wechselung der angenehmsten Gegenstände aus. Man hat sich also nicht zu verwundern, daß so viele vermö- gende Fremde, die kein anderes Jnteresse haben, als ihr Leben ruhig und vergnügt zuzubringen, sich in Lausanne oder in der dortigen Gegend niederlassen.
Die verbürgerten Einwohner von Lausanne se- hen diese Stadt gleichsam als den Hof des Landes an. Die vornehmen Einwohner führen eine hofmäßige Le- bensart, indem sie täglich gesellschaftliche Zusammen- künfte halten, darin der Abend mit Spielen und gesell- schaftlichen Unterredungen zugebracht wird. Fremde sind in diesen Gesellschaften allezeit willkommen, und können also das ganze Jahr durch täglich diesen Zeit- vertreib genießen. Die Lebensart ist übrigens sehr frey, und unter dem vornehmen Frauenzimmer viel- leicht zu frey. Bey dem allen bemerkt man doch oh- ne genaues Nachforschen, daß diese Stadt überhaupt sich nur in mittelmäßigem Wohlstand befindet, und daß die dortige Ueppigkeit mehr von dem Hange der Einwohner, als von Ueberfluß herkommt.
Selbst der gemeine Bürger in Lausanne hält sich zu vornehm, durch irgend ein Handwerk seinen Unterhalt zu verdienen. Die Handwerksleute sind Fremde, meist deutsche Schweizer. Handlung ist in Lausanne wenig, und der gemeine Bürger lebt zum Theil von dem Einkommen kleiner Bedienungen bey der Stadt, auch bey der Landesregierung; zum Theil von dem Ertrag seiner liegenden Gründe, die hier fürtrefflich angebaut und hoch genutzt werden. Andre haben ihr Einkommen von Vermiethung ihrer Häuser und von Pensionen der sich da aufhaltenden fremden Studirenden. Ueberhaupt wissen sie sich so
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Tagebuch von einer nach Nizza
wechſelung der angenehmſten Gegenſtaͤnde aus. Man hat ſich alſo nicht zu verwundern, daß ſo viele vermoͤ- gende Fremde, die kein anderes Jntereſſe haben, als ihr Leben ruhig und vergnuͤgt zuzubringen, ſich in Lauſanne oder in der dortigen Gegend niederlaſſen.
Die verbuͤrgerten Einwohner von Lauſanne ſe- hen dieſe Stadt gleichſam als den Hof des Landes an. Die vornehmen Einwohner fuͤhren eine hofmaͤßige Le- bensart, indem ſie taͤglich geſellſchaftliche Zuſammen- kuͤnfte halten, darin der Abend mit Spielen und geſell- ſchaftlichen Unterredungen zugebracht wird. Fremde ſind in dieſen Geſellſchaften allezeit willkommen, und koͤnnen alſo das ganze Jahr durch taͤglich dieſen Zeit- vertreib genießen. Die Lebensart iſt uͤbrigens ſehr frey, und unter dem vornehmen Frauenzimmer viel- leicht zu frey. Bey dem allen bemerkt man doch oh- ne genaues Nachforſchen, daß dieſe Stadt uͤberhaupt ſich nur in mittelmaͤßigem Wohlſtand befindet, und daß die dortige Ueppigkeit mehr von dem Hange der Einwohner, als von Ueberfluß herkommt.
Selbſt der gemeine Buͤrger in Lauſanne haͤlt ſich zu vornehm, durch irgend ein Handwerk ſeinen Unterhalt zu verdienen. Die Handwerksleute ſind Fremde, meiſt deutſche Schweizer. Handlung iſt in Lauſanne wenig, und der gemeine Buͤrger lebt zum Theil von dem Einkommen kleiner Bedienungen bey der Stadt, auch bey der Landesregierung; zum Theil von dem Ertrag ſeiner liegenden Gruͤnde, die hier fuͤrtrefflich angebaut und hoch genutzt werden. Andre haben ihr Einkommen von Vermiethung ihrer Haͤuſer und von Penſionen der ſich da aufhaltenden fremden Studirenden. Ueberhaupt wiſſen ſie ſich ſo
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Tagebuch von einer nach Nizza
wechſelung der angenehmſten Gegenſtaͤnde aus. Man
hat ſich alſo nicht zu verwundern, daß ſo viele vermoͤ-
gende Fremde, die kein anderes Jntereſſe haben, als
ihr Leben ruhig und vergnuͤgt zuzubringen, ſich in
Lauſanne oder in der dortigen Gegend niederlaſſen.
Die verbuͤrgerten Einwohner von Lauſanne ſe-
hen dieſe Stadt gleichſam als den Hof des Landes an.
Die vornehmen Einwohner fuͤhren eine hofmaͤßige Le-
bensart, indem ſie taͤglich geſellſchaftliche Zuſammen-
kuͤnfte halten, darin der Abend mit Spielen und geſell-
ſchaftlichen Unterredungen zugebracht wird. Fremde
ſind in dieſen Geſellſchaften allezeit willkommen, und
koͤnnen alſo das ganze Jahr durch taͤglich dieſen Zeit-
vertreib genießen. Die Lebensart iſt uͤbrigens ſehr
frey, und unter dem vornehmen Frauenzimmer viel-
leicht zu frey. Bey dem allen bemerkt man doch oh-
ne genaues Nachforſchen, daß dieſe Stadt uͤberhaupt
ſich nur in mittelmaͤßigem Wohlſtand befindet, und
daß die dortige Ueppigkeit mehr von dem Hange der
Einwohner, als von Ueberfluß herkommt.
Selbſt der gemeine Buͤrger in Lauſanne haͤlt
ſich zu vornehm, durch irgend ein Handwerk ſeinen
Unterhalt zu verdienen. Die Handwerksleute ſind
Fremde, meiſt deutſche Schweizer. Handlung iſt
in Lauſanne wenig, und der gemeine Buͤrger lebt
zum Theil von dem Einkommen kleiner Bedienungen
bey der Stadt, auch bey der Landesregierung; zum
Theil von dem Ertrag ſeiner liegenden Gruͤnde, die
hier fuͤrtrefflich angebaut und hoch genutzt werden.
Andre haben ihr Einkommen von Vermiethung ihrer
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fremden Studirenden. Ueberhaupt wiſſen ſie ſich ſo
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/64>, abgerufen am 23.01.2025.
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