seits derselben liegende Land hat, ist im höchsten Gra- de malerisch.
Auf der Morgenseite der Stadt liegt eine weite und fruchtbare Ebene, die aus Aeckern, Wiesen, Weinfeldern und Baumschulen besteht. Es befrem- dete mich doch, in der so fruchtbaren und schönen an die Stadt stoßenden Ebene weder Lustgärten noch kleine Landhäuser zu sehen. Ein deutlicher Beweis, daß die Einwohner mehr auf den gesellschaftlichen Zeit- vertreib in der Stadt, als auf das Vergnügen des Landlebens halten.
Ein Liebhaber der französischen Litteratur findet in Avignon seine Rechnung, wegen der vielen wohl versehenen Buchläden, wo man die meisten Bücher in viel geringern Preisen kaufen kann, als in den französischen Städten. Die französischen Buchhänd- ler lassen gar viel Bücher hier drucken, weil die Ko- sten des Papiers und des Drucks hier weit geringer, als an andern Orten sind.
Jn der Mittagsstunde reiste ich von hier ab, um noch heute nach Orgon zu kommen. Das Land ist ein paar Stunden weit von hier aus eben, fruchtbar und sehr angenehm, ohngefähr zu gleichen Theilen in Korn- und Weinfelder eingetheilt. Bey Avignon sind die Aecker mit hohen Maulbeerbäumen einge- faßt, welches dem Lande ein artiges Ansehen giebt; die Landstraße aber ist mit Weiden und Pappeln be- setzt, welches hier und in andern Gegenden der Pro- vence der Holzung halber geschieht; denn das Holz ist in diesem Lande sehr rar. Obstbäume sind hier was seltenes.
Auf
G 4
gethanen Reiſe.
ſeits derſelben liegende Land hat, iſt im hoͤchſten Gra- de maleriſch.
Auf der Morgenſeite der Stadt liegt eine weite und fruchtbare Ebene, die aus Aeckern, Wieſen, Weinfeldern und Baumſchulen beſteht. Es befrem- dete mich doch, in der ſo fruchtbaren und ſchoͤnen an die Stadt ſtoßenden Ebene weder Luſtgaͤrten noch kleine Landhaͤuſer zu ſehen. Ein deutlicher Beweis, daß die Einwohner mehr auf den geſellſchaftlichen Zeit- vertreib in der Stadt, als auf das Vergnuͤgen des Landlebens halten.
Ein Liebhaber der franzoͤſiſchen Litteratur findet in Avignon ſeine Rechnung, wegen der vielen wohl verſehenen Buchlaͤden, wo man die meiſten Buͤcher in viel geringern Preiſen kaufen kann, als in den franzoͤſiſchen Staͤdten. Die franzoͤſiſchen Buchhaͤnd- ler laſſen gar viel Buͤcher hier drucken, weil die Ko- ſten des Papiers und des Drucks hier weit geringer, als an andern Orten ſind.
Jn der Mittagsſtunde reiſte ich von hier ab, um noch heute nach Orgon zu kommen. Das Land iſt ein paar Stunden weit von hier aus eben, fruchtbar und ſehr angenehm, ohngefaͤhr zu gleichen Theilen in Korn- und Weinfelder eingetheilt. Bey Avignon ſind die Aecker mit hohen Maulbeerbaͤumen einge- faßt, welches dem Lande ein artiges Anſehen giebt; die Landſtraße aber iſt mit Weiden und Pappeln be- ſetzt, welches hier und in andern Gegenden der Pro- vence der Holzung halber geſchieht; denn das Holz iſt in dieſem Lande ſehr rar. Obſtbaͤume ſind hier was ſeltenes.
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gethanen Reiſe.
ſeits derſelben liegende Land hat, iſt im hoͤchſten Gra-
de maleriſch.
Auf der Morgenſeite der Stadt liegt eine weite
und fruchtbare Ebene, die aus Aeckern, Wieſen,
Weinfeldern und Baumſchulen beſteht. Es befrem-
dete mich doch, in der ſo fruchtbaren und ſchoͤnen an
die Stadt ſtoßenden Ebene weder Luſtgaͤrten noch
kleine Landhaͤuſer zu ſehen. Ein deutlicher Beweis,
daß die Einwohner mehr auf den geſellſchaftlichen Zeit-
vertreib in der Stadt, als auf das Vergnuͤgen des
Landlebens halten.
Ein Liebhaber der franzoͤſiſchen Litteratur findet in
Avignon ſeine Rechnung, wegen der vielen wohl
verſehenen Buchlaͤden, wo man die meiſten Buͤcher
in viel geringern Preiſen kaufen kann, als in den
franzoͤſiſchen Staͤdten. Die franzoͤſiſchen Buchhaͤnd-
ler laſſen gar viel Buͤcher hier drucken, weil die Ko-
ſten des Papiers und des Drucks hier weit geringer,
als an andern Orten ſind.
Jn der Mittagsſtunde reiſte ich von hier ab, um
noch heute nach Orgon zu kommen. Das Land iſt
ein paar Stunden weit von hier aus eben, fruchtbar
und ſehr angenehm, ohngefaͤhr zu gleichen Theilen in
Korn- und Weinfelder eingetheilt. Bey Avignon
ſind die Aecker mit hohen Maulbeerbaͤumen einge-
faßt, welches dem Lande ein artiges Anſehen giebt;
die Landſtraße aber iſt mit Weiden und Pappeln be-
ſetzt, welches hier und in andern Gegenden der Pro-
vence der Holzung halber geſchieht; denn das Holz iſt
in dieſem Lande ſehr rar. Obſtbaͤume ſind hier was
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/123>, abgerufen am 22.11.2024.
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