Der Weg von hier nach Marseille ist uneben,Aussicht ge- gen Marseille geht bald über hohes Land, bald durch niedrigere Gründe immer über Felsen von Kalkstein, die bald ganz bloß, bald mit etwas Erde bedeckt sind. Nur die Tiefen sind fruchtbar, und dann um so viel ange- nehmer, weil sie mit dürrem und ganz kahlem Lande um- geben sind. Wenn man bis auf etwa eine Meile ge- gen Marseille angerückt ist, fährt man hernach be- ständig von der Höhe herunter. Da wird denn die Aussicht ganz prächtig; denn die Stadt ist auf zwey Drittheile ihres Umkreises an der östlichen und nordöst- lichen Seite mit hohen Bergen und einer großen Men- ge kleiner Hügel umgeben, und diese Hügel sind so mit Landhäusern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen von weitem wie eine un- ermeßliche Vorstadt von Häusern und Gärten aussie- het. Jn der Mitte dieser prächtigen Landschaft liegt die Stadt, theils an der Höhe der neben stehenden Berge, theils in der Tiefe und um den Hafen herum. Die hohen Felsen am Eingange des Hafens, und die darauf gebauten Forts, verschiedene außerhalb des Ha- fens in der Bucht liegende hohe, auch mit Schlössern besetzte Jnseln, das dazwischen liegende Gewässer, und die Menge kleiner und größerer aus- und einfah- render Fahrzeuge und Schiffe geben diesem großen und prächtigen Gemälde ein Leben und eine Mannichfal- tigkeit, daß man es ohne Erstaunen nicht ansehen kann.
Gegen Mittag wurde die Hitze beträchtlich, und der Weg wegen des gewaltigen Kalkstaubes, der sich von den Straßen erhebt, sehr beschwerlich. Es wird auf diesem Kalksteinboden so viel gefahren, daß noth-
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gethanen Reiſe.
Der Weg von hier nach Marſeille iſt uneben,Ausſicht ge- gen Marſeille geht bald uͤber hohes Land, bald durch niedrigere Gruͤnde immer uͤber Felſen von Kalkſtein, die bald ganz bloß, bald mit etwas Erde bedeckt ſind. Nur die Tiefen ſind fruchtbar, und dann um ſo viel ange- nehmer, weil ſie mit duͤrrem und ganz kahlem Lande um- geben ſind. Wenn man bis auf etwa eine Meile ge- gen Marſeille angeruͤckt iſt, faͤhrt man hernach be- ſtaͤndig von der Hoͤhe herunter. Da wird denn die Ausſicht ganz praͤchtig; denn die Stadt iſt auf zwey Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſt- lichen Seite mit hohen Bergen und einer großen Men- ge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo mit Landhaͤuſern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen von weitem wie eine un- ermeßliche Vorſtadt von Haͤuſern und Gaͤrten ausſie- het. Jn der Mitte dieſer praͤchtigen Landſchaft liegt die Stadt, theils an der Hoͤhe der neben ſtehenden Berge, theils in der Tiefe und um den Hafen herum. Die hohen Felſen am Eingange des Hafens, und die darauf gebauten Forts, verſchiedene außerhalb des Ha- fens in der Bucht liegende hohe, auch mit Schloͤſſern beſetzte Jnſeln, das dazwiſchen liegende Gewaͤſſer, und die Menge kleiner und groͤßerer aus- und einfah- render Fahrzeuge und Schiffe geben dieſem großen und praͤchtigen Gemaͤlde ein Leben und eine Mannichfal- tigkeit, daß man es ohne Erſtaunen nicht anſehen kann.
Gegen Mittag wurde die Hitze betraͤchtlich, und der Weg wegen des gewaltigen Kalkſtaubes, der ſich von den Straßen erhebt, ſehr beſchwerlich. Es wird auf dieſem Kalkſteinboden ſo viel gefahren, daß noth-
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gethanen Reiſe.
Der Weg von hier nach Marſeille iſt uneben,
geht bald uͤber hohes Land, bald durch niedrigere
Gruͤnde immer uͤber Felſen von Kalkſtein, die bald
ganz bloß, bald mit etwas Erde bedeckt ſind. Nur
die Tiefen ſind fruchtbar, und dann um ſo viel ange-
nehmer, weil ſie mit duͤrrem und ganz kahlem Lande um-
geben ſind. Wenn man bis auf etwa eine Meile ge-
gen Marſeille angeruͤckt iſt, faͤhrt man hernach be-
ſtaͤndig von der Hoͤhe herunter. Da wird denn die
Ausſicht ganz praͤchtig; denn die Stadt iſt auf zwey
Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſt-
lichen Seite mit hohen Bergen und einer großen Men-
ge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo
mit Landhaͤuſern bebaut, daß die Gegend von einem
Umkreis von etlichen Meilen von weitem wie eine un-
ermeßliche Vorſtadt von Haͤuſern und Gaͤrten ausſie-
het. Jn der Mitte dieſer praͤchtigen Landſchaft liegt
die Stadt, theils an der Hoͤhe der neben ſtehenden
Berge, theils in der Tiefe und um den Hafen herum.
Die hohen Felſen am Eingange des Hafens, und die
darauf gebauten Forts, verſchiedene außerhalb des Ha-
fens in der Bucht liegende hohe, auch mit Schloͤſſern
beſetzte Jnſeln, das dazwiſchen liegende Gewaͤſſer,
und die Menge kleiner und groͤßerer aus- und einfah-
render Fahrzeuge und Schiffe geben dieſem großen und
praͤchtigen Gemaͤlde ein Leben und eine Mannichfal-
tigkeit, daß man es ohne Erſtaunen nicht anſehen
kann.
Ausſicht ge-
gen Marſeille
Gegen Mittag wurde die Hitze betraͤchtlich, und
der Weg wegen des gewaltigen Kalkſtaubes, der ſich
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/133>, abgerufen am 22.11.2024.
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