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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.

Von dem großen Armenhause, das den Namen
der Charite hat, und von andern Reisenden hinläng-
lich beschrieben worden, will ich nur den einzigen Um-
stand anmerken, daß unter den um die innere Höhe
herumlaufenden Säulengängen die Brustbilder aller
Wohlthäter dieser Stiftung in Marmor, jeder in ei-
ner kleinen Bilderblinde, aufgesetzt sind. An meh-
rern Orten in Jtalien hat sich diese gute Gewohnheit,
verdiente Bürger auf diese Weise zu ehren, aus dem
Alterthume erhalten, und ist sehr selten nach Norden,
oder Westen über die Alpen weg gekommen.

Zu den Armenanstalten kann man auch das rechnen,
was hier L'albergo delle Virtu genennt wird. Jn
einem großen dem Könige gehörigen Hause genießen
verschiedene Meister in Handwerken und Künsten freye
Wohnung und andre Vortheile mit dem Bedinge, daß
jeder einige arme Knaben umsonst in die Lehre nimmt,
und zu seiner Profession anzieht. Ferner ist auch in
Turin eine andre Anstalt von ganz besonderer Art,
darin arme junge Mädchen aufgenommen, und so
lange es ihnen gefällt unterhalten werden. Dieses ist
eine Art von Arbeitshaus, dazu unter der vorigen Re-
gierung eine Frauensperson, la Signora Rosa,
den Entwurf gemacht hat, zu dessen Ausführung ihr
der verstorbene König beträchtliche Summen Geldes
vorgeschossen, auch hernach einige Gebäude geschenkt
hat. Gegenwärtig ist es ein großes und weitläuftiges
Werk. Eine große Anzahl armer Mädchen genießet
da freyen Unterhalt in Nahrung, Kleidung, Woh-
nung etc. und wird unter der Anführung einiger un-
verheiratheten Frauenspersonen zu verschiedenen wich-
tigen Fabrikarbeiten angehalten.

Die
U
von Nizza nach Deutſchland.

Von dem großen Armenhauſe, das den Namen
der Charité hat, und von andern Reiſenden hinlaͤng-
lich beſchrieben worden, will ich nur den einzigen Um-
ſtand anmerken, daß unter den um die innere Hoͤhe
herumlaufenden Saͤulengaͤngen die Bruſtbilder aller
Wohlthaͤter dieſer Stiftung in Marmor, jeder in ei-
ner kleinen Bilderblinde, aufgeſetzt ſind. An meh-
rern Orten in Jtalien hat ſich dieſe gute Gewohnheit,
verdiente Buͤrger auf dieſe Weiſe zu ehren, aus dem
Alterthume erhalten, und iſt ſehr ſelten nach Norden,
oder Weſten uͤber die Alpen weg gekommen.

Zu den Armenanſtalten kann man auch das rechnen,
was hier L'albergo delle Virtù genennt wird. Jn
einem großen dem Koͤnige gehoͤrigen Hauſe genießen
verſchiedene Meiſter in Handwerken und Kuͤnſten freye
Wohnung und andre Vortheile mit dem Bedinge, daß
jeder einige arme Knaben umſonſt in die Lehre nimmt,
und zu ſeiner Profeſſion anzieht. Ferner iſt auch in
Turin eine andre Anſtalt von ganz beſonderer Art,
darin arme junge Maͤdchen aufgenommen, und ſo
lange es ihnen gefaͤllt unterhalten werden. Dieſes iſt
eine Art von Arbeitshaus, dazu unter der vorigen Re-
gierung eine Frauensperſon, la Signora Roſa,
den Entwurf gemacht hat, zu deſſen Ausfuͤhrung ihr
der verſtorbene Koͤnig betraͤchtliche Summen Geldes
vorgeſchoſſen, auch hernach einige Gebaͤude geſchenkt
hat. Gegenwaͤrtig iſt es ein großes und weitlaͤuftiges
Werk. Eine große Anzahl armer Maͤdchen genießet
da freyen Unterhalt in Nahrung, Kleidung, Woh-
nung ꝛc. und wird unter der Anfuͤhrung einiger un-
verheiratheten Frauensperſonen zu verſchiedenen wich-
tigen Fabrikarbeiten angehalten.

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[305/0325] von Nizza nach Deutſchland. Von dem großen Armenhauſe, das den Namen der Charité hat, und von andern Reiſenden hinlaͤng- lich beſchrieben worden, will ich nur den einzigen Um- ſtand anmerken, daß unter den um die innere Hoͤhe herumlaufenden Saͤulengaͤngen die Bruſtbilder aller Wohlthaͤter dieſer Stiftung in Marmor, jeder in ei- ner kleinen Bilderblinde, aufgeſetzt ſind. An meh- rern Orten in Jtalien hat ſich dieſe gute Gewohnheit, verdiente Buͤrger auf dieſe Weiſe zu ehren, aus dem Alterthume erhalten, und iſt ſehr ſelten nach Norden, oder Weſten uͤber die Alpen weg gekommen. Zu den Armenanſtalten kann man auch das rechnen, was hier L'albergo delle Virtù genennt wird. Jn einem großen dem Koͤnige gehoͤrigen Hauſe genießen verſchiedene Meiſter in Handwerken und Kuͤnſten freye Wohnung und andre Vortheile mit dem Bedinge, daß jeder einige arme Knaben umſonſt in die Lehre nimmt, und zu ſeiner Profeſſion anzieht. Ferner iſt auch in Turin eine andre Anſtalt von ganz beſonderer Art, darin arme junge Maͤdchen aufgenommen, und ſo lange es ihnen gefaͤllt unterhalten werden. Dieſes iſt eine Art von Arbeitshaus, dazu unter der vorigen Re- gierung eine Frauensperſon, la Signora Roſa, den Entwurf gemacht hat, zu deſſen Ausfuͤhrung ihr der verſtorbene Koͤnig betraͤchtliche Summen Geldes vorgeſchoſſen, auch hernach einige Gebaͤude geſchenkt hat. Gegenwaͤrtig iſt es ein großes und weitlaͤuftiges Werk. Eine große Anzahl armer Maͤdchen genießet da freyen Unterhalt in Nahrung, Kleidung, Woh- nung ꝛc. und wird unter der Anfuͤhrung einiger un- verheiratheten Frauensperſonen zu verſchiedenen wich- tigen Fabrikarbeiten angehalten. Die U

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/325>, abgerufen am 24.11.2024.