alles gesunde und muntere Leute gewesen, könne ver- lohren haben. Diese Zahl aber ist grösser als die Zahl derer, die er kan erobert haben.
Allein es bleibt sein Verlust noch nicht hier ste- hen. Es scheinet, daß die Vorsehung alle Men- schen in beyde Geschlechter gleich vertheilet habe, damit jede Frau ihren eigenen Mann haben kön- ne, und damit sie sich beyderseits die Fortpflantzung der Menschen gleich lassen angelegen seyn. Hieraus folget, daß eben so viel Frauens-Leute haben müs- sen ledig sitzen bleiben, als Männer umgekommen sind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in so lan- gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge- storben, und daß andere, die sich zu spät verheyra- thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieser Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800 tausend, sondern doppelt so viel Unterthanen verloh- ren haben, und zugleich hat er sich auch der Kin- der, die man von so vielen Menschen hätte erwar- ten können, dadurch beraubet.
Man sagt, daß in der grossen Hungers-Noth, die sein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil- lionen Menschen sollen seyn umgekommen. Ich habe Mühe solches zu glauben, jedoch es wäre der Verlust schon beträchtlich, wenn auch nur 1/5 von der Zahl gestorben wäre. Nun darf man sich eben nicht wundern, daß dieses Ubel ein Land be- trift, wo ein so grosser Theil von dem Vermögen des Volckes zum Gebrauch des Fürsten angewen- det wird, daher denn selbiges die nöthigen Mittel gegen dergleichen Zufälle nicht in Händen hat; und wo man so viele Menschen zu Krieges-Diensten hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern
die
C 3
des Menſchlichen Geſchlechts.
alles geſunde und muntere Leute geweſen, koͤnne ver- lohren haben. Dieſe Zahl aber iſt groͤſſer als die Zahl derer, die er kan erobert haben.
Allein es bleibt ſein Verluſt noch nicht hier ſte- hen. Es ſcheinet, daß die Vorſehung alle Men- ſchen in beyde Geſchlechter gleich vertheilet habe, damit jede Frau ihren eigenen Mann haben koͤn- ne, und damit ſie ſich beyderſeits die Fortpflantzung der Menſchen gleich laſſen angelegen ſeyn. Hieraus folget, daß eben ſo viel Frauens-Leute haben muͤſ- ſen ledig ſitzen bleiben, als Maͤnner umgekommen ſind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in ſo lan- gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge- ſtorben, und daß andere, die ſich zu ſpaͤt verheyra- thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieſer Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800 tauſend, ſondern doppelt ſo viel Unterthanen verloh- ren haben, und zugleich hat er ſich auch der Kin- der, die man von ſo vielen Menſchen haͤtte erwar- ten koͤnnen, dadurch beraubet.
Man ſagt, daß in der groſſen Hungers-Noth, die ſein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil- lionen Menſchen ſollen ſeyn umgekommen. Ich habe Muͤhe ſolches zu glauben, jedoch es waͤre der Verluſt ſchon betraͤchtlich, wenn auch nur ⅕ von der Zahl geſtorben waͤre. Nun darf man ſich eben nicht wundern, daß dieſes Ubel ein Land be- trift, wo ein ſo groſſer Theil von dem Vermoͤgen des Volckes zum Gebrauch des Fuͤrſten angewen- det wird, daher denn ſelbiges die noͤthigen Mittel gegen dergleichen Zufaͤlle nicht in Haͤnden hat; und wo man ſo viele Menſchen zu Krieges-Dienſten hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern
die
C 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0083"n="37"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des Menſchlichen Geſchlechts.</hi></fw><lb/>
alles geſunde und muntere Leute geweſen, koͤnne ver-<lb/>
lohren haben. Dieſe Zahl aber iſt groͤſſer als die<lb/>
Zahl derer, die er kan erobert haben.</p><lb/><p>Allein es bleibt ſein Verluſt noch nicht hier ſte-<lb/>
hen. Es ſcheinet, daß die Vorſehung alle Men-<lb/>ſchen in beyde Geſchlechter gleich vertheilet habe,<lb/>
damit jede Frau ihren eigenen Mann haben koͤn-<lb/>
ne, und damit ſie ſich beyderſeits die Fortpflantzung<lb/>
der Menſchen gleich laſſen angelegen ſeyn. Hieraus<lb/>
folget, daß eben ſo viel Frauens-Leute haben muͤſ-<lb/>ſen ledig ſitzen bleiben, als Maͤnner umgekommen<lb/>ſind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in ſo lan-<lb/>
gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge-<lb/>ſtorben, und daß andere, die ſich zu ſpaͤt verheyra-<lb/>
thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieſer<lb/>
Rechnung muß Ludewig der <hirendition="#aq">XIV.</hi> nicht nur 800<lb/>
tauſend, ſondern doppelt ſo viel Unterthanen verloh-<lb/>
ren haben, und zugleich hat er ſich auch der Kin-<lb/>
der, die man von ſo vielen Menſchen haͤtte erwar-<lb/>
ten koͤnnen, dadurch beraubet.</p><lb/><p>Man ſagt, daß in der groſſen Hungers-Noth,<lb/>
die ſein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil-<lb/>
lionen Menſchen ſollen ſeyn umgekommen. Ich<lb/>
habe Muͤhe ſolches zu glauben, jedoch es waͤre der<lb/>
Verluſt ſchon betraͤchtlich, wenn auch nur ⅕ von<lb/>
der Zahl geſtorben waͤre. Nun darf man ſich<lb/>
eben nicht wundern, daß dieſes Ubel ein Land be-<lb/>
trift, wo ein ſo groſſer Theil von dem Vermoͤgen<lb/>
des Volckes zum Gebrauch des Fuͤrſten angewen-<lb/>
det wird, daher denn ſelbiges die noͤthigen Mittel<lb/>
gegen dergleichen Zufaͤlle nicht in Haͤnden hat; und<lb/>
wo man ſo viele Menſchen zu Krieges-Dienſten<lb/>
hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[37/0083]
des Menſchlichen Geſchlechts.
alles geſunde und muntere Leute geweſen, koͤnne ver-
lohren haben. Dieſe Zahl aber iſt groͤſſer als die
Zahl derer, die er kan erobert haben.
Allein es bleibt ſein Verluſt noch nicht hier ſte-
hen. Es ſcheinet, daß die Vorſehung alle Men-
ſchen in beyde Geſchlechter gleich vertheilet habe,
damit jede Frau ihren eigenen Mann haben koͤn-
ne, und damit ſie ſich beyderſeits die Fortpflantzung
der Menſchen gleich laſſen angelegen ſeyn. Hieraus
folget, daß eben ſo viel Frauens-Leute haben muͤſ-
ſen ledig ſitzen bleiben, als Maͤnner umgekommen
ſind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in ſo lan-
gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge-
ſtorben, und daß andere, die ſich zu ſpaͤt verheyra-
thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieſer
Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800
tauſend, ſondern doppelt ſo viel Unterthanen verloh-
ren haben, und zugleich hat er ſich auch der Kin-
der, die man von ſo vielen Menſchen haͤtte erwar-
ten koͤnnen, dadurch beraubet.
Man ſagt, daß in der groſſen Hungers-Noth,
die ſein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil-
lionen Menſchen ſollen ſeyn umgekommen. Ich
habe Muͤhe ſolches zu glauben, jedoch es waͤre der
Verluſt ſchon betraͤchtlich, wenn auch nur ⅕ von
der Zahl geſtorben waͤre. Nun darf man ſich
eben nicht wundern, daß dieſes Ubel ein Land be-
trift, wo ein ſo groſſer Theil von dem Vermoͤgen
des Volckes zum Gebrauch des Fuͤrſten angewen-
det wird, daher denn ſelbiges die noͤthigen Mittel
gegen dergleichen Zufaͤlle nicht in Haͤnden hat; und
wo man ſo viele Menſchen zu Krieges-Dienſten
hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern
die
C 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/83>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.