An der Mitte des Berges a sind die Schichten wage- recht, so wie sie ursprünglich alle gewesen. An der nördlichen Seite des Berges b und an der südlichen c liegen sie schief, und zwar so, daß sie wie die zwey Flächen. eines Satteldaches gegen einander stehen. Da ist also sehr deutlich zu sehen, wie ein Theil des Berges gegen das nach Süden, der andre gegen das nördlich liegende Thal herabgesunken ist.
Jch habe auf diesem Wege auch an mehr als ei- nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera- de gestreckt, sondern wellenförmig gebogen waren.
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Dieses beweiset, daß damals, als dieser Theil herabgesunken, die Materie, woraus die Schichten bestehen, noch weich gewesen, und im Sinken durch den Druck ihrer eigenen Schwere diese wellenförmige Gestalt angenommen habe.
An einem an diesem Wege liegenden Berge habe ich etwas äußerst seltsames gesehen. Der ganze Berg bestehet aus senkrecht an einander stehenden Schichten von Kalkstein. Sie sind wechselsweise von weissem und bläulichem Stein, so daß der Berg in lauter weisse und bläuliche, parallel an einander laufen- de Streifen eingetheilt ist. Die weissen Schichten be- stehen aus sehr festem und hartem Stein, die bläuli- chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
An der Mitte des Berges a ſind die Schichten wage- recht, ſo wie ſie urſpruͤnglich alle geweſen. An der noͤrdlichen Seite des Berges b und an der ſuͤdlichen c liegen ſie ſchief, und zwar ſo, daß ſie wie die zwey Flaͤchen. eines Satteldaches gegen einander ſtehen. Da iſt alſo ſehr deutlich zu ſehen, wie ein Theil des Berges gegen das nach Suͤden, der andre gegen das noͤrdlich liegende Thal herabgeſunken iſt.
Jch habe auf dieſem Wege auch an mehr als ei- nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera- de geſtreckt, ſondern wellenfoͤrmig gebogen waren.
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Dieſes beweiſet, daß damals, als dieſer Theil herabgeſunken, die Materie, woraus die Schichten beſtehen, noch weich geweſen, und im Sinken durch den Druck ihrer eigenen Schwere dieſe wellenfoͤrmige Geſtalt angenommen habe.
An einem an dieſem Wege liegenden Berge habe ich etwas aͤußerſt ſeltſames geſehen. Der ganze Berg beſtehet aus ſenkrecht an einander ſtehenden Schichten von Kalkſtein. Sie ſind wechſelsweiſe von weiſſem und blaͤulichem Stein, ſo daß der Berg in lauter weiſſe und blaͤuliche, parallel an einander laufen- de Streifen eingetheilt iſt. Die weiſſen Schichten be- ſtehen aus ſehr feſtem und hartem Stein, die blaͤuli- chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
An der Mitte des Berges a ſind die Schichten wage-
recht, ſo wie ſie urſpruͤnglich alle geweſen. An der
noͤrdlichen Seite des Berges b und an der ſuͤdlichen c
liegen ſie ſchief, und zwar ſo, daß ſie wie die zwey
Flaͤchen. eines Satteldaches gegen einander ſtehen.
Da iſt alſo ſehr deutlich zu ſehen, wie ein Theil des
Berges gegen das nach Suͤden, der andre gegen das
noͤrdlich liegende Thal herabgeſunken iſt.
Jch habe auf dieſem Wege auch an mehr als ei-
nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera-
de geſtreckt, ſondern wellenfoͤrmig gebogen waren.
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Dieſes beweiſet, daß damals, als dieſer Theil
herabgeſunken, die Materie, woraus die Schichten
beſtehen, noch weich geweſen, und im Sinken durch
den Druck ihrer eigenen Schwere dieſe wellenfoͤrmige
Geſtalt angenommen habe.
An einem an dieſem Wege liegenden Berge habe
ich etwas aͤußerſt ſeltſames geſehen. Der ganze
Berg beſtehet aus ſenkrecht an einander ſtehenden
Schichten von Kalkſtein. Sie ſind wechſelsweiſe von
weiſſem und blaͤulichem Stein, ſo daß der Berg in
lauter weiſſe und blaͤuliche, parallel an einander laufen-
de Streifen eingetheilt iſt. Die weiſſen Schichten be-
ſtehen aus ſehr feſtem und hartem Stein, die blaͤuli-
chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/294>, abgerufen am 25.11.2024.
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