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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Hrn. Christian Wolffens
erreichet, als ihm nur immer möglich ist. Unter-
dessen ist doch nicht möglich, daß wir alles dasjenige,
was uns zu erkennen nützlich, ja nöthig ist, mit Ge-
wißheit erkennen. Die Schuld liegt nicht allemal
an demjenigen, der sich um die Erkenntniß bemühet,
sondern auch öfters an der Sache selbst, und an
äusseren Umständen, welche zu ändern nicht in un-
serer Gewalt ist. Ich will jetzt nicht von den Ge-
schäfften der Menschen reden wo die Ungewißheit
von Beschaffenheit der Umstände herrühret, welche
sie in Erfahrung zu bringen nicht im Stande sind,
und in deren Ausführung so viele Sachen sich mit
einschleichen, die sie unmöglich vorher sehen können;
sondern blos bey den allgemeinen Wahrheiten stehen
bleiben, welche zu der Theorie gehören. Diese sind
allerdings dergestalt determiniret, daß sie durch den
Verstand können begriffen werden: allein der ge-
übteste Verstand eines Menschen reichet nicht immer
zu dasjenige zu entdecken, wodurch die Wahrheit
determiniret wird. Und solchergestalt fället es auch
nicht möglich, gewisse Erkenntniß der Wahrheit zu
erreichen. Es wäre aber eine grosse Thorheit, wann
man lieber gantz unwissend in einer Sache verblei-
ben wollte, als sich mit einer Erkenntniß begnügen,
dabey man nicht völlige Gewißheit haben kan. Denn
ausser der gewissen Erkenntniß, die freylich überall
vorzuziehen; wo man sie erhalten kan, giebt es auch
eine wahrscheinliche, die in den Geschäfften der Men-
schen die Stelle der gewissen mit Nutzen vertritt.
Und die Klugheit, welche wir in allen Fällen zu be-

weisen

Hrn. Chriſtian Wolffens
erreichet, als ihm nur immer moͤglich iſt. Unter-
deſſen iſt doch nicht moͤglich, daß wir alles dasjenige,
was uns zu erkennen nuͤtzlich, ja noͤthig iſt, mit Ge-
wißheit erkennen. Die Schuld liegt nicht allemal
an demjenigen, der ſich um die Erkenntniß bemuͤhet,
ſondern auch oͤfters an der Sache ſelbſt, und an
aͤuſſeren Umſtaͤnden, welche zu aͤndern nicht in un-
ſerer Gewalt iſt. Ich will jetzt nicht von den Ge-
ſchaͤfften der Menſchen reden wo die Ungewißheit
von Beſchaffenheit der Umſtaͤnde herruͤhret, welche
ſie in Erfahrung zu bringen nicht im Stande ſind,
und in deren Ausfuͤhrung ſo viele Sachen ſich mit
einſchleichen, die ſie unmoͤglich vorher ſehen koͤnnen;
ſondern blos bey den allgemeinen Wahrheiten ſtehen
bleiben, welche zu der Theorie gehoͤren. Dieſe ſind
allerdings dergeſtalt determiniret, daß ſie durch den
Verſtand koͤnnen begriffen werden: allein der ge-
uͤbteſte Verſtand eines Menſchen reichet nicht immer
zu dasjenige zu entdecken, wodurch die Wahrheit
determiniret wird. Und ſolchergeſtalt faͤllet es auch
nicht moͤglich, gewiſſe Erkenntniß der Wahrheit zu
erreichen. Es waͤre aber eine groſſe Thorheit, wann
man lieber gantz unwiſſend in einer Sache verblei-
ben wollte, als ſich mit einer Erkenntniß begnuͤgen,
dabey man nicht voͤllige Gewißheit haben kan. Denn
auſſer der gewiſſen Erkenntniß, die freylich uͤberall
vorzuziehen; wo man ſie erhalten kan, giebt es auch
eine wahrſcheinliche, die in den Geſchaͤfften der Men-
ſchen die Stelle der gewiſſen mit Nutzen vertritt.
Und die Klugheit, welche wir in allen Faͤllen zu be-

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[10/0016] Hrn. Chriſtian Wolffens erreichet, als ihm nur immer moͤglich iſt. Unter- deſſen iſt doch nicht moͤglich, daß wir alles dasjenige, was uns zu erkennen nuͤtzlich, ja noͤthig iſt, mit Ge- wißheit erkennen. Die Schuld liegt nicht allemal an demjenigen, der ſich um die Erkenntniß bemuͤhet, ſondern auch oͤfters an der Sache ſelbſt, und an aͤuſſeren Umſtaͤnden, welche zu aͤndern nicht in un- ſerer Gewalt iſt. Ich will jetzt nicht von den Ge- ſchaͤfften der Menſchen reden wo die Ungewißheit von Beſchaffenheit der Umſtaͤnde herruͤhret, welche ſie in Erfahrung zu bringen nicht im Stande ſind, und in deren Ausfuͤhrung ſo viele Sachen ſich mit einſchleichen, die ſie unmoͤglich vorher ſehen koͤnnen; ſondern blos bey den allgemeinen Wahrheiten ſtehen bleiben, welche zu der Theorie gehoͤren. Dieſe ſind allerdings dergeſtalt determiniret, daß ſie durch den Verſtand koͤnnen begriffen werden: allein der ge- uͤbteſte Verſtand eines Menſchen reichet nicht immer zu dasjenige zu entdecken, wodurch die Wahrheit determiniret wird. Und ſolchergeſtalt faͤllet es auch nicht moͤglich, gewiſſe Erkenntniß der Wahrheit zu erreichen. Es waͤre aber eine groſſe Thorheit, wann man lieber gantz unwiſſend in einer Sache verblei- ben wollte, als ſich mit einer Erkenntniß begnuͤgen, dabey man nicht voͤllige Gewißheit haben kan. Denn auſſer der gewiſſen Erkenntniß, die freylich uͤberall vorzuziehen; wo man ſie erhalten kan, giebt es auch eine wahrſcheinliche, die in den Geſchaͤfften der Men- ſchen die Stelle der gewiſſen mit Nutzen vertritt. Und die Klugheit, welche wir in allen Faͤllen zu be- weiſen

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/16>, abgerufen am 27.11.2024.