Sie stehen so dicht neben der Stadt, daß einige et- was vorstehende einzelne Hügel noch mit in den Be- zirk derselben eingeschlossen sind. Ein enger sehr me- lancholischer Weg geht zwischen der Stadt und diesen Bergen hin, die ein sehr wildes und trauriges Anse- hen haben. Dadurch aber ist die Stadt vor den rau- hen aus den Gebürgen kommenden Ostwinden völlig gedeckt.
Desto ergötzender ist die Aussicht von dem hohen Ufer der Rhone an der Abendseite der Stadt auf den Fluß, das gegenüber liegende und durch eine Brücke mit Vienne verbundene Ste. Colombe, und die schö- nen am rechten Ufer liegenden Hügel und Weinberge. Man hat also hier eine melancholische Wüste auf der einen, und eine erquickende Gegend auf der andern Sei- te der Stadt.
Zwischen der Vorstadt, durch die man von Lyon aus nach Vienne kommt, und der Stadt rauschet ein wilder Bach nach der Rhone hin, an welchem verschiedene Gerbereyen, Papiermühlen und andere nützliche Werke angelegt sind. Die Stadt selbst ist von finsterm melancholischen Ansehen, hat sehr enge und zum Theil ekelhafte Straßen, so daß man froh wird, wieder zum Thor herauszukommen. Ange- nehmer ist die Vorstadt, wo ich auch abgetreten war. Es war mir zu spät, die verschiedenen in der Stadt befindlichen römischen Alterthümer zu be- sehen.
Den
Tagebuch von einer nach Nizza
Sie ſtehen ſo dicht neben der Stadt, daß einige et- was vorſtehende einzelne Huͤgel noch mit in den Be- zirk derſelben eingeſchloſſen ſind. Ein enger ſehr me- lancholiſcher Weg geht zwiſchen der Stadt und dieſen Bergen hin, die ein ſehr wildes und trauriges Anſe- hen haben. Dadurch aber iſt die Stadt vor den rau- hen aus den Gebuͤrgen kommenden Oſtwinden voͤllig gedeckt.
Deſto ergoͤtzender iſt die Ausſicht von dem hohen Ufer der Rhone an der Abendſeite der Stadt auf den Fluß, das gegenuͤber liegende und durch eine Bruͤcke mit Vienne verbundene Ste. Colombe, und die ſchoͤ- nen am rechten Ufer liegenden Huͤgel und Weinberge. Man hat alſo hier eine melancholiſche Wuͤſte auf der einen, und eine erquickende Gegend auf der andern Sei- te der Stadt.
Zwiſchen der Vorſtadt, durch die man von Lyon aus nach Vienne kommt, und der Stadt rauſchet ein wilder Bach nach der Rhone hin, an welchem verſchiedene Gerbereyen, Papiermuͤhlen und andere nuͤtzliche Werke angelegt ſind. Die Stadt ſelbſt iſt von finſterm melancholiſchen Anſehen, hat ſehr enge und zum Theil ekelhafte Straßen, ſo daß man froh wird, wieder zum Thor herauszukommen. Ange- nehmer iſt die Vorſtadt, wo ich auch abgetreten war. Es war mir zu ſpaͤt, die verſchiedenen in der Stadt befindlichen roͤmiſchen Alterthuͤmer zu be- ſehen.
Den
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[84/0104]
Tagebuch von einer nach Nizza
Sie ſtehen ſo dicht neben der Stadt, daß einige et-
was vorſtehende einzelne Huͤgel noch mit in den Be-
zirk derſelben eingeſchloſſen ſind. Ein enger ſehr me-
lancholiſcher Weg geht zwiſchen der Stadt und dieſen
Bergen hin, die ein ſehr wildes und trauriges Anſe-
hen haben. Dadurch aber iſt die Stadt vor den rau-
hen aus den Gebuͤrgen kommenden Oſtwinden voͤllig
gedeckt.
Deſto ergoͤtzender iſt die Ausſicht von dem hohen
Ufer der Rhone an der Abendſeite der Stadt auf den
Fluß, das gegenuͤber liegende und durch eine Bruͤcke
mit Vienne verbundene Ste. Colombe, und die ſchoͤ-
nen am rechten Ufer liegenden Huͤgel und Weinberge.
Man hat alſo hier eine melancholiſche Wuͤſte auf der
einen, und eine erquickende Gegend auf der andern Sei-
te der Stadt.
Zwiſchen der Vorſtadt, durch die man von Lyon
aus nach Vienne kommt, und der Stadt rauſchet
ein wilder Bach nach der Rhone hin, an welchem
verſchiedene Gerbereyen, Papiermuͤhlen und andere
nuͤtzliche Werke angelegt ſind. Die Stadt ſelbſt iſt
von finſterm melancholiſchen Anſehen, hat ſehr enge
und zum Theil ekelhafte Straßen, ſo daß man froh
wird, wieder zum Thor herauszukommen. Ange-
nehmer iſt die Vorſtadt, wo ich auch abgetreten
war. Es war mir zu ſpaͤt, die verſchiedenen in der
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/104>, abgerufen am 16.02.2025.
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