Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

und derselben Schädlichkeit.
heyrathen muß, sondern er wird auch zugleich aller
Ehren-Stellen verlustig, so daß er niemahls zu einer
gelangen kan. Vor diesem sahe die weltliche Obrig-
keit und die Consistoria noch mehr hierauf, jetzt aber
lieget fast alle ihre Macht entkräftet darnieder. Thür
und Thor scheinen diesem Laster geöfnet zu seyn.
Jedermann scheinet dessen fast so gewohnet zu seyn,
daß man es nicht mehr achtet. Das Laster ist fast
zu einer Galanterie worden, es heißt ein peccadillo,
und viele rühmen sich desselben. Ich will daher
anjetzo nur den Schaden darthun, den es in einer
Republick nach sich ziehet, weil ich voraus setze, daß
man erkenne, es streite wieder göttliche und natür-
liche Rechte, die durch die Gewohnheit aller nur et-
was gesitteten Völcker bestättiget werden, und daß
es daher nothwendig göttliche Straf-Gerichte nach
sich ziehen müsse, wodurch meiner Meinung nach
schon mancher vormahls blühender Staat und
Stadt zu Grunde gerichtet ist. Das alles lehret
und gibt auch die blosse Vernunft zu. Doch ich
lasse das und will nur den augenscheinlichen Scha-
den in einigen Stücken berühren.

1.) Durch die zugelassene Hurerey wird eine
Laster-Schule errichtet. Sechs bis acht tausend Hu-
ren sind gewiß im Lande. Von diesen wird man
wohl keine Tugend erwarten. Sie sind vielmehr
Lehrmeisterinnen aller Leichtfertigkeit und Infamie,
einige wenige ausgenommen, die von leichtfertigen
Gesellen verführet worden und die sich hernach bes-
sern. Bey dieser Anzahl bleibt es nicht, sondern es
kommen alle Jahre neue dazu. Da jährlich 2000
unehliche gebohren werden, so trägt das in 25 Jah-
ren 50 tausend. Es soll die Helfte von ihnen so

wie

und derſelben Schaͤdlichkeit.
heyrathen muß, ſondern er wird auch zugleich aller
Ehren-Stellen verluſtig, ſo daß er niemahls zu einer
gelangen kan. Vor dieſem ſahe die weltliche Obrig-
keit und die Conſiſtoria noch mehr hierauf, jetzt aber
lieget faſt alle ihre Macht entkraͤftet darnieder. Thuͤr
und Thor ſcheinen dieſem Laſter geoͤfnet zu ſeyn.
Jedermann ſcheinet deſſen faſt ſo gewohnet zu ſeyn,
daß man es nicht mehr achtet. Das Laſter iſt faſt
zu einer Galanterie worden, es heißt ein peccadillo,
und viele ruͤhmen ſich deſſelben. Ich will daher
anjetzo nur den Schaden darthun, den es in einer
Republick nach ſich ziehet, weil ich voraus ſetze, daß
man erkenne, es ſtreite wieder goͤttliche und natuͤr-
liche Rechte, die durch die Gewohnheit aller nur et-
was geſitteten Voͤlcker beſtaͤttiget werden, und daß
es daher nothwendig goͤttliche Straf-Gerichte nach
ſich ziehen muͤſſe, wodurch meiner Meinung nach
ſchon mancher vormahls bluͤhender Staat und
Stadt zu Grunde gerichtet iſt. Das alles lehret
und gibt auch die bloſſe Vernunft zu. Doch ich
laſſe das und will nur den augenſcheinlichen Scha-
den in einigen Stuͤcken beruͤhren.

1.) Durch die zugelaſſene Hurerey wird eine
Laſter-Schule errichtet. Sechs bis acht tauſend Hu-
ren ſind gewiß im Lande. Von dieſen wird man
wohl keine Tugend erwarten. Sie ſind vielmehr
Lehrmeiſterinnen aller Leichtfertigkeit und Infamie,
einige wenige ausgenommen, die von leichtfertigen
Geſellen verfuͤhret worden und die ſich hernach beſ-
ſern. Bey dieſer Anzahl bleibt es nicht, ſondern es
kommen alle Jahre neue dazu. Da jaͤhrlich 2000
unehliche gebohren werden, ſo traͤgt das in 25 Jah-
ren 50 tauſend. Es ſoll die Helfte von ihnen ſo

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0173" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und der&#x017F;elben Scha&#x0364;dlichkeit.</hi></fw><lb/>
heyrathen muß, &#x017F;ondern er wird auch zugleich aller<lb/>
Ehren-Stellen verlu&#x017F;tig, &#x017F;o daß er niemahls zu einer<lb/>
gelangen kan. Vor die&#x017F;em &#x017F;ahe die weltliche Obrig-<lb/>
keit und die Con&#x017F;i&#x017F;toria noch mehr hierauf, jetzt aber<lb/>
lieget fa&#x017F;t alle ihre Macht entkra&#x0364;ftet darnieder. Thu&#x0364;r<lb/>
und Thor &#x017F;cheinen die&#x017F;em La&#x017F;ter geo&#x0364;fnet zu &#x017F;eyn.<lb/>
Jedermann &#x017F;cheinet de&#x017F;&#x017F;en fa&#x017F;t &#x017F;o gewohnet zu &#x017F;eyn,<lb/>
daß man es nicht mehr achtet. Das La&#x017F;ter i&#x017F;t fa&#x017F;t<lb/>
zu einer Galanterie worden, es heißt ein peccadillo,<lb/>
und viele ru&#x0364;hmen &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben. Ich will daher<lb/>
anjetzo nur den Schaden darthun, den es in einer<lb/>
Republick nach &#x017F;ich ziehet, weil ich voraus &#x017F;etze, daß<lb/>
man erkenne, es &#x017F;treite wieder go&#x0364;ttliche und natu&#x0364;r-<lb/>
liche Rechte, die durch die Gewohnheit aller nur et-<lb/>
was ge&#x017F;itteten Vo&#x0364;lcker be&#x017F;ta&#x0364;ttiget werden, und daß<lb/>
es daher nothwendig go&#x0364;ttliche Straf-Gerichte nach<lb/>
&#x017F;ich ziehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wodurch meiner Meinung nach<lb/>
&#x017F;chon mancher vormahls blu&#x0364;hender Staat und<lb/>
Stadt zu Grunde gerichtet i&#x017F;t. Das alles lehret<lb/>
und gibt auch die blo&#x017F;&#x017F;e Vernunft zu. Doch ich<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e das und will nur den augen&#x017F;cheinlichen Scha-<lb/>
den in einigen Stu&#x0364;cken beru&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>1.) Durch die zugela&#x017F;&#x017F;ene Hurerey wird eine<lb/>
La&#x017F;ter-Schule errichtet. Sechs bis acht tau&#x017F;end Hu-<lb/>
ren &#x017F;ind gewiß im Lande. Von die&#x017F;en wird man<lb/>
wohl keine Tugend erwarten. Sie &#x017F;ind vielmehr<lb/>
Lehrmei&#x017F;terinnen aller Leichtfertigkeit und Infamie,<lb/>
einige wenige ausgenommen, die von leichtfertigen<lb/>
Ge&#x017F;ellen verfu&#x0364;hret worden und die &#x017F;ich hernach be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern. Bey die&#x017F;er Anzahl bleibt es nicht, &#x017F;ondern es<lb/>
kommen alle Jahre neue dazu. Da ja&#x0364;hrlich 2000<lb/>
unehliche gebohren werden, &#x017F;o tra&#x0364;gt das in 25 Jah-<lb/>
ren 50 tau&#x017F;end. Es &#x017F;oll die Helfte von ihnen &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0173] und derſelben Schaͤdlichkeit. heyrathen muß, ſondern er wird auch zugleich aller Ehren-Stellen verluſtig, ſo daß er niemahls zu einer gelangen kan. Vor dieſem ſahe die weltliche Obrig- keit und die Conſiſtoria noch mehr hierauf, jetzt aber lieget faſt alle ihre Macht entkraͤftet darnieder. Thuͤr und Thor ſcheinen dieſem Laſter geoͤfnet zu ſeyn. Jedermann ſcheinet deſſen faſt ſo gewohnet zu ſeyn, daß man es nicht mehr achtet. Das Laſter iſt faſt zu einer Galanterie worden, es heißt ein peccadillo, und viele ruͤhmen ſich deſſelben. Ich will daher anjetzo nur den Schaden darthun, den es in einer Republick nach ſich ziehet, weil ich voraus ſetze, daß man erkenne, es ſtreite wieder goͤttliche und natuͤr- liche Rechte, die durch die Gewohnheit aller nur et- was geſitteten Voͤlcker beſtaͤttiget werden, und daß es daher nothwendig goͤttliche Straf-Gerichte nach ſich ziehen muͤſſe, wodurch meiner Meinung nach ſchon mancher vormahls bluͤhender Staat und Stadt zu Grunde gerichtet iſt. Das alles lehret und gibt auch die bloſſe Vernunft zu. Doch ich laſſe das und will nur den augenſcheinlichen Scha- den in einigen Stuͤcken beruͤhren. 1.) Durch die zugelaſſene Hurerey wird eine Laſter-Schule errichtet. Sechs bis acht tauſend Hu- ren ſind gewiß im Lande. Von dieſen wird man wohl keine Tugend erwarten. Sie ſind vielmehr Lehrmeiſterinnen aller Leichtfertigkeit und Infamie, einige wenige ausgenommen, die von leichtfertigen Geſellen verfuͤhret worden und die ſich hernach beſ- ſern. Bey dieſer Anzahl bleibt es nicht, ſondern es kommen alle Jahre neue dazu. Da jaͤhrlich 2000 unehliche gebohren werden, ſo traͤgt das in 25 Jah- ren 50 tauſend. Es ſoll die Helfte von ihnen ſo wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/173
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/173>, abgerufen am 27.11.2024.