in dieser Gegend ausgegangen seyen, davon wisse er keine Beyspiele.
Wein.
Auch an Wein wird etwas außer Land gefahren. Der beste ist ein sehr feiner, hellrother, dünner, aber ziemlich feuriger Wein von feinem Geschmack. Der meiste geht nach Turin; hingegen kommt der gerin- gere Wein, den hier das gemeine Volk trinkt, meist aus der Provence. Alles zusammen genommen, würde in dieser Gegend, wenn auch kein Wein aus- geführt würde, nicht so viel wachsen, als da getrun- ken wird. Denn auch der ärmste Pachter trinkt hier Wein. Die Bürger in der Stadt, die nicht selbst Güter haben, kaufen im Herbst Weintrauben zusam- men, und pressen sie selbst, um einen Vorrath für ihr Haus zu haben.
Wie beträchtlich die Fischerey seyn möchte, habe ich nicht erfahren. Jch halte sie aber für geringe. Nur der Tonfischfang ist im Frühling bisweilen be- trächtlich; aber er ist ein Regale des Königs, das gegenwärtig auf 6 Jahre für 60000 Lire verpach- tet ist.
Dieses sind, so viel ich weiß, alle Landesgüter, die verfahren werden und Geld in das Land bringen. Aber die Summen, die dafür eingehen, reichen ge- wiß nicht hin, zu bezahlen, was die Stadt und das Land zu seinem Verbrauch kaufen muß. Denn es hat an vielen Dingen Mangel.
Das wenige Getraide, das hier wächst, ist für nichts zu achten, und ist kaum hinreichend, dem Land- mann sein nöthiges Brod zu geben. Also muß we- nigstens alles, was die Stadt braucht, von außen herkommen.
Gros-
Tagebuch von einer nach Nizza
in dieſer Gegend ausgegangen ſeyen, davon wiſſe er keine Beyſpiele.
Wein.
Auch an Wein wird etwas außer Land gefahren. Der beſte iſt ein ſehr feiner, hellrother, duͤnner, aber ziemlich feuriger Wein von feinem Geſchmack. Der meiſte geht nach Turin; hingegen kommt der gerin- gere Wein, den hier das gemeine Volk trinkt, meiſt aus der Provence. Alles zuſammen genommen, wuͤrde in dieſer Gegend, wenn auch kein Wein aus- gefuͤhrt wuͤrde, nicht ſo viel wachſen, als da getrun- ken wird. Denn auch der aͤrmſte Pachter trinkt hier Wein. Die Buͤrger in der Stadt, die nicht ſelbſt Guͤter haben, kaufen im Herbſt Weintrauben zuſam- men, und preſſen ſie ſelbſt, um einen Vorrath fuͤr ihr Haus zu haben.
Wie betraͤchtlich die Fiſcherey ſeyn moͤchte, habe ich nicht erfahren. Jch halte ſie aber fuͤr geringe. Nur der Tonfiſchfang iſt im Fruͤhling bisweilen be- traͤchtlich; aber er iſt ein Regale des Koͤnigs, das gegenwaͤrtig auf 6 Jahre fuͤr 60000 Lire verpach- tet iſt.
Dieſes ſind, ſo viel ich weiß, alle Landesguͤter, die verfahren werden und Geld in das Land bringen. Aber die Summen, die dafuͤr eingehen, reichen ge- wiß nicht hin, zu bezahlen, was die Stadt und das Land zu ſeinem Verbrauch kaufen muß. Denn es hat an vielen Dingen Mangel.
Das wenige Getraide, das hier waͤchſt, iſt fuͤr nichts zu achten, und iſt kaum hinreichend, dem Land- mann ſein noͤthiges Brod zu geben. Alſo muß we- nigſtens alles, was die Stadt braucht, von außen herkommen.
Groſ-
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Tagebuch von einer nach Nizza
in dieſer Gegend ausgegangen ſeyen, davon wiſſe er
keine Beyſpiele.
Auch an Wein wird etwas außer Land gefahren.
Der beſte iſt ein ſehr feiner, hellrother, duͤnner, aber
ziemlich feuriger Wein von feinem Geſchmack. Der
meiſte geht nach Turin; hingegen kommt der gerin-
gere Wein, den hier das gemeine Volk trinkt, meiſt
aus der Provence. Alles zuſammen genommen,
wuͤrde in dieſer Gegend, wenn auch kein Wein aus-
gefuͤhrt wuͤrde, nicht ſo viel wachſen, als da getrun-
ken wird. Denn auch der aͤrmſte Pachter trinkt hier
Wein. Die Buͤrger in der Stadt, die nicht ſelbſt
Guͤter haben, kaufen im Herbſt Weintrauben zuſam-
men, und preſſen ſie ſelbſt, um einen Vorrath fuͤr ihr
Haus zu haben.
Wie betraͤchtlich die Fiſcherey ſeyn moͤchte, habe
ich nicht erfahren. Jch halte ſie aber fuͤr geringe.
Nur der Tonfiſchfang iſt im Fruͤhling bisweilen be-
traͤchtlich; aber er iſt ein Regale des Koͤnigs, das
gegenwaͤrtig auf 6 Jahre fuͤr 60000 Lire verpach-
tet iſt.
Dieſes ſind, ſo viel ich weiß, alle Landesguͤter,
die verfahren werden und Geld in das Land bringen.
Aber die Summen, die dafuͤr eingehen, reichen ge-
wiß nicht hin, zu bezahlen, was die Stadt und das
Land zu ſeinem Verbrauch kaufen muß. Denn es
hat an vielen Dingen Mangel.
Das wenige Getraide, das hier waͤchſt, iſt fuͤr
nichts zu achten, und iſt kaum hinreichend, dem Land-
mann ſein noͤthiges Brod zu geben. Alſo muß we-
nigſtens alles, was die Stadt braucht, von außen
herkommen.
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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