Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

des Männl. und Weibl. Geschlechtes
weiberei würden dabey ihre Rechnung finden, aber
wie vielen Männern würde damit gedienet seyn?
Gewiß denen allerwenigsten, weil die allermeisten
sich sehr gerne mit einer begnügen. Es ist gewiß
was seltsames, daß man die Vielweiberei so müh-
sam hat suchen zu vertheidigen, da doch gewiß ist,
daß die meisten Manns-Personen selbige als die
gröste Strafe ansehen würden, wenn sie dazu solten
verbunden werden. Anjetzo heist es: Nitimur in
vetitum,
wir trachten nach dem, was verbothen.
Die sinnlichen Begierden werden desto stärcker,
je stärcker der Genuß einer sinnlichen Lust verbothen
ist, und je mehr er entzogen wird, so lange nemlich
der Mensch sich durch undeutliche Vorstellungen
treiben lässet. Würde jedermann dazu angehalten,
solte man mehr Frauen und mehr Kinder versorgen,
so würde man gewaltig schreyen, und sich über die
unerträgliche Last dieses Gesetzes beschwehren.
Wenn aber auch kein Gesetz wäre, das uns ver-
pflichtete, so würde doch denen meisten vernünftigen
Männern die Lust von selbsten vergehen. Alsdann
aber würde das weibliche Geschlecht erschröcklich
leiden, so daß sehr viele, entweder mit Gewalt wür-
den Vestalen bleiben müssen, oder sie würden in ein
unordentlich Leben verfallen.

Doch es kommt die göttliche und weise Vor-
sehung allen diesen Dingen zuvor, indem sie die
Fortpflantzung der beiden Geschlechter also einrich-
tet, daß die Vermehrung der Menschen dabei or-
dentlich fortgehet, und daß jeder Mann eine Gehül-
fin, und jede Frau einen Mann findet. Man hat
noch nie klagen gehöret, daß es hieran gefehlet, es
müsten denn Kriegs-Zeiten dergleichen verursacht

haben,
J 3

des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes
weiberei wuͤrden dabey ihre Rechnung finden, aber
wie vielen Maͤnnern wuͤrde damit gedienet ſeyn?
Gewiß denen allerwenigſten, weil die allermeiſten
ſich ſehr gerne mit einer begnuͤgen. Es iſt gewiß
was ſeltſames, daß man die Vielweiberei ſo muͤh-
ſam hat ſuchen zu vertheidigen, da doch gewiß iſt,
daß die meiſten Manns-Perſonen ſelbige als die
groͤſte Strafe anſehen wuͤrden, wenn ſie dazu ſolten
verbunden werden. Anjetzo heiſt es: Nitimur in
vetitum,
wir trachten nach dem, was verbothen.
Die ſinnlichen Begierden werden deſto ſtaͤrcker,
je ſtaͤrcker der Genuß einer ſinnlichen Luſt verbothen
iſt, und je mehr er entzogen wird, ſo lange nemlich
der Menſch ſich durch undeutliche Vorſtellungen
treiben laͤſſet. Wuͤrde jedermann dazu angehalten,
ſolte man mehr Frauen und mehr Kinder verſorgen,
ſo wuͤrde man gewaltig ſchreyen, und ſich uͤber die
unertraͤgliche Laſt dieſes Geſetzes beſchwehren.
Wenn aber auch kein Geſetz waͤre, das uns ver-
pflichtete, ſo wuͤrde doch denen meiſten vernuͤnftigen
Maͤnnern die Luſt von ſelbſten vergehen. Alsdann
aber wuͤrde das weibliche Geſchlecht erſchroͤcklich
leiden, ſo daß ſehr viele, entweder mit Gewalt wuͤr-
den Veſtalen bleiben muͤſſen, oder ſie wuͤrden in ein
unordentlich Leben verfallen.

Doch es kommt die goͤttliche und weiſe Vor-
ſehung allen dieſen Dingen zuvor, indem ſie die
Fortpflantzung der beiden Geſchlechter alſo einrich-
tet, daß die Vermehrung der Menſchen dabei or-
dentlich fortgehet, und daß jeder Mann eine Gehuͤl-
fin, und jede Frau einen Mann findet. Man hat
noch nie klagen gehoͤret, daß es hieran gefehlet, es
muͤſten denn Kriegs-Zeiten dergleichen verurſacht

haben,
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="133"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Ma&#x0364;nnl. und Weibl. Ge&#x017F;chlechtes</hi></fw><lb/>
weiberei wu&#x0364;rden dabey ihre Rechnung finden, aber<lb/>
wie vielen Ma&#x0364;nnern wu&#x0364;rde damit gedienet &#x017F;eyn?<lb/>
Gewiß denen allerwenig&#x017F;ten, weil die allermei&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehr gerne mit einer begnu&#x0364;gen. Es i&#x017F;t gewiß<lb/>
was &#x017F;elt&#x017F;ames, daß man die Vielweiberei &#x017F;o mu&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;am hat &#x017F;uchen zu vertheidigen, da doch gewiß i&#x017F;t,<lb/>
daß die mei&#x017F;ten Manns-Per&#x017F;onen &#x017F;elbige als die<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Strafe an&#x017F;ehen wu&#x0364;rden, wenn &#x017F;ie dazu &#x017F;olten<lb/>
verbunden werden. Anjetzo hei&#x017F;t es: <hi rendition="#aq">Nitimur in<lb/>
vetitum,</hi> wir trachten nach dem, was verbothen.<lb/>
Die &#x017F;innlichen Begierden werden de&#x017F;to &#x017F;ta&#x0364;rcker,<lb/>
je &#x017F;ta&#x0364;rcker der Genuß einer &#x017F;innlichen Lu&#x017F;t verbothen<lb/>
i&#x017F;t, und je mehr er entzogen wird, &#x017F;o lange nemlich<lb/>
der Men&#x017F;ch &#x017F;ich durch undeutliche Vor&#x017F;tellungen<lb/>
treiben la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Wu&#x0364;rde jedermann dazu angehalten,<lb/>
&#x017F;olte man mehr Frauen und mehr Kinder ver&#x017F;orgen,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde man gewaltig &#x017F;chreyen, und &#x017F;ich u&#x0364;ber die<lb/>
unertra&#x0364;gliche La&#x017F;t die&#x017F;es <hi rendition="#g">Ge&#x017F;etzes</hi> be&#x017F;chwehren.<lb/>
Wenn aber auch kein Ge&#x017F;etz wa&#x0364;re, das uns ver-<lb/>
pflichtete, &#x017F;o wu&#x0364;rde doch denen mei&#x017F;ten vernu&#x0364;nftigen<lb/>
Ma&#x0364;nnern die Lu&#x017F;t von &#x017F;elb&#x017F;ten vergehen. Alsdann<lb/>
aber wu&#x0364;rde das weibliche Ge&#x017F;chlecht er&#x017F;chro&#x0364;cklich<lb/>
leiden, &#x017F;o daß &#x017F;ehr viele, entweder mit Gewalt wu&#x0364;r-<lb/>
den Ve&#x017F;talen bleiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, oder &#x017F;ie wu&#x0364;rden in ein<lb/>
unordentlich Leben verfallen.</p><lb/>
          <p>Doch es kommt die go&#x0364;ttliche und wei&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;ehung allen die&#x017F;en Dingen zuvor, indem &#x017F;ie die<lb/>
Fortpflantzung der beiden Ge&#x017F;chlechter al&#x017F;o einrich-<lb/>
tet, daß die Vermehrung der Men&#x017F;chen dabei or-<lb/>
dentlich fortgehet, und daß jeder Mann eine Gehu&#x0364;l-<lb/>
fin, und jede Frau einen Mann findet. Man hat<lb/>
noch nie klagen geho&#x0364;ret, daß es hieran gefehlet, es<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten denn Kriegs-Zeiten dergleichen verur&#x017F;acht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch">haben,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0179] des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes weiberei wuͤrden dabey ihre Rechnung finden, aber wie vielen Maͤnnern wuͤrde damit gedienet ſeyn? Gewiß denen allerwenigſten, weil die allermeiſten ſich ſehr gerne mit einer begnuͤgen. Es iſt gewiß was ſeltſames, daß man die Vielweiberei ſo muͤh- ſam hat ſuchen zu vertheidigen, da doch gewiß iſt, daß die meiſten Manns-Perſonen ſelbige als die groͤſte Strafe anſehen wuͤrden, wenn ſie dazu ſolten verbunden werden. Anjetzo heiſt es: Nitimur in vetitum, wir trachten nach dem, was verbothen. Die ſinnlichen Begierden werden deſto ſtaͤrcker, je ſtaͤrcker der Genuß einer ſinnlichen Luſt verbothen iſt, und je mehr er entzogen wird, ſo lange nemlich der Menſch ſich durch undeutliche Vorſtellungen treiben laͤſſet. Wuͤrde jedermann dazu angehalten, ſolte man mehr Frauen und mehr Kinder verſorgen, ſo wuͤrde man gewaltig ſchreyen, und ſich uͤber die unertraͤgliche Laſt dieſes Geſetzes beſchwehren. Wenn aber auch kein Geſetz waͤre, das uns ver- pflichtete, ſo wuͤrde doch denen meiſten vernuͤnftigen Maͤnnern die Luſt von ſelbſten vergehen. Alsdann aber wuͤrde das weibliche Geſchlecht erſchroͤcklich leiden, ſo daß ſehr viele, entweder mit Gewalt wuͤr- den Veſtalen bleiben muͤſſen, oder ſie wuͤrden in ein unordentlich Leben verfallen. Doch es kommt die goͤttliche und weiſe Vor- ſehung allen dieſen Dingen zuvor, indem ſie die Fortpflantzung der beiden Geſchlechter alſo einrich- tet, daß die Vermehrung der Menſchen dabei or- dentlich fortgehet, und daß jeder Mann eine Gehuͤl- fin, und jede Frau einen Mann findet. Man hat noch nie klagen gehoͤret, daß es hieran gefehlet, es muͤſten denn Kriegs-Zeiten dergleichen verurſacht haben, J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/179
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/179>, abgerufen am 27.11.2024.