vorbey mußte, stieg ich ab, um ihm einen Besuch zu machen. Er nöthigte mich sehr freundschaftlich, einige Tage bey ihm zu verweilen; aber ich sah mich durch das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genöthiget, meine Reise ohne Aufhaltung fortzusetzen, weil ich einmal fest entschlossen war, mich in Lausanne eine Zeit lang aufzuhalten, um dem berühmten Tissot Zeit zu lassen, meinen Zustand kennen zu lernen.
Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-Avanches. malige Averticum, welches eine beträchtliche römi- sche Colonie und die Hauptstadt dieses Landes gewesen. Von seiner ehemaligen Größe zeiget der Ort nur noch wenige Spuren, da der größte Theil der ehemaligen Stadt jetzt mit dem Pfluge bearbeitet wird. Des Abends kam ich nach Payerne, einer artigen kleinen,Payerne. auch sehr alten Stadt des ehemaligen burgundischen Königreichs. Es war hier ehedem ein berühmtes Be- nedictinerkloster, welches die Königinn Bertha im zehnten Jahrhunderte gestiftet hat. Diese Königinn, ihr Gemahl König Rudolf und verschiedene Prinzen des alten burgundischen Hauses sind hier begraben.
Den 18 Sept. von Payerne über Moudon nach Lausanne.
Man kommt meistentheils durch ein schmales und sehr angenehmes Thal nach Moudon, einer artigen und volkreichen kleinen Stadt am Ende des Thales. Die nicht hohen Berge, die dieses Thal einschließen, sind meistentheils unbebaut. Die Höhen scheinen überhaupt in dieser Gegend rauh und unfruchtbar. Viele kleine Berge sind zu steil, um angebaut zu wer- den. Jndessen ist gewiß, daß sie, wo es nicht an
Ein-
C 4
gethanen Reiſe.
vorbey mußte, ſtieg ich ab, um ihm einen Beſuch zu machen. Er noͤthigte mich ſehr freundſchaftlich, einige Tage bey ihm zu verweilen; aber ich ſah mich durch das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genoͤthiget, meine Reiſe ohne Aufhaltung fortzuſetzen, weil ich einmal feſt entſchloſſen war, mich in Lauſanne eine Zeit lang aufzuhalten, um dem beruͤhmten Tiſſot Zeit zu laſſen, meinen Zuſtand kennen zu lernen.
Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-Avanches. malige Averticum, welches eine betraͤchtliche roͤmi- ſche Colonie und die Hauptſtadt dieſes Landes geweſen. Von ſeiner ehemaligen Groͤße zeiget der Ort nur noch wenige Spuren, da der groͤßte Theil der ehemaligen Stadt jetzt mit dem Pfluge bearbeitet wird. Des Abends kam ich nach Payerne, einer artigen kleinen,Payerne. auch ſehr alten Stadt des ehemaligen burgundiſchen Koͤnigreichs. Es war hier ehedem ein beruͤhmtes Be- nedictinerkloſter, welches die Koͤniginn Bertha im zehnten Jahrhunderte geſtiftet hat. Dieſe Koͤniginn, ihr Gemahl Koͤnig Rudolf und verſchiedene Prinzen des alten burgundiſchen Hauſes ſind hier begraben.
Den 18 Sept. von Payerne uͤber Moudon nach Lauſanne.
Man kommt meiſtentheils durch ein ſchmales und ſehr angenehmes Thal nach Moudon, einer artigen und volkreichen kleinen Stadt am Ende des Thales. Die nicht hohen Berge, die dieſes Thal einſchließen, ſind meiſtentheils unbebaut. Die Hoͤhen ſcheinen uͤberhaupt in dieſer Gegend rauh und unfruchtbar. Viele kleine Berge ſind zu ſteil, um angebaut zu wer- den. Jndeſſen iſt gewiß, daß ſie, wo es nicht an
Ein-
C 4
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0057"n="39"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/>
vorbey mußte, ſtieg ich ab, um ihm einen Beſuch zu<lb/>
machen. Er noͤthigte mich ſehr freundſchaftlich, einige<lb/>
Tage bey ihm zu verweilen; aber ich ſah mich durch<lb/>
das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genoͤthiget,<lb/>
meine Reiſe ohne Aufhaltung fortzuſetzen, weil ich<lb/>
einmal feſt entſchloſſen war, mich in <hirendition="#fr">Lauſanne</hi> eine<lb/>
Zeit lang aufzuhalten, um dem beruͤhmten <hirendition="#fr">Tiſſot</hi><lb/>
Zeit zu laſſen, meinen Zuſtand kennen zu lernen.</p><lb/><p>Bald darauf kam ich durch <hirendition="#fr">Avanches,</hi> das ehe-<noteplace="right">Avanches.</note><lb/>
malige <hirendition="#fr">Averticum,</hi> welches eine betraͤchtliche roͤmi-<lb/>ſche Colonie und die Hauptſtadt dieſes Landes geweſen.<lb/>
Von ſeiner ehemaligen Groͤße zeiget der Ort nur noch<lb/>
wenige Spuren, da der groͤßte Theil der ehemaligen<lb/>
Stadt jetzt mit dem Pfluge bearbeitet wird. Des<lb/>
Abends kam ich nach <hirendition="#fr">Payerne,</hi> einer artigen kleinen,<noteplace="right">Payerne.</note><lb/>
auch ſehr alten Stadt des ehemaligen burgundiſchen<lb/>
Koͤnigreichs. Es war hier ehedem ein beruͤhmtes Be-<lb/>
nedictinerkloſter, welches die Koͤniginn <hirendition="#fr">Bertha</hi> im<lb/>
zehnten Jahrhunderte geſtiftet hat. Dieſe Koͤniginn,<lb/>
ihr Gemahl Koͤnig Rudolf und verſchiedene Prinzen<lb/>
des alten burgundiſchen Hauſes ſind hier begraben.</p></div><lb/><divtype="diaryEntry"n="2"><head>Den 18 Sept. von <hirendition="#fr">Payerne</hi> uͤber <hirendition="#fr">Moudon</hi> nach<lb/><hirendition="#fr">Lauſanne.</hi></head><lb/><p>Man kommt meiſtentheils durch ein ſchmales und<lb/>ſehr angenehmes Thal nach <hirendition="#fr">Moudon,</hi> einer artigen<lb/>
und volkreichen kleinen Stadt am Ende des Thales.<lb/>
Die nicht hohen Berge, die dieſes Thal einſchließen,<lb/>ſind meiſtentheils unbebaut. Die Hoͤhen ſcheinen<lb/>
uͤberhaupt in dieſer Gegend rauh und unfruchtbar.<lb/>
Viele kleine Berge ſind zu ſteil, um angebaut zu wer-<lb/>
den. Jndeſſen iſt gewiß, daß ſie, wo es nicht an<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ein-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0057]
gethanen Reiſe.
vorbey mußte, ſtieg ich ab, um ihm einen Beſuch zu
machen. Er noͤthigte mich ſehr freundſchaftlich, einige
Tage bey ihm zu verweilen; aber ich ſah mich durch
das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genoͤthiget,
meine Reiſe ohne Aufhaltung fortzuſetzen, weil ich
einmal feſt entſchloſſen war, mich in Lauſanne eine
Zeit lang aufzuhalten, um dem beruͤhmten Tiſſot
Zeit zu laſſen, meinen Zuſtand kennen zu lernen.
Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-
malige Averticum, welches eine betraͤchtliche roͤmi-
ſche Colonie und die Hauptſtadt dieſes Landes geweſen.
Von ſeiner ehemaligen Groͤße zeiget der Ort nur noch
wenige Spuren, da der groͤßte Theil der ehemaligen
Stadt jetzt mit dem Pfluge bearbeitet wird. Des
Abends kam ich nach Payerne, einer artigen kleinen,
auch ſehr alten Stadt des ehemaligen burgundiſchen
Koͤnigreichs. Es war hier ehedem ein beruͤhmtes Be-
nedictinerkloſter, welches die Koͤniginn Bertha im
zehnten Jahrhunderte geſtiftet hat. Dieſe Koͤniginn,
ihr Gemahl Koͤnig Rudolf und verſchiedene Prinzen
des alten burgundiſchen Hauſes ſind hier begraben.
Avanches.
Payerne.
Den 18 Sept. von Payerne uͤber Moudon nach
Lauſanne.
Man kommt meiſtentheils durch ein ſchmales und
ſehr angenehmes Thal nach Moudon, einer artigen
und volkreichen kleinen Stadt am Ende des Thales.
Die nicht hohen Berge, die dieſes Thal einſchließen,
ſind meiſtentheils unbebaut. Die Hoͤhen ſcheinen
uͤberhaupt in dieſer Gegend rauh und unfruchtbar.
Viele kleine Berge ſind zu ſteil, um angebaut zu wer-
den. Jndeſſen iſt gewiß, daß ſie, wo es nicht an
Ein-
C 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/57>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.