͤren. Selbſt in dem Fall,
da wir einen Gegenſtand ſehen und eine richtige
Vorſtellung davon haben, iſt es uns angenehm,
wenn ſelbiger gut beſchrieben wird. Um ſo viel
mehr reizt es die Vorſtellungskraft, wenn ein
Redner das, was unbeſtimmt, verworren und zum
Theil dunkel in unſern Vorſtellungen liegt, durch einen
guten Ausdruk entwikelt. Wer kann folgende in
den wichtigſten und beſtimmteſten Ausdruͤken ver-
faßte Beſchreibung von der Eitelkeit des menſch-
lichen Lebens, ohne Vergnuͤgen leſen?
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