Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
Tagebuch von der Rückreise

An der Mitte des Berges a sind die Schichten wage-
recht, so wie sie ursprünglich alle gewesen. An der
nördlichen Seite des Berges b und an der südlichen c
liegen sie schief, und zwar so, daß sie wie die zwey
Flächen. eines Satteldaches gegen einander stehen.
Da ist also sehr deutlich zu sehen, wie ein Theil des
Berges gegen das nach Süden, der andre gegen das
nördlich liegende Thal herabgesunken ist.

Jch habe auf diesem Wege auch an mehr als ei-
nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera-
de gestreckt, sondern wellenförmig gebogen waren.

[Abbildung]

Dieses beweiset, daß damals, als dieser Theil
herabgesunken, die Materie, woraus die Schichten
bestehen, noch weich gewesen, und im Sinken durch
den Druck ihrer eigenen Schwere diese wellenförmige
Gestalt angenommen habe.

An einem an diesem Wege liegenden Berge habe
ich etwas äußerst seltsames gesehen. Der ganze
Berg bestehet aus senkrecht an einander stehenden
Schichten von Kalkstein. Sie sind wechselsweise von
weissem und bläulichem Stein, so daß der Berg in
lauter weisse und bläuliche, parallel an einander laufen-
de Streifen eingetheilt ist. Die weissen Schichten be-
stehen aus sehr festem und hartem Stein, die bläuli-
chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und

zer-
Tagebuch von der Ruͤckreiſe

An der Mitte des Berges a ſind die Schichten wage-
recht, ſo wie ſie urſpruͤnglich alle geweſen. An der
noͤrdlichen Seite des Berges b und an der ſuͤdlichen c
liegen ſie ſchief, und zwar ſo, daß ſie wie die zwey
Flaͤchen. eines Satteldaches gegen einander ſtehen.
Da iſt alſo ſehr deutlich zu ſehen, wie ein Theil des
Berges gegen das nach Suͤden, der andre gegen das
noͤrdlich liegende Thal herabgeſunken iſt.

Jch habe auf dieſem Wege auch an mehr als ei-
nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera-
de geſtreckt, ſondern wellenfoͤrmig gebogen waren.

[Abbildung]

Dieſes beweiſet, daß damals, als dieſer Theil
herabgeſunken, die Materie, woraus die Schichten
beſtehen, noch weich geweſen, und im Sinken durch
den Druck ihrer eigenen Schwere dieſe wellenfoͤrmige
Geſtalt angenommen habe.

An einem an dieſem Wege liegenden Berge habe
ich etwas aͤußerſt ſeltſames geſehen. Der ganze
Berg beſtehet aus ſenkrecht an einander ſtehenden
Schichten von Kalkſtein. Sie ſind wechſelsweiſe von
weiſſem und blaͤulichem Stein, ſo daß der Berg in
lauter weiſſe und blaͤuliche, parallel an einander laufen-
de Streifen eingetheilt iſt. Die weiſſen Schichten be-
ſtehen aus ſehr feſtem und hartem Stein, die blaͤuli-
chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und

zer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <pb facs="#f0294" n="274"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Tagebuch von der Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e</hi> </fw><lb/>
          <p>An der Mitte des Berges <hi rendition="#aq">a</hi> &#x017F;ind die Schichten wage-<lb/>
recht, &#x017F;o wie &#x017F;ie ur&#x017F;pru&#x0364;nglich alle gewe&#x017F;en. An der<lb/>
no&#x0364;rdlichen Seite des Berges <hi rendition="#aq">b</hi> und an der &#x017F;u&#x0364;dlichen <hi rendition="#aq">c</hi><lb/>
liegen &#x017F;ie &#x017F;chief, und zwar &#x017F;o, daß &#x017F;ie wie die zwey<lb/>
Fla&#x0364;chen. eines Satteldaches gegen einander &#x017F;tehen.<lb/>
Da i&#x017F;t al&#x017F;o &#x017F;ehr deutlich zu &#x017F;ehen, wie ein Theil des<lb/>
Berges gegen das nach Su&#x0364;den, der andre gegen das<lb/>
no&#x0364;rdlich liegende Thal herabge&#x017F;unken i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch habe auf die&#x017F;em Wege auch an mehr als ei-<lb/>
nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera-<lb/>
de ge&#x017F;treckt, &#x017F;ondern wellenfo&#x0364;rmig gebogen waren.</p><lb/>
          <figure/><lb/>
          <p>Die&#x017F;es bewei&#x017F;et, daß damals, als die&#x017F;er Theil<lb/>
herabge&#x017F;unken, die Materie, woraus die Schichten<lb/>
be&#x017F;tehen, noch weich gewe&#x017F;en, und im Sinken durch<lb/>
den Druck ihrer eigenen Schwere die&#x017F;e wellenfo&#x0364;rmige<lb/>
Ge&#x017F;talt angenommen habe.</p><lb/>
          <p>An einem an die&#x017F;em Wege liegenden Berge habe<lb/>
ich etwas a&#x0364;ußer&#x017F;t &#x017F;elt&#x017F;ames ge&#x017F;ehen. Der ganze<lb/>
Berg be&#x017F;tehet aus &#x017F;enkrecht an einander &#x017F;tehenden<lb/>
Schichten von Kalk&#x017F;tein. Sie &#x017F;ind wech&#x017F;elswei&#x017F;e von<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;em und bla&#x0364;ulichem Stein, &#x017F;o daß der Berg in<lb/>
lauter wei&#x017F;&#x017F;e und bla&#x0364;uliche, parallel an einander laufen-<lb/>
de Streifen eingetheilt i&#x017F;t. Die wei&#x017F;&#x017F;en Schichten be-<lb/>
&#x017F;tehen aus &#x017F;ehr fe&#x017F;tem und hartem Stein, die bla&#x0364;uli-<lb/>
chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zer-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0294] Tagebuch von der Ruͤckreiſe An der Mitte des Berges a ſind die Schichten wage- recht, ſo wie ſie urſpruͤnglich alle geweſen. An der noͤrdlichen Seite des Berges b und an der ſuͤdlichen c liegen ſie ſchief, und zwar ſo, daß ſie wie die zwey Flaͤchen. eines Satteldaches gegen einander ſtehen. Da iſt alſo ſehr deutlich zu ſehen, wie ein Theil des Berges gegen das nach Suͤden, der andre gegen das noͤrdlich liegende Thal herabgeſunken iſt. Jch habe auf dieſem Wege auch an mehr als ei- nem Orte Schichten angetroffen, die nicht mehr gera- de geſtreckt, ſondern wellenfoͤrmig gebogen waren. [Abbildung] Dieſes beweiſet, daß damals, als dieſer Theil herabgeſunken, die Materie, woraus die Schichten beſtehen, noch weich geweſen, und im Sinken durch den Druck ihrer eigenen Schwere dieſe wellenfoͤrmige Geſtalt angenommen habe. An einem an dieſem Wege liegenden Berge habe ich etwas aͤußerſt ſeltſames geſehen. Der ganze Berg beſtehet aus ſenkrecht an einander ſtehenden Schichten von Kalkſtein. Sie ſind wechſelsweiſe von weiſſem und blaͤulichem Stein, ſo daß der Berg in lauter weiſſe und blaͤuliche, parallel an einander laufen- de Streifen eingetheilt iſt. Die weiſſen Schichten be- ſtehen aus ſehr feſtem und hartem Stein, die blaͤuli- chen aus einem weichern, der in der Luft auswittert und zer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/294
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/294>, abgerufen am 25.11.2024.