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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Von denen Hindernissen der Vermehrung
fremde Dinge und besondere Umstände ungesund
werden. Von Wien hat man ein altes Sprich-
wort: Vienna aut ventosa aut venenosa, d. i. zu
Wien muß entweder der Wind wehen und also die
Lufft reinigen oder sie ist gifftig. Nun aber wehen
die Winde in unserm Lande nicht beständig, wie
man wohl anderswo in gewissen Zeiten und sonder-
lich zur See solche beständige Winde hat: daher
ist zu vermuthen, daß man schon seit langer Zeit
Wien eben nicht für den gesundesten Ort gehalten.
London wollen einige für gesund ausgeben, sie finden
aber aufrichtige Engelländer, so ihnen wiedersprechen.
Graunt [m] sagt ausdrücklich, daß der Dampf
und Gestanck, so beständig in und über London ist,
die Luft ungesunder mache, als sie auf dem platten
Lande ist; daß vor dem 16 hunderten Jahre die ge-
bohrnen zu denen gestorbenen in Londen eben die
Verhältniß gehabt als auf dem Lande, daher er
nicht abgeneigt zu glauben, daß London um das
Jahr 1665. ungesunder gewesen als ehedem, theils
weil es volckreicher, vornemlich aber darum, weil er
gehöret, daß 60. Jahr vorher wenig Stein-Kohlen
sind gebrandt worden, die anjetzo in allgemeinem
Gebrauch. Neweastle, schreibt er weiter, ist auch
um deßwillen ungesunder als andre Oerter, wo nem-
lich die Kohlen gegraben und gebraucht werden,
und viele Leute können auch daher in dem Dampf
zu London gar nicht aushalten, weil er eine Ersti-
ckung und Engbrüstigkeit verursachet. Vielleicht hat
Paris in diesem Stück einen Vorzug vor London,
Wien und andern Orten.

4.) Eine
[m] Annotat. p. 92. 95.

Von denen Hinderniſſen der Vermehrung
fremde Dinge und beſondere Umſtaͤnde ungeſund
werden. Von Wien hat man ein altes Sprich-
wort: Vienna aut ventoſa aut venenoſa, d. i. zu
Wien muß entweder der Wind wehen und alſo die
Lufft reinigen oder ſie iſt gifftig. Nun aber wehen
die Winde in unſerm Lande nicht beſtaͤndig, wie
man wohl anderswo in gewiſſen Zeiten und ſonder-
lich zur See ſolche beſtaͤndige Winde hat: daher
iſt zu vermuthen, daß man ſchon ſeit langer Zeit
Wien eben nicht fuͤr den geſundeſten Ort gehalten.
London wollen einige fuͤr geſund ausgeben, ſie finden
aber aufrichtige Engellaͤnder, ſo ihnen wiederſprechen.
Graunt [m] ſagt ausdruͤcklich, daß der Dampf
und Geſtanck, ſo beſtaͤndig in und uͤber London iſt,
die Luft ungeſunder mache, als ſie auf dem platten
Lande iſt; daß vor dem 16 hunderten Jahre die ge-
bohrnen zu denen geſtorbenen in Londen eben die
Verhaͤltniß gehabt als auf dem Lande, daher er
nicht abgeneigt zu glauben, daß London um das
Jahr 1665. ungeſunder geweſen als ehedem, theils
weil es volckreicher, vornemlich aber darum, weil er
gehoͤret, daß 60. Jahr vorher wenig Stein-Kohlen
ſind gebrandt worden, die anjetzo in allgemeinem
Gebrauch. Neweaſtle, ſchreibt er weiter, iſt auch
um deßwillen ungeſunder als andre Oerter, wo nem-
lich die Kohlen gegraben und gebraucht werden,
und viele Leute koͤnnen auch daher in dem Dampf
zu London gar nicht aushalten, weil er eine Erſti-
ckung und Engbruͤſtigkeit verurſachet. Vielleicht hat
Paris in dieſem Stuͤck einen Vorzug vor London,
Wien und andern Orten.

4.) Eine
[m] Annotat. p. 92. 95.
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[64/0110] Von denen Hinderniſſen der Vermehrung fremde Dinge und beſondere Umſtaͤnde ungeſund werden. Von Wien hat man ein altes Sprich- wort: Vienna aut ventoſa aut venenoſa, d. i. zu Wien muß entweder der Wind wehen und alſo die Lufft reinigen oder ſie iſt gifftig. Nun aber wehen die Winde in unſerm Lande nicht beſtaͤndig, wie man wohl anderswo in gewiſſen Zeiten und ſonder- lich zur See ſolche beſtaͤndige Winde hat: daher iſt zu vermuthen, daß man ſchon ſeit langer Zeit Wien eben nicht fuͤr den geſundeſten Ort gehalten. London wollen einige fuͤr geſund ausgeben, ſie finden aber aufrichtige Engellaͤnder, ſo ihnen wiederſprechen. Graunt [m] ſagt ausdruͤcklich, daß der Dampf und Geſtanck, ſo beſtaͤndig in und uͤber London iſt, die Luft ungeſunder mache, als ſie auf dem platten Lande iſt; daß vor dem 16 hunderten Jahre die ge- bohrnen zu denen geſtorbenen in Londen eben die Verhaͤltniß gehabt als auf dem Lande, daher er nicht abgeneigt zu glauben, daß London um das Jahr 1665. ungeſunder geweſen als ehedem, theils weil es volckreicher, vornemlich aber darum, weil er gehoͤret, daß 60. Jahr vorher wenig Stein-Kohlen ſind gebrandt worden, die anjetzo in allgemeinem Gebrauch. Neweaſtle, ſchreibt er weiter, iſt auch um deßwillen ungeſunder als andre Oerter, wo nem- lich die Kohlen gegraben und gebraucht werden, und viele Leute koͤnnen auch daher in dem Dampf zu London gar nicht aushalten, weil er eine Erſti- ckung und Engbruͤſtigkeit verurſachet. Vielleicht hat Paris in dieſem Stuͤck einen Vorzug vor London, Wien und andern Orten. 4.) Eine [m] Annotat. p. 92. 95.

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/110>, abgerufen am 27.11.2024.