Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
gethanen Reise.
Den 10 October. Reise von Lausanne über Au-Abreise von
Lausanne.

bonne nach Nyon.

Es machte mir Mühe, den angenehmen Ort, an
dem ich mich nun drey Wochen lang aufgehalten hat-
te, zu verlassen; aber die zum Ende eilende gute
Jahrszeit erinnerte mich, nicht länger zu verweilen,
zumal da ich noch durch Oerter zu reisen hatte, wo ich
mich auch einige Tage aufhalten mußte. Gleich von
Lausanne aus geht die Straße nach Genf an das
ebene Ufer des Sees herunter, und hernach längst
demselben so fort, daß man sich nie mehr als wenige
hundert Schritte von dem See entfernet. Man
kömmt durch einige sehr artige an dem See liegende
Städte und Dörfer; rechter Hand aber hat man die
fürtrefflichen, meistens mit Weinbergen besetzten Hü-
gel, die eigentlich die Cote genennt werden. Auf und an
diesen Hügeln sind viel schöne Dörfer, adliche Schlös-
ser und eine Menge Landhäuser gebaut, die größten-
theils wohlhabenden Privatpersonen von Bern gehö-
ren, die denn im Herbst sich hier aufhalten, und das
Land durch ihre Gegenwart um so viel lebhafter ma-
chen. Der ganze Strich Landes zwischen Lausanne
und Genf ist zum Entzücken schön, und unter die an-
genehmsten Gegenden der Welt zu rechnen.

Eine gute Meile von Lausanne liegt Morges,Morges.
dicht an dem See; eine kleine, aber überaus angeneh-
me Stadt, der zweyte Hafen des Sees und eine be-
trächtliche Ablage der nach Frankreich und Pie-
mont
gehenden und von da her kommenden Waaren.
Die Straßen sind breit, angenehm und ausnehmend
gut gepflastert; die Häuser wohl gebaut, von einem

rein-
D 5
gethanen Reiſe.
Den 10 October. Reiſe von Lauſanne uͤber Au-Abreiſe von
Lauſanne.

bonne nach Nyon.

Es machte mir Muͤhe, den angenehmen Ort, an
dem ich mich nun drey Wochen lang aufgehalten hat-
te, zu verlaſſen; aber die zum Ende eilende gute
Jahrszeit erinnerte mich, nicht laͤnger zu verweilen,
zumal da ich noch durch Oerter zu reiſen hatte, wo ich
mich auch einige Tage aufhalten mußte. Gleich von
Lauſanne aus geht die Straße nach Genf an das
ebene Ufer des Sees herunter, und hernach laͤngſt
demſelben ſo fort, daß man ſich nie mehr als wenige
hundert Schritte von dem See entfernet. Man
koͤmmt durch einige ſehr artige an dem See liegende
Staͤdte und Doͤrfer; rechter Hand aber hat man die
fuͤrtrefflichen, meiſtens mit Weinbergen beſetzten Huͤ-
gel, die eigentlich die Cote genennt werden. Auf und an
dieſen Huͤgeln ſind viel ſchoͤne Doͤrfer, adliche Schloͤſ-
ſer und eine Menge Landhaͤuſer gebaut, die groͤßten-
theils wohlhabenden Privatperſonen von Bern gehoͤ-
ren, die denn im Herbſt ſich hier aufhalten, und das
Land durch ihre Gegenwart um ſo viel lebhafter ma-
chen. Der ganze Strich Landes zwiſchen Lauſanne
und Genf iſt zum Entzuͤcken ſchoͤn, und unter die an-
genehmſten Gegenden der Welt zu rechnen.

Eine gute Meile von Lauſanne liegt Morges,Morges.
dicht an dem See; eine kleine, aber uͤberaus angeneh-
me Stadt, der zweyte Hafen des Sees und eine be-
traͤchtliche Ablage der nach Frankreich und Pie-
mont
gehenden und von da her kommenden Waaren.
Die Straßen ſind breit, angenehm und ausnehmend
gut gepflaſtert; die Haͤuſer wohl gebaut, von einem

rein-
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0075" n="57"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <head>Den 10 October. Rei&#x017F;e von <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Au-</hi><note place="right">Abrei&#x017F;e von<lb/>
Lau&#x017F;anne.</note><lb/><hi rendition="#fr">bonne</hi> nach <hi rendition="#fr">Nyon.</hi></head><lb/>
          <p>Es machte mir Mu&#x0364;he, den angenehmen Ort, an<lb/>
dem ich mich nun drey Wochen lang aufgehalten hat-<lb/>
te, zu verla&#x017F;&#x017F;en; aber die zum Ende eilende gute<lb/>
Jahrszeit erinnerte mich, nicht la&#x0364;nger zu verweilen,<lb/>
zumal da ich noch durch Oerter zu rei&#x017F;en hatte, wo ich<lb/>
mich auch einige Tage aufhalten mußte. Gleich von<lb/><hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> aus geht die Straße nach <hi rendition="#fr">Genf</hi> an das<lb/>
ebene Ufer des Sees herunter, und hernach la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
dem&#x017F;elben &#x017F;o fort, daß man &#x017F;ich nie mehr als wenige<lb/>
hundert Schritte von dem See entfernet. Man<lb/>
ko&#x0364;mmt durch einige &#x017F;ehr artige an dem See liegende<lb/>
Sta&#x0364;dte und Do&#x0364;rfer; rechter Hand aber hat man die<lb/>
fu&#x0364;rtrefflichen, mei&#x017F;tens mit Weinbergen be&#x017F;etzten Hu&#x0364;-<lb/>
gel, die eigentlich die <hi rendition="#fr">Cote</hi> genennt werden. Auf und an<lb/>
die&#x017F;en Hu&#x0364;geln &#x017F;ind viel &#x017F;cho&#x0364;ne Do&#x0364;rfer, adliche Schlo&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er und eine Menge Landha&#x0364;u&#x017F;er gebaut, die gro&#x0364;ßten-<lb/>
theils wohlhabenden Privatper&#x017F;onen von <hi rendition="#fr">Bern</hi> geho&#x0364;-<lb/>
ren, die denn im Herb&#x017F;t &#x017F;ich hier aufhalten, und das<lb/>
Land durch ihre Gegenwart um &#x017F;o viel lebhafter ma-<lb/>
chen. Der ganze Strich Landes zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Genf</hi> i&#x017F;t zum Entzu&#x0364;cken &#x017F;cho&#x0364;n, und unter die an-<lb/>
genehm&#x017F;ten Gegenden der Welt zu rechnen.</p><lb/>
          <p>Eine gute Meile von <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> liegt <hi rendition="#fr">Morges,</hi><note place="right">Morges.</note><lb/>
dicht an dem See; eine kleine, aber u&#x0364;beraus angeneh-<lb/>
me Stadt, der zweyte Hafen des Sees und eine be-<lb/>
tra&#x0364;chtliche Ablage der nach <hi rendition="#fr">Frankreich</hi> und <hi rendition="#fr">Pie-<lb/>
mont</hi> gehenden und von da her kommenden Waaren.<lb/>
Die Straßen &#x017F;ind breit, angenehm und ausnehmend<lb/>
gut gepfla&#x017F;tert; die Ha&#x0364;u&#x017F;er wohl gebaut, von einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">rein-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0075] gethanen Reiſe. Den 10 October. Reiſe von Lauſanne uͤber Au- bonne nach Nyon. Es machte mir Muͤhe, den angenehmen Ort, an dem ich mich nun drey Wochen lang aufgehalten hat- te, zu verlaſſen; aber die zum Ende eilende gute Jahrszeit erinnerte mich, nicht laͤnger zu verweilen, zumal da ich noch durch Oerter zu reiſen hatte, wo ich mich auch einige Tage aufhalten mußte. Gleich von Lauſanne aus geht die Straße nach Genf an das ebene Ufer des Sees herunter, und hernach laͤngſt demſelben ſo fort, daß man ſich nie mehr als wenige hundert Schritte von dem See entfernet. Man koͤmmt durch einige ſehr artige an dem See liegende Staͤdte und Doͤrfer; rechter Hand aber hat man die fuͤrtrefflichen, meiſtens mit Weinbergen beſetzten Huͤ- gel, die eigentlich die Cote genennt werden. Auf und an dieſen Huͤgeln ſind viel ſchoͤne Doͤrfer, adliche Schloͤſ- ſer und eine Menge Landhaͤuſer gebaut, die groͤßten- theils wohlhabenden Privatperſonen von Bern gehoͤ- ren, die denn im Herbſt ſich hier aufhalten, und das Land durch ihre Gegenwart um ſo viel lebhafter ma- chen. Der ganze Strich Landes zwiſchen Lauſanne und Genf iſt zum Entzuͤcken ſchoͤn, und unter die an- genehmſten Gegenden der Welt zu rechnen. Eine gute Meile von Lauſanne liegt Morges, dicht an dem See; eine kleine, aber uͤberaus angeneh- me Stadt, der zweyte Hafen des Sees und eine be- traͤchtliche Ablage der nach Frankreich und Pie- mont gehenden und von da her kommenden Waaren. Die Straßen ſind breit, angenehm und ausnehmend gut gepflaſtert; die Haͤuſer wohl gebaut, von einem rein- Morges. D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/75
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/75>, abgerufen am 23.11.2024.