Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung einiger Merckwürdigkeiten
und Bewegung verhindert; die Crystalle aber sind, welches vor das
dritte Hauptstück zu bemercken ist, erst dazumal entstanden, da das
Quarz schon erhartet, und folglich in Ruhe war; dieses siehet man
klar daraus, weil dieselbe nur an den Seiten der Löchern des Quar-
zes angewachsen sind. Es waren also Hölen oder Löcher in dem
Quarz, zu der Zeit, da die Crystalle entstanden sind, und folglich war
das Quarz schon harte; als nun nach und nach noch ein wenig von
der flüßigen Quarz-Materie in diese Löcher geflossen, so war alles
in Ruhe und Stille, daß die Crystallisation wol vor sich gehen konte.
Und dieses ist von der Erzeugung der Crystallen überhaupt zu be-
mercken.

Wie sie ge-
wachsen.

Es fragt sich aber insbesondre, wie die Crystalle gewachsen, und
woher ihre 6 eckigte Figur komme. Daß dieselben nicht auf einmal,
sondern nach und nach entstanden seyen, zeiget der Augenschein in
den noch rauhen Crystallen, da man deutlich siehet, wie sich die Ma-
terie nach und nach blätterweise angesetzt hat. Die Materie ist nem-
lich Tropfenweise, oder auch in Dünsten, in die Höle des Quarzes
und insonderheit an den Wänden derselben herunter geflossen, und
hat anfangs kleine Crystalle formirt; als diese fest waren, und nach
und nach mehr Materie zuflosse, in welcher gleiche Regeln der Be-
wegung waren, wurde auch der Crystall nach und nach grösser; dar-
aus folget denn, daß diejenige, welche zuoberst in der Quarz-Höle
stehen, die grösten sind, weil die Materie zuerst ihnen zufließt, wel-
ches, so viel mir bekannt ist, würcklich sich so verhält.

Wie sie
sechs-eckigt
werden.

Nun bliebe noch die Frage übrig, woher die sechs-eckigte Figur
der Crystallen komme. (*) Dieses läßt sich durch die allgemeine
Anziehungs-Kraft, oder wem dieses Wort besser gefällt, durch die
Anstossungs-Kraft, wol erklären. Laßt uns setzen, (wie in beygeleg-
2. Fig.tem Kupfer Fig. 2. zu sehen) es sey ein Faden in Form eines Cirkels
ausgespannet. Es sey c d zu c e, wie 100. zu 104 2/3 . Bey allen

6. Punc-
(*) Jch würde keinen Streit anfangen, wenn schon jemand behaupten wolte, daß
die Erklärung, welche ich hier von dem Ursprunge der sechs-eckigten Figur
gebe, von der wahren Ursache entfernet sey. Es kan wol seyn; indessen muß
man in solchen Fällen, da uns nicht gestattet wird, die innere Würckungen
der Natur einzusehen, mit Wahrscheinlichkeiten, ja auch mit blossen Mög-
lichkeiten vorlieb nehmen. Das Gemüth wird schon beruhiget, wenn es nur
eine Möglichkeit in den Sachen siehet, deren eigentliche Beschaffenheit es
nicht ergründen kan.

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten
und Bewegung verhindert; die Cryſtalle aber ſind, welches vor das
dritte Hauptſtuͤck zu bemercken iſt, erſt dazumal entſtanden, da das
Quarz ſchon erhartet, und folglich in Ruhe war; dieſes ſiehet man
klar daraus, weil dieſelbe nur an den Seiten der Loͤchern des Quar-
zes angewachſen ſind. Es waren alſo Hoͤlen oder Loͤcher in dem
Quarz, zu der Zeit, da die Cryſtalle entſtanden ſind, und folglich war
das Quarz ſchon harte; als nun nach und nach noch ein wenig von
der fluͤßigen Quarz-Materie in dieſe Loͤcher gefloſſen, ſo war alles
in Ruhe und Stille, daß die Cryſtalliſation wol vor ſich gehen konte.
Und dieſes iſt von der Erzeugung der Cryſtallen uͤberhaupt zu be-
mercken.

Wie ſie ge-
wachſen.

Es fragt ſich aber insbeſondre, wie die Cryſtalle gewachſen, und
woher ihre 6 eckigte Figur komme. Daß dieſelben nicht auf einmal,
ſondern nach und nach entſtanden ſeyen, zeiget der Augenſchein in
den noch rauhen Cryſtallen, da man deutlich ſiehet, wie ſich die Ma-
terie nach und nach blaͤtterweiſe angeſetzt hat. Die Materie iſt nem-
lich Tropfenweiſe, oder auch in Duͤnſten, in die Hoͤle des Quarzes
und inſonderheit an den Waͤnden derſelben herunter gefloſſen, und
hat anfangs kleine Cryſtalle formirt; als dieſe feſt waren, und nach
und nach mehr Materie zufloſſe, in welcher gleiche Regeln der Be-
wegung waren, wurde auch der Cryſtall nach und nach groͤſſer; dar-
aus folget denn, daß diejenige, welche zuoberſt in der Quarz-Hoͤle
ſtehen, die groͤſten ſind, weil die Materie zuerſt ihnen zufließt, wel-
ches, ſo viel mir bekannt iſt, wuͤrcklich ſich ſo verhaͤlt.

Wie ſie
ſechs-eckigt
werden.

Nun bliebe noch die Frage uͤbrig, woher die ſechs-eckigte Figur
der Cryſtallen komme. (*) Dieſes laͤßt ſich durch die allgemeine
Anziehungs-Kraft, oder wem dieſes Wort beſſer gefaͤllt, durch die
Anſtoſſungs-Kraft, wol erklaͤren. Laßt uns ſetzen, (wie in beygeleg-
2. Fig.tem Kupfer Fig. 2. zu ſehen) es ſey ein Faden in Form eines Cirkels
ausgeſpannet. Es ſey c d zu c e, wie 100. zu 104⅔. Bey allen

6. Punc-
(*) Jch wuͤrde keinen Streit anfangen, wenn ſchon jemand behaupten wolte, daß
die Erklaͤrung, welche ich hier von dem Urſprunge der ſechs-eckigten Figur
gebe, von der wahren Urſache entfernet ſey. Es kan wol ſeyn; indeſſen muß
man in ſolchen Faͤllen, da uns nicht geſtattet wird, die innere Wuͤrckungen
der Natur einzuſehen, mit Wahrſcheinlichkeiten, ja auch mit bloſſen Moͤg-
lichkeiten vorlieb nehmen. Das Gemuͤth wird ſchon beruhiget, wenn es nur
eine Moͤglichkeit in den Sachen ſiehet, deren eigentliche Beſchaffenheit es
nicht ergruͤnden kan.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chreibung einiger Merckwu&#x0364;rdigkeiten</hi></fw><lb/>
und Bewegung verhindert; die Cry&#x017F;talle aber &#x017F;ind, welches vor das<lb/>
dritte Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck zu bemercken i&#x017F;t, er&#x017F;t dazumal ent&#x017F;tanden, da das<lb/>
Quarz &#x017F;chon erhartet, und folglich in Ruhe war; die&#x017F;es &#x017F;iehet man<lb/>
klar daraus, weil die&#x017F;elbe nur an den Seiten der Lo&#x0364;chern des Quar-<lb/>
zes angewach&#x017F;en &#x017F;ind. Es waren al&#x017F;o Ho&#x0364;len oder Lo&#x0364;cher in dem<lb/>
Quarz, zu der Zeit, da die Cry&#x017F;talle ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, und folglich war<lb/>
das Quarz &#x017F;chon harte; als nun nach und nach noch ein wenig von<lb/>
der flu&#x0364;ßigen Quarz-Materie in die&#x017F;e Lo&#x0364;cher geflo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o war alles<lb/>
in Ruhe und Stille, daß die Cry&#x017F;talli&#x017F;ation wol vor &#x017F;ich gehen konte.<lb/>
Und die&#x017F;es i&#x017F;t von der Erzeugung der Cry&#x017F;tallen u&#x0364;berhaupt zu be-<lb/>
mercken.</p><lb/>
          <note place="left">Wie &#x017F;ie ge-<lb/>
wach&#x017F;en.</note>
          <p>Es fragt &#x017F;ich aber insbe&#x017F;ondre, wie die Cry&#x017F;talle gewach&#x017F;en, und<lb/>
woher ihre 6 eckigte Figur komme. Daß die&#x017F;elben nicht auf einmal,<lb/>
&#x017F;ondern nach und nach ent&#x017F;tanden &#x017F;eyen, zeiget der Augen&#x017F;chein in<lb/>
den noch rauhen Cry&#x017F;tallen, da man deutlich &#x017F;iehet, wie &#x017F;ich die Ma-<lb/>
terie nach und nach bla&#x0364;tterwei&#x017F;e ange&#x017F;etzt hat. Die Materie i&#x017F;t nem-<lb/>
lich Tropfenwei&#x017F;e, oder auch in Du&#x0364;n&#x017F;ten, in die Ho&#x0364;le des Quarzes<lb/>
und in&#x017F;onderheit an den Wa&#x0364;nden der&#x017F;elben herunter geflo&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
hat anfangs kleine Cry&#x017F;talle formirt; als die&#x017F;e fe&#x017F;t waren, und nach<lb/>
und nach mehr Materie zuflo&#x017F;&#x017F;e, in welcher gleiche Regeln der Be-<lb/>
wegung waren, wurde auch der Cry&#x017F;tall nach und nach gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er; dar-<lb/>
aus folget denn, daß diejenige, welche zuober&#x017F;t in der Quarz-Ho&#x0364;le<lb/>
&#x017F;tehen, die gro&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ind, weil die Materie zuer&#x017F;t ihnen zufließt, wel-<lb/>
ches, &#x017F;o viel mir bekannt i&#x017F;t, wu&#x0364;rcklich &#x017F;ich &#x017F;o verha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <note place="left">Wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;echs-eckigt<lb/>
werden.</note>
          <p>Nun bliebe noch die Frage u&#x0364;brig, woher die &#x017F;echs-eckigte Figur<lb/>
der Cry&#x017F;tallen komme. <note place="foot" n="(*)">Jch wu&#x0364;rde keinen Streit anfangen, wenn &#x017F;chon jemand behaupten wolte, daß<lb/>
die Erkla&#x0364;rung, welche ich hier von dem Ur&#x017F;prunge der &#x017F;echs-eckigten Figur<lb/>
gebe, von der wahren Ur&#x017F;ache entfernet &#x017F;ey. Es kan wol &#x017F;eyn; inde&#x017F;&#x017F;en muß<lb/>
man in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen, da uns nicht ge&#x017F;tattet wird, die innere Wu&#x0364;rckungen<lb/>
der Natur einzu&#x017F;ehen, mit Wahr&#x017F;cheinlichkeiten, ja auch mit blo&#x017F;&#x017F;en Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeiten vorlieb nehmen. Das Gemu&#x0364;th wird &#x017F;chon beruhiget, wenn es nur<lb/>
eine Mo&#x0364;glichkeit in den Sachen &#x017F;iehet, deren eigentliche Be&#x017F;chaffenheit es<lb/>
nicht ergru&#x0364;nden kan.</note> Die&#x017F;es la&#x0364;ßt &#x017F;ich durch die allgemeine<lb/>
Anziehungs-Kraft, oder wem die&#x017F;es Wort be&#x017F;&#x017F;er gefa&#x0364;llt, durch die<lb/>
An&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ungs-Kraft, wol erkla&#x0364;ren. Laßt uns &#x017F;etzen, (wie in beygeleg-<lb/><note place="left">2. <hi rendition="#aq">Fig.</hi></note>tem Kupfer <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 2. zu &#x017F;ehen) es &#x017F;ey ein Faden in Form eines Cirkels<lb/>
ausge&#x017F;pannet. Es &#x017F;ey <hi rendition="#aq">c d</hi> zu <hi rendition="#aq">c e,</hi> wie 100. zu 104&#x2154;. Bey allen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">6. Punc-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0059] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten und Bewegung verhindert; die Cryſtalle aber ſind, welches vor das dritte Hauptſtuͤck zu bemercken iſt, erſt dazumal entſtanden, da das Quarz ſchon erhartet, und folglich in Ruhe war; dieſes ſiehet man klar daraus, weil dieſelbe nur an den Seiten der Loͤchern des Quar- zes angewachſen ſind. Es waren alſo Hoͤlen oder Loͤcher in dem Quarz, zu der Zeit, da die Cryſtalle entſtanden ſind, und folglich war das Quarz ſchon harte; als nun nach und nach noch ein wenig von der fluͤßigen Quarz-Materie in dieſe Loͤcher gefloſſen, ſo war alles in Ruhe und Stille, daß die Cryſtalliſation wol vor ſich gehen konte. Und dieſes iſt von der Erzeugung der Cryſtallen uͤberhaupt zu be- mercken. Es fragt ſich aber insbeſondre, wie die Cryſtalle gewachſen, und woher ihre 6 eckigte Figur komme. Daß dieſelben nicht auf einmal, ſondern nach und nach entſtanden ſeyen, zeiget der Augenſchein in den noch rauhen Cryſtallen, da man deutlich ſiehet, wie ſich die Ma- terie nach und nach blaͤtterweiſe angeſetzt hat. Die Materie iſt nem- lich Tropfenweiſe, oder auch in Duͤnſten, in die Hoͤle des Quarzes und inſonderheit an den Waͤnden derſelben herunter gefloſſen, und hat anfangs kleine Cryſtalle formirt; als dieſe feſt waren, und nach und nach mehr Materie zufloſſe, in welcher gleiche Regeln der Be- wegung waren, wurde auch der Cryſtall nach und nach groͤſſer; dar- aus folget denn, daß diejenige, welche zuoberſt in der Quarz-Hoͤle ſtehen, die groͤſten ſind, weil die Materie zuerſt ihnen zufließt, wel- ches, ſo viel mir bekannt iſt, wuͤrcklich ſich ſo verhaͤlt. Nun bliebe noch die Frage uͤbrig, woher die ſechs-eckigte Figur der Cryſtallen komme. (*) Dieſes laͤßt ſich durch die allgemeine Anziehungs-Kraft, oder wem dieſes Wort beſſer gefaͤllt, durch die Anſtoſſungs-Kraft, wol erklaͤren. Laßt uns ſetzen, (wie in beygeleg- tem Kupfer Fig. 2. zu ſehen) es ſey ein Faden in Form eines Cirkels ausgeſpannet. Es ſey c d zu c e, wie 100. zu 104⅔. Bey allen 6. Punc- 2. Fig. (*) Jch wuͤrde keinen Streit anfangen, wenn ſchon jemand behaupten wolte, daß die Erklaͤrung, welche ich hier von dem Urſprunge der ſechs-eckigten Figur gebe, von der wahren Urſache entfernet ſey. Es kan wol ſeyn; indeſſen muß man in ſolchen Faͤllen, da uns nicht geſtattet wird, die innere Wuͤrckungen der Natur einzuſehen, mit Wahrſcheinlichkeiten, ja auch mit bloſſen Moͤg- lichkeiten vorlieb nehmen. Das Gemuͤth wird ſchon beruhiget, wenn es nur eine Moͤglichkeit in den Sachen ſiehet, deren eigentliche Beſchaffenheit es nicht ergruͤnden kan.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/59
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/59>, abgerufen am 24.11.2024.