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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
das beständig anhaltende Husten aus den Logen und
dem Parterre die Schauspieler überstimmte. Jch
durfte mich also nur in der Mittagsstunde, um welche
Zeit es immer schön warm war, in die Luft wagen.
Dessen ungeachtet hätte ich doch mehr sehen und erfah-
ren können, wenn ich jemanden bey der Hand gehabt
hätte, um mich in Gesellschaften zu führen. Es
mangelte mir aber dazu an Addressen, wodurch ich
mir hätte Bekanntschaften machen können. Wer sich
den Aufenthalt an so großen Orten recht zu Nutze ma-
chen will, muß sich nicht begnügen, Empfehlungs-
schreiben an Kaufleute bey sich zu haben. Es ist un-
umgänglich nöthig, daß man Personen, die weniger
beschäfftiget sind, und die mit dem vornehmern Theil
der Einwohner in Bekanntschaft stehen, empfohlen
werde. Man genießt zwar in den Handlungshäusern
alle mögliche Höflichkeit; aber man erfährt durch sie
selten, was man am meisten zu wissen verlangt, und
kommt auch durch sie in keine andre Gesellschaften, als
die von ihrem Stande sind. Dazu kommt noch, daß
sie, alles guten Willens gegen einen Fremden unge-
achtet, nicht Zeit haben, ihn den ganzen Tag über
zu begleiten, welches doch nöthig wäre.

Jch habe demnach von den hiesigen Einwohnern,
ihrer Lebensart und ihrem Charakter nichts erfahren,
oder selbst gesehen. Das Wenige, was ich sonst an
diesem merkwürdigen Orte gesehen habe, will ich hier
anzeigen.

Die Seeküste, an der Marseille liegt, läuft ge-
rade von Norden nach Süden hin, und eine große
Bucht liegt an der Abendseite dieser Küste; von dieser
Bucht aber ist der räumliche und beynahe runde Ha-

fen
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gethanen Reiſe.
das beſtaͤndig anhaltende Huſten aus den Logen und
dem Parterre die Schauſpieler uͤberſtimmte. Jch
durfte mich alſo nur in der Mittagsſtunde, um welche
Zeit es immer ſchoͤn warm war, in die Luft wagen.
Deſſen ungeachtet haͤtte ich doch mehr ſehen und erfah-
ren koͤnnen, wenn ich jemanden bey der Hand gehabt
haͤtte, um mich in Geſellſchaften zu fuͤhren. Es
mangelte mir aber dazu an Addreſſen, wodurch ich
mir haͤtte Bekanntſchaften machen koͤnnen. Wer ſich
den Aufenthalt an ſo großen Orten recht zu Nutze ma-
chen will, muß ſich nicht begnuͤgen, Empfehlungs-
ſchreiben an Kaufleute bey ſich zu haben. Es iſt un-
umgaͤnglich noͤthig, daß man Perſonen, die weniger
beſchaͤfftiget ſind, und die mit dem vornehmern Theil
der Einwohner in Bekanntſchaft ſtehen, empfohlen
werde. Man genießt zwar in den Handlungshaͤuſern
alle moͤgliche Hoͤflichkeit; aber man erfaͤhrt durch ſie
ſelten, was man am meiſten zu wiſſen verlangt, und
kommt auch durch ſie in keine andre Geſellſchaften, als
die von ihrem Stande ſind. Dazu kommt noch, daß
ſie, alles guten Willens gegen einen Fremden unge-
achtet, nicht Zeit haben, ihn den ganzen Tag uͤber
zu begleiten, welches doch noͤthig waͤre.

Jch habe demnach von den hieſigen Einwohnern,
ihrer Lebensart und ihrem Charakter nichts erfahren,
oder ſelbſt geſehen. Das Wenige, was ich ſonſt an
dieſem merkwuͤrdigen Orte geſehen habe, will ich hier
anzeigen.

Die Seekuͤſte, an der Marſeille liegt, laͤuft ge-
rade von Norden nach Suͤden hin, und eine große
Bucht liegt an der Abendſeite dieſer Kuͤſte; von dieſer
Bucht aber iſt der raͤumliche und beynahe runde Ha-

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[117/0137] gethanen Reiſe. das beſtaͤndig anhaltende Huſten aus den Logen und dem Parterre die Schauſpieler uͤberſtimmte. Jch durfte mich alſo nur in der Mittagsſtunde, um welche Zeit es immer ſchoͤn warm war, in die Luft wagen. Deſſen ungeachtet haͤtte ich doch mehr ſehen und erfah- ren koͤnnen, wenn ich jemanden bey der Hand gehabt haͤtte, um mich in Geſellſchaften zu fuͤhren. Es mangelte mir aber dazu an Addreſſen, wodurch ich mir haͤtte Bekanntſchaften machen koͤnnen. Wer ſich den Aufenthalt an ſo großen Orten recht zu Nutze ma- chen will, muß ſich nicht begnuͤgen, Empfehlungs- ſchreiben an Kaufleute bey ſich zu haben. Es iſt un- umgaͤnglich noͤthig, daß man Perſonen, die weniger beſchaͤfftiget ſind, und die mit dem vornehmern Theil der Einwohner in Bekanntſchaft ſtehen, empfohlen werde. Man genießt zwar in den Handlungshaͤuſern alle moͤgliche Hoͤflichkeit; aber man erfaͤhrt durch ſie ſelten, was man am meiſten zu wiſſen verlangt, und kommt auch durch ſie in keine andre Geſellſchaften, als die von ihrem Stande ſind. Dazu kommt noch, daß ſie, alles guten Willens gegen einen Fremden unge- achtet, nicht Zeit haben, ihn den ganzen Tag uͤber zu begleiten, welches doch noͤthig waͤre. Jch habe demnach von den hieſigen Einwohnern, ihrer Lebensart und ihrem Charakter nichts erfahren, oder ſelbſt geſehen. Das Wenige, was ich ſonſt an dieſem merkwuͤrdigen Orte geſehen habe, will ich hier anzeigen. Die Seekuͤſte, an der Marſeille liegt, laͤuft ge- rade von Norden nach Suͤden hin, und eine große Bucht liegt an der Abendſeite dieſer Kuͤſte; von dieſer Bucht aber iſt der raͤumliche und beynahe runde Ha- fen H 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/137>, abgerufen am 22.11.2024.