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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
Bäumen zerstreut antraf, weil jetzt die Oliven einge-
sammelt wurden. Diese unter den Bäumen zerstreu-
ten Familien erweckten bey mir die Vorstellung ei-
nes in einem glücklichen Clima, blos unter Bäumen
wohnenden, und familienweise durch das Land zer-
streuten im Stande der Natur lebenden Volkes.

Bey dieser Gelegenheit fällt es mir ein, anzumer-
ken, daß der große Unterschied, der sich in der Güte
des Oels findet, weniger von der Beschaffenheit der
Bäume oder Früchte und des Bodens, als von der
Art, die Oliven zu sammeln und hernach zu behan-
deln, herkomme. Zum ganz feinen Tafelöl werden
die Oliven, ehe sie den letzten Grad der Reife erreicht
haben, sorgfältig gepflückt, sehr reinlich behandelt,
und nur schwach und ganz kalt ausgepreßt. Ueberall,
wo dieses in Acht genommen wird, bekommt man gu-
tes Oel.

Aber der gemeine Landmann beobachtet diese
Sorgfalt mit seinen Oliven nicht. Ein Theil wird
überreif und fällt ab, bleibt so lange unter den Bäu-
men liegen, bis auch die spätern reif sind, und
kommt da schon in Gährung. Die andern wer-
den mit Stangen heruntergeschlagen und abgeschüttelt.
Die Familie, jung und alt, liest sie zusammen; dann
bleiben sie bisweilen zu Hause noch lange übereinander
liegen. Das Pressen geschieht auch nur so, daß man
auf die Menge sieht. Es wird kochend Wasser beym
Pressen über die zerquetschten Oliven gegossen, um
das Oel etwas flüßiger zu machen. Das nach der er-
sten Presse übriggebliebene Mark wird auch nochmals
mit kochendem Wasser übergossen, und wieder ge-
preßt, und dieses Oel, das Huile infernale genennt

wird,

Tagebuch von einer nach Nizza
Baͤumen zerſtreut antraf, weil jetzt die Oliven einge-
ſammelt wurden. Dieſe unter den Baͤumen zerſtreu-
ten Familien erweckten bey mir die Vorſtellung ei-
nes in einem gluͤcklichen Clima, blos unter Baͤumen
wohnenden, und familienweiſe durch das Land zer-
ſtreuten im Stande der Natur lebenden Volkes.

Bey dieſer Gelegenheit faͤllt es mir ein, anzumer-
ken, daß der große Unterſchied, der ſich in der Guͤte
des Oels findet, weniger von der Beſchaffenheit der
Baͤume oder Fruͤchte und des Bodens, als von der
Art, die Oliven zu ſammeln und hernach zu behan-
deln, herkomme. Zum ganz feinen Tafeloͤl werden
die Oliven, ehe ſie den letzten Grad der Reife erreicht
haben, ſorgfaͤltig gepfluͤckt, ſehr reinlich behandelt,
und nur ſchwach und ganz kalt ausgepreßt. Ueberall,
wo dieſes in Acht genommen wird, bekommt man gu-
tes Oel.

Aber der gemeine Landmann beobachtet dieſe
Sorgfalt mit ſeinen Oliven nicht. Ein Theil wird
uͤberreif und faͤllt ab, bleibt ſo lange unter den Baͤu-
men liegen, bis auch die ſpaͤtern reif ſind, und
kommt da ſchon in Gaͤhrung. Die andern wer-
den mit Stangen heruntergeſchlagen und abgeſchuͤttelt.
Die Familie, jung und alt, lieſt ſie zuſammen; dann
bleiben ſie bisweilen zu Hauſe noch lange uͤbereinander
liegen. Das Preſſen geſchieht auch nur ſo, daß man
auf die Menge ſieht. Es wird kochend Waſſer beym
Preſſen uͤber die zerquetſchten Oliven gegoſſen, um
das Oel etwas fluͤßiger zu machen. Das nach der er-
ſten Preſſe uͤbriggebliebene Mark wird auch nochmals
mit kochendem Waſſer uͤbergoſſen, und wieder ge-
preßt, und dieſes Oel, das Huile infernale genennt

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[158/0178] Tagebuch von einer nach Nizza Baͤumen zerſtreut antraf, weil jetzt die Oliven einge- ſammelt wurden. Dieſe unter den Baͤumen zerſtreu- ten Familien erweckten bey mir die Vorſtellung ei- nes in einem gluͤcklichen Clima, blos unter Baͤumen wohnenden, und familienweiſe durch das Land zer- ſtreuten im Stande der Natur lebenden Volkes. Bey dieſer Gelegenheit faͤllt es mir ein, anzumer- ken, daß der große Unterſchied, der ſich in der Guͤte des Oels findet, weniger von der Beſchaffenheit der Baͤume oder Fruͤchte und des Bodens, als von der Art, die Oliven zu ſammeln und hernach zu behan- deln, herkomme. Zum ganz feinen Tafeloͤl werden die Oliven, ehe ſie den letzten Grad der Reife erreicht haben, ſorgfaͤltig gepfluͤckt, ſehr reinlich behandelt, und nur ſchwach und ganz kalt ausgepreßt. Ueberall, wo dieſes in Acht genommen wird, bekommt man gu- tes Oel. Aber der gemeine Landmann beobachtet dieſe Sorgfalt mit ſeinen Oliven nicht. Ein Theil wird uͤberreif und faͤllt ab, bleibt ſo lange unter den Baͤu- men liegen, bis auch die ſpaͤtern reif ſind, und kommt da ſchon in Gaͤhrung. Die andern wer- den mit Stangen heruntergeſchlagen und abgeſchuͤttelt. Die Familie, jung und alt, lieſt ſie zuſammen; dann bleiben ſie bisweilen zu Hauſe noch lange uͤbereinander liegen. Das Preſſen geſchieht auch nur ſo, daß man auf die Menge ſieht. Es wird kochend Waſſer beym Preſſen uͤber die zerquetſchten Oliven gegoſſen, um das Oel etwas fluͤßiger zu machen. Das nach der er- ſten Preſſe uͤbriggebliebene Mark wird auch nochmals mit kochendem Waſſer uͤbergoſſen, und wieder ge- preßt, und dieſes Oel, das Huile infernale genennt wird,

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/178>, abgerufen am 24.11.2024.