Noch bis auf einige italiänische Meilen weit über Novarra hin, ist das Land schön und fruchtbar. Aber an beyden Ufern des Ticino, und auch auf dem zwischen den zwey Armen, in welche dieser Fluß hier abgetheilt ist, liegenden Strich Landes, sind bloße Haiden mit kleinem Gesträuche bewachsen. Bemeld- ter Fluß macht jetzt die Gränzen zwischen den piemon- tesischen Staaten und Meiland. Bald nachdem man über den Fluß herüber ist, kommt man nach Buffalora.Buffalora, dem ersten Ort im Meiländischen, wo ich mußte abpacken und meine Sachen durchsuchen lassen.
Dieses Durchsuchen ist im Meiländischen sehr ver- drießlich, weil es nicht nur beym Eintritt in das Land und in die Städte, sondern auch wieder beym Aus- tritt aus denselben geschieht.
Von hier aus bis Meiland ist das Land von aus- nehmender Schönheit und Fruchtbarkeit, fällt auch wie ein einziger unermeßlicher Lustgarten ins Auge. Alle Felder tragen außer dem Getraide auch Wein, der aber nur in der Höhe über dem Acker gezogen wird, und Maulbeerbäume, die hier nicht wie im Piemon- tesischen an dem Rande der Aecker, sondern auf den- selben zerstreut stehen. Hier und da sind die Aecker gegen die Straßen mit schönen lebendigen Zäunen oder Hecken von Maulbeerbäumen besetzt. Die Dör- fer sind groß und schön; die Bauernhäuser weitläuf- tig, an weiten mit Wirthschaftsgebäuden umgebenen Höfen, und durchgehends massiv und gut gebaut. Jch fand hier, daß Tacitus mit großem Recht den obern
Theil
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Den 23 May. Von Novarra nach Meiland.
Von Novar- ra nach Mei- land.
Noch bis auf einige italiaͤniſche Meilen weit uͤber Novarra hin, iſt das Land ſchoͤn und fruchtbar. Aber an beyden Ufern des Ticino, und auch auf dem zwiſchen den zwey Armen, in welche dieſer Fluß hier abgetheilt iſt, liegenden Strich Landes, ſind bloße Haiden mit kleinem Geſtraͤuche bewachſen. Bemeld- ter Fluß macht jetzt die Graͤnzen zwiſchen den piemon- teſiſchen Staaten und Meiland. Bald nachdem man uͤber den Fluß heruͤber iſt, kommt man nach Buffalora.Buffalora, dem erſten Ort im Meilaͤndiſchen, wo ich mußte abpacken und meine Sachen durchſuchen laſſen.
Dieſes Durchſuchen iſt im Meilaͤndiſchen ſehr ver- drießlich, weil es nicht nur beym Eintritt in das Land und in die Staͤdte, ſondern auch wieder beym Aus- tritt aus denſelben geſchieht.
Von hier aus bis Meiland iſt das Land von aus- nehmender Schoͤnheit und Fruchtbarkeit, faͤllt auch wie ein einziger unermeßlicher Luſtgarten ins Auge. Alle Felder tragen außer dem Getraide auch Wein, der aber nur in der Hoͤhe uͤber dem Acker gezogen wird, und Maulbeerbaͤume, die hier nicht wie im Piemon- teſiſchen an dem Rande der Aecker, ſondern auf den- ſelben zerſtreut ſtehen. Hier und da ſind die Aecker gegen die Straßen mit ſchoͤnen lebendigen Zaͤunen oder Hecken von Maulbeerbaͤumen beſetzt. Die Doͤr- fer ſind groß und ſchoͤn; die Bauernhaͤuſer weitlaͤuf- tig, an weiten mit Wirthſchaftsgebaͤuden umgebenen Hoͤfen, und durchgehends maſſiv und gut gebaut. Jch fand hier, daß Tacitus mit großem Recht den obern
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Den 23 May. Von Novarra nach Meiland.
Noch bis auf einige italiaͤniſche Meilen weit uͤber
Novarra hin, iſt das Land ſchoͤn und fruchtbar.
Aber an beyden Ufern des Ticino, und auch auf dem
zwiſchen den zwey Armen, in welche dieſer Fluß hier
abgetheilt iſt, liegenden Strich Landes, ſind bloße
Haiden mit kleinem Geſtraͤuche bewachſen. Bemeld-
ter Fluß macht jetzt die Graͤnzen zwiſchen den piemon-
teſiſchen Staaten und Meiland. Bald nachdem
man uͤber den Fluß heruͤber iſt, kommt man nach
Buffalora, dem erſten Ort im Meilaͤndiſchen, wo
ich mußte abpacken und meine Sachen durchſuchen
laſſen.
Buffalora.
Dieſes Durchſuchen iſt im Meilaͤndiſchen ſehr ver-
drießlich, weil es nicht nur beym Eintritt in das Land
und in die Staͤdte, ſondern auch wieder beym Aus-
tritt aus denſelben geſchieht.
Von hier aus bis Meiland iſt das Land von aus-
nehmender Schoͤnheit und Fruchtbarkeit, faͤllt auch
wie ein einziger unermeßlicher Luſtgarten ins Auge.
Alle Felder tragen außer dem Getraide auch Wein,
der aber nur in der Hoͤhe uͤber dem Acker gezogen wird,
und Maulbeerbaͤume, die hier nicht wie im Piemon-
teſiſchen an dem Rande der Aecker, ſondern auf den-
ſelben zerſtreut ſtehen. Hier und da ſind die Aecker
gegen die Straßen mit ſchoͤnen lebendigen Zaͤunen
oder Hecken von Maulbeerbaͤumen beſetzt. Die Doͤr-
fer ſind groß und ſchoͤn; die Bauernhaͤuſer weitlaͤuf-
tig, an weiten mit Wirthſchaftsgebaͤuden umgebenen
Hoͤfen, und durchgehends maſſiv und gut gebaut. Jch
fand hier, daß Tacitus mit großem Recht den obern
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/344>, abgerufen am 23.11.2024.
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