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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
wie andere gothische Kirchen, mit Kleinigkeiten der
Zierrathen überladen.

Den 13 Julius Nachmittags. Reise von Ulm
über Günzberg nach Dillingen.
Von Ulm
nach Dillin-
gen.

Von Ulm aus gehen zwey Hauptstraßen nach
Nürnberg: eine über Nördlingen, die andere über
Donquwerth. Jch wählte die letztere, weil ich
mich bey den jetzigen häufigen Sommerregen vor den
tiefen und etwas morastigen Ebenen um Nördlingen
scheute. Von Ulm bis Günzberg ist schönes ebenes
Land, wodurch gute Chausseen angelegt sind. Nur
Schade, daß sie nicht mit Bäumen besetzt sind. Es
ist mir nicht recht begreiflich, warum noch jetzt, da
man so durchgehends an Verbesserung und Verschöne-
rung der Ländereyen arbeitet, die Besetzung der Lan-
desstraßen an so vielen Orten noch versäumt wird, da
man doch so wichtige Gründe dafür hat. Sie ver-
schönert das Land; und mit Weiden, oder andern zum
öftern Köpfen dienlichen Bäumen besetzte Landstraßen
würden Holzungen entbehrlich machen. Wo aber das
Brennholz im Ueberfluß ist, da könnten Eichen zur
Mästung der Schweine, oder Kastanien-Wallnuß-
und Obstbäume zu noch vortheilhafterer Nutzung ge-
pflanzt werden. Freylich wäre alsdenn zu wünschen,
daß ein Mittel könnte ausgedacht werden, die so an-
gepflanzten Landstraßen vor feindlichen Verwüstungen in
Kriegszeiten sicher zu stellen; dies wäre eine sehr schwer
zu erhaltende Sache. Jn dem alten Griechenlande
wäre etwas von dieser Art leicht gewesen; man hätte
eine so bepflanzte Landesstraße dem besondern Schutze
einer Gottheit geweiht, und dieses würde sie beynahe

völlig

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
wie andere gothiſche Kirchen, mit Kleinigkeiten der
Zierrathen uͤberladen.

Den 13 Julius Nachmittags. Reiſe von Ulm
uͤber Guͤnzberg nach Dillingen.
Von Ulm
nach Dillin-
gen.

Von Ulm aus gehen zwey Hauptſtraßen nach
Nuͤrnberg: eine uͤber Noͤrdlingen, die andere uͤber
Donquwerth. Jch waͤhlte die letztere, weil ich
mich bey den jetzigen haͤufigen Sommerregen vor den
tiefen und etwas moraſtigen Ebenen um Noͤrdlingen
ſcheute. Von Ulm bis Guͤnzberg iſt ſchoͤnes ebenes
Land, wodurch gute Chauſſeen angelegt ſind. Nur
Schade, daß ſie nicht mit Baͤumen beſetzt ſind. Es
iſt mir nicht recht begreiflich, warum noch jetzt, da
man ſo durchgehends an Verbeſſerung und Verſchoͤne-
rung der Laͤndereyen arbeitet, die Beſetzung der Lan-
desſtraßen an ſo vielen Orten noch verſaͤumt wird, da
man doch ſo wichtige Gruͤnde dafuͤr hat. Sie ver-
ſchoͤnert das Land; und mit Weiden, oder andern zum
oͤftern Koͤpfen dienlichen Baͤumen beſetzte Landſtraßen
wuͤrden Holzungen entbehrlich machen. Wo aber das
Brennholz im Ueberfluß iſt, da koͤnnten Eichen zur
Maͤſtung der Schweine, oder Kaſtanien-Wallnuß-
und Obſtbaͤume zu noch vortheilhafterer Nutzung ge-
pflanzt werden. Freylich waͤre alsdenn zu wuͤnſchen,
daß ein Mittel koͤnnte ausgedacht werden, die ſo an-
gepflanzten Landſtraßen vor feindlichen Verwuͤſtungen in
Kriegszeiten ſicher zu ſtellen; dies waͤre eine ſehr ſchwer
zu erhaltende Sache. Jn dem alten Griechenlande
waͤre etwas von dieſer Art leicht geweſen; man haͤtte
eine ſo bepflanzte Landesſtraße dem beſondern Schutze
einer Gottheit geweiht, und dieſes wuͤrde ſie beynahe

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[400/0420] Tagebuch von der Ruͤckreiſe wie andere gothiſche Kirchen, mit Kleinigkeiten der Zierrathen uͤberladen. Den 13 Julius Nachmittags. Reiſe von Ulm uͤber Guͤnzberg nach Dillingen. Von Ulm aus gehen zwey Hauptſtraßen nach Nuͤrnberg: eine uͤber Noͤrdlingen, die andere uͤber Donquwerth. Jch waͤhlte die letztere, weil ich mich bey den jetzigen haͤufigen Sommerregen vor den tiefen und etwas moraſtigen Ebenen um Noͤrdlingen ſcheute. Von Ulm bis Guͤnzberg iſt ſchoͤnes ebenes Land, wodurch gute Chauſſeen angelegt ſind. Nur Schade, daß ſie nicht mit Baͤumen beſetzt ſind. Es iſt mir nicht recht begreiflich, warum noch jetzt, da man ſo durchgehends an Verbeſſerung und Verſchoͤne- rung der Laͤndereyen arbeitet, die Beſetzung der Lan- desſtraßen an ſo vielen Orten noch verſaͤumt wird, da man doch ſo wichtige Gruͤnde dafuͤr hat. Sie ver- ſchoͤnert das Land; und mit Weiden, oder andern zum oͤftern Koͤpfen dienlichen Baͤumen beſetzte Landſtraßen wuͤrden Holzungen entbehrlich machen. Wo aber das Brennholz im Ueberfluß iſt, da koͤnnten Eichen zur Maͤſtung der Schweine, oder Kaſtanien-Wallnuß- und Obſtbaͤume zu noch vortheilhafterer Nutzung ge- pflanzt werden. Freylich waͤre alsdenn zu wuͤnſchen, daß ein Mittel koͤnnte ausgedacht werden, die ſo an- gepflanzten Landſtraßen vor feindlichen Verwuͤſtungen in Kriegszeiten ſicher zu ſtellen; dies waͤre eine ſehr ſchwer zu erhaltende Sache. Jn dem alten Griechenlande waͤre etwas von dieſer Art leicht geweſen; man haͤtte eine ſo bepflanzte Landesſtraße dem beſondern Schutze einer Gottheit geweiht, und dieſes wuͤrde ſie beynahe voͤllig

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/420>, abgerufen am 22.11.2024.