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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
lich wird darin gepflanzet oder gesät. Auf den unbe-
bauten Stellen der Berge, und an den hohen Borten
auf dem ebenen Lande, sieht man den ganzen Winter
grünes Gras, hier und da aufblühende Blumen, im-
mergrüne Bäume mit Früchten, oder mit allmählig
aufbrechenden Blühten; besonders hängen die Oliven-
bäume und der Lorbeerbaum den ganzen Winter über
voll Früchte; des herrlichen Schauspieles der mit
bald reifen Früchten behangenen Citronen- und Pom-
meranzenbäume nicht zu gedenken.

Für Personen, die aus einem nördlichern Klima
hieher kommen, sind diese Spaziergänge um so viel
angenehmer, weil sie ihnen fast lauter ganz neue Ge-
genstände zeigen. Selbst die Aussicht auf die völlig
kahlen, dürren und alles Grünen beraubten Gipfel
der umliegenden Berge und Felsenhöhen hat, wegen
der Ungewöhnlichkeit dieses Schauplatzes, etwas An-
genehmes. Man hat die beyden äußersten Gränzen
der Armuth und des Reichthums der Natur hier zu-
gleich vor sich, jene auf den Höhen, diesen in den Ebe-
nen und Thälern.

Ferner ist fast alles, was man von Kräutern,
Blumen und Bäumen sieht, neu und fremd; und
man findet hier in der Wildniß der Berge Blumen,
Gesträuch und Bäume, die man in nördlichern Gegen-
den mit großer Sorgfalt, zur Verschönerung der Lust-
gärten, den Winter über in Gewächshäusern verwah-
ret, und im Sommer in Töpfen oder Kübeln herausse-
tzet. Die große americanische Aloe, von der ich hier
auf einem der rauhesten Berge einen ganzen Wald an-
getroffen habe; die Opuntia oder Ficus indica, die
hier an einigen Orten die Stelle eines Zaunes vertritt;

die

Tagebuch von einer nach Nizza
lich wird darin gepflanzet oder geſaͤt. Auf den unbe-
bauten Stellen der Berge, und an den hohen Borten
auf dem ebenen Lande, ſieht man den ganzen Winter
gruͤnes Gras, hier und da aufbluͤhende Blumen, im-
mergruͤne Baͤume mit Fruͤchten, oder mit allmaͤhlig
aufbrechenden Bluͤhten; beſonders haͤngen die Oliven-
baͤume und der Lorbeerbaum den ganzen Winter uͤber
voll Fruͤchte; des herrlichen Schauſpieles der mit
bald reifen Fruͤchten behangenen Citronen- und Pom-
meranzenbaͤume nicht zu gedenken.

Fuͤr Perſonen, die aus einem noͤrdlichern Klima
hieher kommen, ſind dieſe Spaziergaͤnge um ſo viel
angenehmer, weil ſie ihnen faſt lauter ganz neue Ge-
genſtaͤnde zeigen. Selbſt die Ausſicht auf die voͤllig
kahlen, duͤrren und alles Gruͤnen beraubten Gipfel
der umliegenden Berge und Felſenhoͤhen hat, wegen
der Ungewoͤhnlichkeit dieſes Schauplatzes, etwas An-
genehmes. Man hat die beyden aͤußerſten Graͤnzen
der Armuth und des Reichthums der Natur hier zu-
gleich vor ſich, jene auf den Hoͤhen, dieſen in den Ebe-
nen und Thaͤlern.

Ferner iſt faſt alles, was man von Kraͤutern,
Blumen und Baͤumen ſieht, neu und fremd; und
man findet hier in der Wildniß der Berge Blumen,
Geſtraͤuch und Baͤume, die man in noͤrdlichern Gegen-
den mit großer Sorgfalt, zur Verſchoͤnerung der Luſt-
gaͤrten, den Winter uͤber in Gewaͤchshaͤuſern verwah-
ret, und im Sommer in Toͤpfen oder Kuͤbeln herausſe-
tzet. Die große americaniſche Aloe, von der ich hier
auf einem der rauheſten Berge einen ganzen Wald an-
getroffen habe; die Opuntia oder Ficus indica, die
hier an einigen Orten die Stelle eines Zaunes vertritt;

die
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[230/0250] Tagebuch von einer nach Nizza lich wird darin gepflanzet oder geſaͤt. Auf den unbe- bauten Stellen der Berge, und an den hohen Borten auf dem ebenen Lande, ſieht man den ganzen Winter gruͤnes Gras, hier und da aufbluͤhende Blumen, im- mergruͤne Baͤume mit Fruͤchten, oder mit allmaͤhlig aufbrechenden Bluͤhten; beſonders haͤngen die Oliven- baͤume und der Lorbeerbaum den ganzen Winter uͤber voll Fruͤchte; des herrlichen Schauſpieles der mit bald reifen Fruͤchten behangenen Citronen- und Pom- meranzenbaͤume nicht zu gedenken. Fuͤr Perſonen, die aus einem noͤrdlichern Klima hieher kommen, ſind dieſe Spaziergaͤnge um ſo viel angenehmer, weil ſie ihnen faſt lauter ganz neue Ge- genſtaͤnde zeigen. Selbſt die Ausſicht auf die voͤllig kahlen, duͤrren und alles Gruͤnen beraubten Gipfel der umliegenden Berge und Felſenhoͤhen hat, wegen der Ungewoͤhnlichkeit dieſes Schauplatzes, etwas An- genehmes. Man hat die beyden aͤußerſten Graͤnzen der Armuth und des Reichthums der Natur hier zu- gleich vor ſich, jene auf den Hoͤhen, dieſen in den Ebe- nen und Thaͤlern. Ferner iſt faſt alles, was man von Kraͤutern, Blumen und Baͤumen ſieht, neu und fremd; und man findet hier in der Wildniß der Berge Blumen, Geſtraͤuch und Baͤume, die man in noͤrdlichern Gegen- den mit großer Sorgfalt, zur Verſchoͤnerung der Luſt- gaͤrten, den Winter uͤber in Gewaͤchshaͤuſern verwah- ret, und im Sommer in Toͤpfen oder Kuͤbeln herausſe- tzet. Die große americaniſche Aloe, von der ich hier auf einem der rauheſten Berge einen ganzen Wald an- getroffen habe; die Opuntia oder Ficus indica, die hier an einigen Orten die Stelle eines Zaunes vertritt; die

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/250>, abgerufen am 24.11.2024.