Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Von denen Kranckheiten
wohl auf andere Umstände hiebey gesehen wer-
den, die einen Menschen zu solcher Tollheit bringen
können. Selbige sind nun wohl vornemlich diese:
1.) London treibt wohl unter allen Städten den
grösten Handel und zwar insonderheit zur See.
Hiebey finden sich viele Unglücks-Fälle, Betriegerei-
en und Banquerute, wodurch ein Mensch, der reich
werden will, und der sich nicht an GOtt und dessen
Vorsehung als an dem einzigen Ancker veste hält,
gar leicht in Versuchung und auf vieles Böse kan
gebracht werden. Die Affecten sind gar bald auf-
gebracht. Geht es nun einem sehr unglücklich, so
kan er gar leicht zu solchem Grad der Betrübniß
oder des Verdrusses gebracht werden, daß er sich
lieber den Tod als ein länger Leben wünschet.
2.) Die unordentliche Art zu leben ist ein anderer
wichtiger Umstand. Aus dem Spectator, Tatler
und Guardian und aus denen vielen wieder die un-
ordentliche Liebe gerichteten Abhandlungen kan man
leicht urtheilen, daß in London ungemein viel Men-
schen an dieser Kranckheit sehr hart darnieder lie-
gen. Wie viele aber finden wir nicht in denen al-
ten Geschichten, die die Raserey der Liebe zum
Selbstmord gebracht hat? daher ist bey denen je-
tzigen Menschen, die jenen vollkommen ähnlich, nichts
anders zu vermuthen. Andere sind dem Spiel,
Trunck und andern Lastern, und zwar ausnehmend
ergeben, wie wir an denen erkennen können die sich
todt gesoffen. Hiedurch wird alles in Unordnung
gesetzet, und das Gewissen leidet gewaltig Noth.
Wenn es nun aber mahl hervor bricht und ein
Mensch empfindet und siehet die Thorheit, Schäd-
lichkeit und Eitelkeit seiner lasterhaften Handlungen

deutlich

Von denen Kranckheiten
wohl auf andere Umſtaͤnde hiebey geſehen wer-
den, die einen Menſchen zu ſolcher Tollheit bringen
koͤnnen. Selbige ſind nun wohl vornemlich dieſe:
1.) London treibt wohl unter allen Staͤdten den
groͤſten Handel und zwar inſonderheit zur See.
Hiebey finden ſich viele Ungluͤcks-Faͤlle, Betriegerei-
en und Banquerute, wodurch ein Menſch, der reich
werden will, und der ſich nicht an GOtt und deſſen
Vorſehung als an dem einzigen Ancker veſte haͤlt,
gar leicht in Verſuchung und auf vieles Boͤſe kan
gebracht werden. Die Affecten ſind gar bald auf-
gebracht. Geht es nun einem ſehr ungluͤcklich, ſo
kan er gar leicht zu ſolchem Grad der Betruͤbniß
oder des Verdruſſes gebracht werden, daß er ſich
lieber den Tod als ein laͤnger Leben wuͤnſchet.
2.) Die unordentliche Art zu leben iſt ein anderer
wichtiger Umſtand. Aus dem Spectator, Tatler
und Guardian und aus denen vielen wieder die un-
ordentliche Liebe gerichteten Abhandlungen kan man
leicht urtheilen, daß in London ungemein viel Men-
ſchen an dieſer Kranckheit ſehr hart darnieder lie-
gen. Wie viele aber finden wir nicht in denen al-
ten Geſchichten, die die Raſerey der Liebe zum
Selbſtmord gebracht hat? daher iſt bey denen je-
tzigen Menſchen, die jenen vollkommen aͤhnlich, nichts
anders zu vermuthen. Andere ſind dem Spiel,
Trunck und andern Laſtern, und zwar ausnehmend
ergeben, wie wir an denen erkennen koͤnnen die ſich
todt geſoffen. Hiedurch wird alles in Unordnung
geſetzet, und das Gewiſſen leidet gewaltig Noth.
Wenn es nun aber mahl hervor bricht und ein
Menſch empfindet und ſiehet die Thorheit, Schaͤd-
lichkeit und Eitelkeit ſeiner laſterhaften Handlungen

deutlich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0346" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von denen Kranckheiten</hi></fw><lb/>
wohl auf andere Um&#x017F;ta&#x0364;nde hiebey ge&#x017F;ehen wer-<lb/>
den, die einen Men&#x017F;chen zu &#x017F;olcher Tollheit bringen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Selbige &#x017F;ind nun wohl vornemlich die&#x017F;e:<lb/>
1.) London treibt wohl unter allen Sta&#x0364;dten den<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;ten Handel und zwar in&#x017F;onderheit zur See.<lb/>
Hiebey finden &#x017F;ich viele Unglu&#x0364;cks-Fa&#x0364;lle, Betriegerei-<lb/>
en und Banquerute, wodurch ein Men&#x017F;ch, der reich<lb/>
werden will, und der &#x017F;ich nicht an GOtt und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Vor&#x017F;ehung als an dem einzigen Ancker ve&#x017F;te ha&#x0364;lt,<lb/>
gar leicht in Ver&#x017F;uchung und auf vieles Bo&#x0364;&#x017F;e kan<lb/>
gebracht werden. Die Affecten &#x017F;ind gar bald auf-<lb/>
gebracht. Geht es nun einem &#x017F;ehr unglu&#x0364;cklich, &#x017F;o<lb/>
kan er gar leicht zu &#x017F;olchem Grad der Betru&#x0364;bniß<lb/>
oder des Verdru&#x017F;&#x017F;es gebracht werden, daß er &#x017F;ich<lb/>
lieber den Tod als ein la&#x0364;nger Leben wu&#x0364;n&#x017F;chet.<lb/>
2.) Die unordentliche Art zu leben i&#x017F;t ein anderer<lb/>
wichtiger Um&#x017F;tand. Aus dem Spectator, Tatler<lb/>
und Guardian und aus denen vielen wieder die un-<lb/>
ordentliche Liebe gerichteten Abhandlungen kan man<lb/>
leicht urtheilen, daß in London ungemein viel Men-<lb/>
&#x017F;chen an die&#x017F;er Kranckheit &#x017F;ehr hart darnieder lie-<lb/>
gen. Wie viele aber finden wir nicht in denen al-<lb/>
ten Ge&#x017F;chichten, die die Ra&#x017F;erey der Liebe zum<lb/>
Selb&#x017F;tmord gebracht hat? daher i&#x017F;t bey denen je-<lb/>
tzigen Men&#x017F;chen, die jenen vollkommen a&#x0364;hnlich, nichts<lb/>
anders zu vermuthen. Andere &#x017F;ind dem Spiel,<lb/>
Trunck und andern La&#x017F;tern, und zwar ausnehmend<lb/>
ergeben, wie wir an denen erkennen ko&#x0364;nnen die &#x017F;ich<lb/>
todt ge&#x017F;offen. Hiedurch wird alles in Unordnung<lb/>
ge&#x017F;etzet, und das Gewi&#x017F;&#x017F;en leidet gewaltig Noth.<lb/>
Wenn es nun aber mahl hervor bricht und ein<lb/>
Men&#x017F;ch empfindet und &#x017F;iehet die Thorheit, Scha&#x0364;d-<lb/>
lichkeit und Eitelkeit &#x017F;einer la&#x017F;terhaften Handlungen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">deutlich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0346] Von denen Kranckheiten wohl auf andere Umſtaͤnde hiebey geſehen wer- den, die einen Menſchen zu ſolcher Tollheit bringen koͤnnen. Selbige ſind nun wohl vornemlich dieſe: 1.) London treibt wohl unter allen Staͤdten den groͤſten Handel und zwar inſonderheit zur See. Hiebey finden ſich viele Ungluͤcks-Faͤlle, Betriegerei- en und Banquerute, wodurch ein Menſch, der reich werden will, und der ſich nicht an GOtt und deſſen Vorſehung als an dem einzigen Ancker veſte haͤlt, gar leicht in Verſuchung und auf vieles Boͤſe kan gebracht werden. Die Affecten ſind gar bald auf- gebracht. Geht es nun einem ſehr ungluͤcklich, ſo kan er gar leicht zu ſolchem Grad der Betruͤbniß oder des Verdruſſes gebracht werden, daß er ſich lieber den Tod als ein laͤnger Leben wuͤnſchet. 2.) Die unordentliche Art zu leben iſt ein anderer wichtiger Umſtand. Aus dem Spectator, Tatler und Guardian und aus denen vielen wieder die un- ordentliche Liebe gerichteten Abhandlungen kan man leicht urtheilen, daß in London ungemein viel Men- ſchen an dieſer Kranckheit ſehr hart darnieder lie- gen. Wie viele aber finden wir nicht in denen al- ten Geſchichten, die die Raſerey der Liebe zum Selbſtmord gebracht hat? daher iſt bey denen je- tzigen Menſchen, die jenen vollkommen aͤhnlich, nichts anders zu vermuthen. Andere ſind dem Spiel, Trunck und andern Laſtern, und zwar ausnehmend ergeben, wie wir an denen erkennen koͤnnen die ſich todt geſoffen. Hiedurch wird alles in Unordnung geſetzet, und das Gewiſſen leidet gewaltig Noth. Wenn es nun aber mahl hervor bricht und ein Menſch empfindet und ſiehet die Thorheit, Schaͤd- lichkeit und Eitelkeit ſeiner laſterhaften Handlungen deutlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/346
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/346>, abgerufen am 23.11.2024.