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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
Aecker, noch Bäume, noch sonst etwas zu Befriedi-
gung menschlicher Bedürfnisse Dienendes siehet, schö-
ne Dörfer und in sehr gutem Wohlstande lebende, ge-
mächlich wohnende und gut gekleidete Einwohner zu
finden. Jn der That haben hier die Menschen von
allen Nothdürftigkeiten des Lebens nichts als Milch und
Fleisch von ihrem Viehe. Gar alles Uebrige, bis
auf das Brennholz selbst, muß sehr mühsam auf
Pferden hergeholt werden. Und doch ist alles wirk-
lich zum Ueberfluß da; und in den Gasthöfen kann
man so gut speisen, als in großen Städten andrer Län-
der. Auch haben die Einwohner in ihrem ganzen We-
sen weit mehr den Charakter wohlhabender Einwohner
der Städte, als des bäuerischen Landvolks an sich;
und die Vornehmern, denen die öffentlichen Angele-
genheiten des Volks aufgetragen sind, haben, bey al-
ler natürlichen Einfalt der hiesigen Sitten, weit mehr
von dem vornehmen Bürger der Stadt, als von dem
Landmann an sich. So weit geht die wohlthätige
Wirkung der Freyheit und des völlig gesicherten Ei-
genthums.

Die Nahrungsquellen dieses Volks sind die herr-
lichen auf den Bergen zerstreuten Weiden, die größ-
tentheils dem ganzen Volke als gemeine Besitzungen
zugehören; dann in dem Thale selbst die Wiesen, wor-
auf das Winterfutter für das Vieh gewonnen wird.
Jeder Einwohner hat das Recht, so viel Vieh, als
er von seinem eigenen Heu den Winter über füttern
kann, den Sommer über auf die gemeinen Alpen zu
schicken. Auch die, welche gar kein Eigenthum ha-
ben, genießen doch einen Antheil an den Alpenweiden.

Der

von Nizza nach Deutſchland.
Aecker, noch Baͤume, noch ſonſt etwas zu Befriedi-
gung menſchlicher Beduͤrfniſſe Dienendes ſiehet, ſchoͤ-
ne Doͤrfer und in ſehr gutem Wohlſtande lebende, ge-
maͤchlich wohnende und gut gekleidete Einwohner zu
finden. Jn der That haben hier die Menſchen von
allen Nothduͤrftigkeiten des Lebens nichts als Milch und
Fleiſch von ihrem Viehe. Gar alles Uebrige, bis
auf das Brennholz ſelbſt, muß ſehr muͤhſam auf
Pferden hergeholt werden. Und doch iſt alles wirk-
lich zum Ueberfluß da; und in den Gaſthoͤfen kann
man ſo gut ſpeiſen, als in großen Staͤdten andrer Laͤn-
der. Auch haben die Einwohner in ihrem ganzen We-
ſen weit mehr den Charakter wohlhabender Einwohner
der Staͤdte, als des baͤueriſchen Landvolks an ſich;
und die Vornehmern, denen die oͤffentlichen Angele-
genheiten des Volks aufgetragen ſind, haben, bey al-
ler natuͤrlichen Einfalt der hieſigen Sitten, weit mehr
von dem vornehmen Buͤrger der Stadt, als von dem
Landmann an ſich. So weit geht die wohlthaͤtige
Wirkung der Freyheit und des voͤllig geſicherten Ei-
genthums.

Die Nahrungsquellen dieſes Volks ſind die herr-
lichen auf den Bergen zerſtreuten Weiden, die groͤß-
tentheils dem ganzen Volke als gemeine Beſitzungen
zugehoͤren; dann in dem Thale ſelbſt die Wieſen, wor-
auf das Winterfutter fuͤr das Vieh gewonnen wird.
Jeder Einwohner hat das Recht, ſo viel Vieh, als
er von ſeinem eigenen Heu den Winter uͤber fuͤttern
kann, den Sommer uͤber auf die gemeinen Alpen zu
ſchicken. Auch die, welche gar kein Eigenthum ha-
ben, genießen doch einen Antheil an den Alpenweiden.

Der
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[367/0387] von Nizza nach Deutſchland. Aecker, noch Baͤume, noch ſonſt etwas zu Befriedi- gung menſchlicher Beduͤrfniſſe Dienendes ſiehet, ſchoͤ- ne Doͤrfer und in ſehr gutem Wohlſtande lebende, ge- maͤchlich wohnende und gut gekleidete Einwohner zu finden. Jn der That haben hier die Menſchen von allen Nothduͤrftigkeiten des Lebens nichts als Milch und Fleiſch von ihrem Viehe. Gar alles Uebrige, bis auf das Brennholz ſelbſt, muß ſehr muͤhſam auf Pferden hergeholt werden. Und doch iſt alles wirk- lich zum Ueberfluß da; und in den Gaſthoͤfen kann man ſo gut ſpeiſen, als in großen Staͤdten andrer Laͤn- der. Auch haben die Einwohner in ihrem ganzen We- ſen weit mehr den Charakter wohlhabender Einwohner der Staͤdte, als des baͤueriſchen Landvolks an ſich; und die Vornehmern, denen die oͤffentlichen Angele- genheiten des Volks aufgetragen ſind, haben, bey al- ler natuͤrlichen Einfalt der hieſigen Sitten, weit mehr von dem vornehmen Buͤrger der Stadt, als von dem Landmann an ſich. So weit geht die wohlthaͤtige Wirkung der Freyheit und des voͤllig geſicherten Ei- genthums. Die Nahrungsquellen dieſes Volks ſind die herr- lichen auf den Bergen zerſtreuten Weiden, die groͤß- tentheils dem ganzen Volke als gemeine Beſitzungen zugehoͤren; dann in dem Thale ſelbſt die Wieſen, wor- auf das Winterfutter fuͤr das Vieh gewonnen wird. Jeder Einwohner hat das Recht, ſo viel Vieh, als er von ſeinem eigenen Heu den Winter uͤber fuͤttern kann, den Sommer uͤber auf die gemeinen Alpen zu ſchicken. Auch die, welche gar kein Eigenthum ha- ben, genießen doch einen Antheil an den Alpenweiden. Der

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/387>, abgerufen am 22.11.2024.