Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von der Rückreise den Capuzinern einige Seen. Aus einem derselbenfließt der Bach, der hernach zum Ticin wird, gegen die Mittagsseite herunter; aus einem andern ein ähn- licher Bach nach der Nordseite. Dieser wird hernach zu dem Fluß Reuß, welcher sich im Canton Bern in die Aare, nicht weit von ihrem Einfluß in den Rhein ergießt. Aber jetzt waren diese Seen nicht zu sehen, weil alles tief unter dem Schnee lag. Jch will hier noch anmerken, daß diese Höhe bey Hieraus läßt sich, wie ich denke, ziemlich deut- streckt
Tagebuch von der Ruͤckreiſe den Capuzinern einige Seen. Aus einem derſelbenfließt der Bach, der hernach zum Ticin wird, gegen die Mittagsſeite herunter; aus einem andern ein aͤhn- licher Bach nach der Nordſeite. Dieſer wird hernach zu dem Fluß Reuß, welcher ſich im Canton Bern in die Aare, nicht weit von ihrem Einfluß in den Rhein ergießt. Aber jetzt waren dieſe Seen nicht zu ſehen, weil alles tief unter dem Schnee lag. Jch will hier noch anmerken, daß dieſe Hoͤhe bey Hieraus laͤßt ſich, wie ich denke, ziemlich deut- ſtreckt
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
den Capuzinern einige Seen. Aus einem derſelben
fließt der Bach, der hernach zum Ticin wird, gegen
die Mittagsſeite herunter; aus einem andern ein aͤhn-
licher Bach nach der Nordſeite. Dieſer wird hernach
zu dem Fluß Reuß, welcher ſich im Canton Bern in
die Aare, nicht weit von ihrem Einfluß in den Rhein
ergießt. Aber jetzt waren dieſe Seen nicht zu ſehen,
weil alles tief unter dem Schnee lag.
Jch will hier noch anmerken, daß dieſe Hoͤhe bey
den Capuzinern gerade der Punkt iſt, wo die deutſche
und welſche Sprache zuſammenſtoßen. Das Dorf
Airol, von dem ich jetzt herkam, bedienet ſich noch
der welſchen Sprache, und das naͤchſte, dahin ich nun
im Herunterſteigen kommen ſollte, iſt ſchon deutſch.
Zwar verſtehen und ſprechen die Einwohner des Livi-
nerthals faſt durchgehends das Deutſche auch, aber
unter ſich ſprechen ſie welſch; und ſo verſtehen die er-
ſten Doͤrfer an der andern noͤrdlichen Seite auch noch
die welſche Sprache, obgleich die deutſche ihre eigent-
liche Mutterſprache iſt.
Hieraus laͤßt ſich, wie ich denke, ziemlich deut-
lich abnehmen, wie in den alten Zeiten die Deutſchen
allmaͤhlig immer tiefer gegen Suͤden hin, die Wel-
ſchen ihrer Seits immer tiefer nach Norden in dieſe
Berge hineingedrungen, bis ſie endlich auf der ober-
ſten Hoͤhe auf einander getroffen haben. Es laͤßt ſich
aber vermuthen, daß die alten Lepontier vor den Deut-
ſchen ſich bis hieher ausgebreitet, und ſich ſelbſt hier
Graͤnzen geſetzt haben, weil ſie gegen Norden herun-
ter den Weg durch Felſen verſperrt gefunden. Denn
oſtwaͤrts vom Gotthard, in Graubuͤndten, wo es
leichter war, gegen Norden weiter vorzudringen, er-
ſtreckt
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