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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
Steinen aufgebaut sind. Dieses ist die alte Art der
ehemaligen römischen Dörfer *). Man wird darin
gar keine zum Behuf des Feldbaues gemachte Anstal-
ten gewahr, auch nirgends keine Scheunen. Das
angenehme ländliche Ansehen, das die Dörfer in an-
dern Ländern insgemein haben, und der grüne Wald
von Obstbäumen, in dem sie liegen, beydes fällt hier
ganz weg. Von weitem sehen diese Dörfer wie
Klumpen nackender und freystehender Felsen aus.

Auch die hieländischen Städte haben für einen
aus Deutschland kommenden von weitem ein ganz
fremdes Ansehen. Die hohen und meist sehr schma-
len Häuser mit sehr flachen Dächern und gar wenigen
Fenstern sind ihm etwas ungewöhnliches. Dabey
vermißt man bey der Aussicht auf Städte die hohen
Thürme, die einigen deutschen Städten von weitem
ein so gutes Ansehen geben.

Was ich auf dieser Reise von Personen vorneh-
mern Standes, als Edelleute, Officiere, Geistliche
gesehen, dergleichen ich täglich mehr oder weniger,
bisweilen zu 20 an einer Tafel in Gasthöfen angetrof-
fen habe, fand ich durchgehends von guter Lebensart.
An den Tafeln in Gasthöfen hört und sieht man nichts,
das nicht den Ton und Anstand ganz guter Gesell-
schaft hätte. Am wenigsten sieht man Leute, die im
Trinken zu viel thäten. Niemand trinkt Wein ohne
Wasser vermischt, es sey denn daß man sich zum
Nachtisch etwa eine Flasche ganz feinen Wein geben
lasse. Dieser wird denn unvermischt getrunken. Ein

Frem-
*) Vicos locant (Germani) non in nostrum morem
connexis et cohaerentibus aedificiis: suam quisque
domum spatio circumdat. Tacit. de Mor. Germ.

gethanen Reiſe.
Steinen aufgebaut ſind. Dieſes iſt die alte Art der
ehemaligen roͤmiſchen Doͤrfer *). Man wird darin
gar keine zum Behuf des Feldbaues gemachte Anſtal-
ten gewahr, auch nirgends keine Scheunen. Das
angenehme laͤndliche Anſehen, das die Doͤrfer in an-
dern Laͤndern insgemein haben, und der gruͤne Wald
von Obſtbaͤumen, in dem ſie liegen, beydes faͤllt hier
ganz weg. Von weitem ſehen dieſe Doͤrfer wie
Klumpen nackender und freyſtehender Felſen aus.

Auch die hielaͤndiſchen Staͤdte haben fuͤr einen
aus Deutſchland kommenden von weitem ein ganz
fremdes Anſehen. Die hohen und meiſt ſehr ſchma-
len Haͤuſer mit ſehr flachen Daͤchern und gar wenigen
Fenſtern ſind ihm etwas ungewoͤhnliches. Dabey
vermißt man bey der Ausſicht auf Staͤdte die hohen
Thuͤrme, die einigen deutſchen Staͤdten von weitem
ein ſo gutes Anſehen geben.

Was ich auf dieſer Reiſe von Perſonen vorneh-
mern Standes, als Edelleute, Officiere, Geiſtliche
geſehen, dergleichen ich taͤglich mehr oder weniger,
bisweilen zu 20 an einer Tafel in Gaſthoͤfen angetrof-
fen habe, fand ich durchgehends von guter Lebensart.
An den Tafeln in Gaſthoͤfen hoͤrt und ſieht man nichts,
das nicht den Ton und Anſtand ganz guter Geſell-
ſchaft haͤtte. Am wenigſten ſieht man Leute, die im
Trinken zu viel thaͤten. Niemand trinkt Wein ohne
Waſſer vermiſcht, es ſey denn daß man ſich zum
Nachtiſch etwa eine Flaſche ganz feinen Wein geben
laſſe. Dieſer wird denn unvermiſcht getrunken. Ein

Frem-
*) Vicos locant (Germani) non in noſtrum morem
connexis et cohaerentibus aedificiis: ſuam quisque
domum ſpatio circumdat. Tacit. de Mor. Germ.
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[175/0195] gethanen Reiſe. Steinen aufgebaut ſind. Dieſes iſt die alte Art der ehemaligen roͤmiſchen Doͤrfer *). Man wird darin gar keine zum Behuf des Feldbaues gemachte Anſtal- ten gewahr, auch nirgends keine Scheunen. Das angenehme laͤndliche Anſehen, das die Doͤrfer in an- dern Laͤndern insgemein haben, und der gruͤne Wald von Obſtbaͤumen, in dem ſie liegen, beydes faͤllt hier ganz weg. Von weitem ſehen dieſe Doͤrfer wie Klumpen nackender und freyſtehender Felſen aus. Auch die hielaͤndiſchen Staͤdte haben fuͤr einen aus Deutſchland kommenden von weitem ein ganz fremdes Anſehen. Die hohen und meiſt ſehr ſchma- len Haͤuſer mit ſehr flachen Daͤchern und gar wenigen Fenſtern ſind ihm etwas ungewoͤhnliches. Dabey vermißt man bey der Ausſicht auf Staͤdte die hohen Thuͤrme, die einigen deutſchen Staͤdten von weitem ein ſo gutes Anſehen geben. Was ich auf dieſer Reiſe von Perſonen vorneh- mern Standes, als Edelleute, Officiere, Geiſtliche geſehen, dergleichen ich taͤglich mehr oder weniger, bisweilen zu 20 an einer Tafel in Gaſthoͤfen angetrof- fen habe, fand ich durchgehends von guter Lebensart. An den Tafeln in Gaſthoͤfen hoͤrt und ſieht man nichts, das nicht den Ton und Anſtand ganz guter Geſell- ſchaft haͤtte. Am wenigſten ſieht man Leute, die im Trinken zu viel thaͤten. Niemand trinkt Wein ohne Waſſer vermiſcht, es ſey denn daß man ſich zum Nachtiſch etwa eine Flaſche ganz feinen Wein geben laſſe. Dieſer wird denn unvermiſcht getrunken. Ein Frem- *) Vicos locant (Germani) non in noſtrum morem connexis et cohaerentibus aedificiis: ſuam quisque domum ſpatio circumdat. Tacit. de Mor. Germ.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/195>, abgerufen am 23.11.2024.