Mein Weg gieng eigentlich von Lambesc nach Aix, der Hauptstadt dieser Provinz. Jch verließ aber die Landstraße ein paar Stunden unter Lambesc, um auf das Schloß Aiguille zu kommen, weil ich diese Gelegenheit nicht versäumen wollte, die Wittwe meines verstorbenen Freundes, des Marquis d'Ar- gens, zu besuchen, die sich dort aufhält. Sie war zum Glück erst seit wenig Tagen wieder auf ihrem hie- sigen Wittwensitz angekommen, und bezeigte mir eine große Freude, einen alten, so weit weg wohnenden Bekannten so unvermuthet wieder zu sehen, nöthig- te mich auch inständig, ein paar Tage bey ihr zu blei- ben, welches ich aber nicht annehmen konnte. Der Präsident d'Aiguille, Bruder des verstorbenen Marquis, war abwesend.
Die Marquise sagte mir, daß sie sich einige Zeit in Aix aufgehalten, um daselbst in der Kirche der Minimes, wo die Familie ein Erbbegräbniß hat, das Grabmal aufrichten zu lassen, wozu der König von Preußen die Kosten hergegeben hatte, und daß das Monument jetzt bis auf die Aufschrift, die der König darauf zu setzen verordnet, fertig sey. Diese Auf- schrift sollte nur aus zwey Worten bestehen:
Veritatis amicus Erroris inimicus.
Einige Wochen hernach, als ich schon in Nizza war, schrieb mir die Marquise, daß man sich ihre Ab- wesenheit von Aix zu Nutze gemacht habe, um, an- statt gedachter Aufschrift, eine ganz andere auf das Monument zu setzen. Diese ist freylich in einem ganz andern Ton, und lautet also:
Instan-
Tagebuch von einer nach Nizza
Schloß Aiguille.
Mein Weg gieng eigentlich von Lambeſc nach Aix, der Hauptſtadt dieſer Provinz. Jch verließ aber die Landſtraße ein paar Stunden unter Lambeſc, um auf das Schloß Aiguille zu kommen, weil ich dieſe Gelegenheit nicht verſaͤumen wollte, die Wittwe meines verſtorbenen Freundes, des Marquis d'Ar- gens, zu beſuchen, die ſich dort aufhaͤlt. Sie war zum Gluͤck erſt ſeit wenig Tagen wieder auf ihrem hie- ſigen Wittwenſitz angekommen, und bezeigte mir eine große Freude, einen alten, ſo weit weg wohnenden Bekannten ſo unvermuthet wieder zu ſehen, noͤthig- te mich auch inſtaͤndig, ein paar Tage bey ihr zu blei- ben, welches ich aber nicht annehmen konnte. Der Praͤſident d'Aiguille, Bruder des verſtorbenen Marquis, war abweſend.
Die Marquiſe ſagte mir, daß ſie ſich einige Zeit in Aix aufgehalten, um daſelbſt in der Kirche der Minimes, wo die Familie ein Erbbegraͤbniß hat, das Grabmal aufrichten zu laſſen, wozu der Koͤnig von Preußen die Koſten hergegeben hatte, und daß das Monument jetzt bis auf die Aufſchrift, die der Koͤnig darauf zu ſetzen verordnet, fertig ſey. Dieſe Auf- ſchrift ſollte nur aus zwey Worten beſtehen:
Veritatis amicus Erroris inimicus.
Einige Wochen hernach, als ich ſchon in Nizza war, ſchrieb mir die Marquiſe, daß man ſich ihre Ab- weſenheit von Aix zu Nutze gemacht habe, um, an- ſtatt gedachter Aufſchrift, eine ganz andere auf das Monument zu ſetzen. Dieſe iſt freylich in einem ganz andern Ton, und lautet alſo:
Inſtan-
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><pbfacs="#f0130"n="110"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/><noteplace="left">Schloß<lb/>
Aiguille.</note><p>Mein Weg gieng eigentlich von <hirendition="#fr">Lambeſc</hi> nach<lb/><hirendition="#fr">Aix,</hi> der Hauptſtadt dieſer Provinz. Jch verließ<lb/>
aber die Landſtraße ein paar Stunden unter <hirendition="#fr">Lambeſc,</hi><lb/>
um auf das Schloß <hirendition="#fr">Aiguille</hi> zu kommen, weil ich<lb/>
dieſe Gelegenheit nicht verſaͤumen wollte, die Wittwe<lb/>
meines verſtorbenen Freundes, des Marquis <hirendition="#fr">d'Ar-<lb/>
gens,</hi> zu beſuchen, die ſich dort aufhaͤlt. Sie war<lb/>
zum Gluͤck erſt ſeit wenig Tagen wieder auf ihrem hie-<lb/>ſigen Wittwenſitz angekommen, und bezeigte mir eine<lb/>
große Freude, einen alten, ſo weit weg wohnenden<lb/>
Bekannten ſo unvermuthet wieder zu ſehen, noͤthig-<lb/>
te mich auch inſtaͤndig, ein paar Tage bey ihr zu blei-<lb/>
ben, welches ich aber nicht annehmen konnte. Der<lb/>
Praͤſident <hirendition="#fr">d'Aiguille,</hi> Bruder des verſtorbenen<lb/>
Marquis, war abweſend.</p><lb/><p>Die Marquiſe ſagte mir, daß ſie ſich einige Zeit<lb/>
in <hirendition="#fr">Aix</hi> aufgehalten, um daſelbſt in der Kirche der<lb/><hirendition="#fr">Minimes,</hi> wo die Familie ein Erbbegraͤbniß hat,<lb/>
das Grabmal aufrichten zu laſſen, wozu der <hirendition="#fr">Koͤnig<lb/>
von Preußen</hi> die Koſten hergegeben hatte, und daß<lb/>
das Monument jetzt bis auf die Aufſchrift, die der Koͤnig<lb/>
darauf zu ſetzen verordnet, fertig ſey. Dieſe Auf-<lb/>ſchrift ſollte nur aus zwey Worten beſtehen:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq">Veritatis amicus</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Erroris inimicus.</hi></l></lg><lb/><p>Einige Wochen hernach, als ich ſchon in <hirendition="#fr">Nizza</hi><lb/>
war, ſchrieb mir die Marquiſe, daß man ſich ihre Ab-<lb/>
weſenheit von <hirendition="#fr">Aix</hi> zu Nutze gemacht habe, um, an-<lb/>ſtatt gedachter Aufſchrift, eine ganz andere auf das<lb/>
Monument zu ſetzen. Dieſe iſt freylich in einem<lb/>
ganz andern Ton, und lautet alſo:</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">Inſtan-</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[110/0130]
Tagebuch von einer nach Nizza
Mein Weg gieng eigentlich von Lambeſc nach
Aix, der Hauptſtadt dieſer Provinz. Jch verließ
aber die Landſtraße ein paar Stunden unter Lambeſc,
um auf das Schloß Aiguille zu kommen, weil ich
dieſe Gelegenheit nicht verſaͤumen wollte, die Wittwe
meines verſtorbenen Freundes, des Marquis d'Ar-
gens, zu beſuchen, die ſich dort aufhaͤlt. Sie war
zum Gluͤck erſt ſeit wenig Tagen wieder auf ihrem hie-
ſigen Wittwenſitz angekommen, und bezeigte mir eine
große Freude, einen alten, ſo weit weg wohnenden
Bekannten ſo unvermuthet wieder zu ſehen, noͤthig-
te mich auch inſtaͤndig, ein paar Tage bey ihr zu blei-
ben, welches ich aber nicht annehmen konnte. Der
Praͤſident d'Aiguille, Bruder des verſtorbenen
Marquis, war abweſend.
Die Marquiſe ſagte mir, daß ſie ſich einige Zeit
in Aix aufgehalten, um daſelbſt in der Kirche der
Minimes, wo die Familie ein Erbbegraͤbniß hat,
das Grabmal aufrichten zu laſſen, wozu der Koͤnig
von Preußen die Koſten hergegeben hatte, und daß
das Monument jetzt bis auf die Aufſchrift, die der Koͤnig
darauf zu ſetzen verordnet, fertig ſey. Dieſe Auf-
ſchrift ſollte nur aus zwey Worten beſtehen:
Veritatis amicus
Erroris inimicus.
Einige Wochen hernach, als ich ſchon in Nizza
war, ſchrieb mir die Marquiſe, daß man ſich ihre Ab-
weſenheit von Aix zu Nutze gemacht habe, um, an-
ſtatt gedachter Aufſchrift, eine ganz andere auf das
Monument zu ſetzen. Dieſe iſt freylich in einem
ganz andern Ton, und lautet alſo:
Inſtan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/130>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.