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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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"Aber?"

"Aber würde von meinem Rechte Gebrauch machen, wie es mein Verstand und mein Instinkt diktieren. Du kennst jetzt meine Anschauungen über das Leben."

"Sag, wo hast du nur all das Zeug her?"

"Aus der Luft, meine Liebe; man fängt seine Lebensanschauungen wie die Schmetterlinge in der Luft. - Hopp! - und ich hab's!"

"Ja, du machst dich noch lustig über mich, über Menschen, die anders denken, über Frauen, die ihre Pflicht kennen!"

"Nein, mein liebes Stiefmütterchen, ich mach' mich nicht lustig - ganz besonders nicht über dich - ich bedaure dich! Ich schäme mich beinahe, vom Leben schon so viel zu wissen, was du als Frau, im Glanze deiner Frauenschönheit und -würde, bei Seite lässest, was du nicht kennst. Es ist nur das, daß ich mir weder die Augen verbinde noch die Ohren verstopfe, wie man es mir eigentlich zu tun befiehlt, wie du es auch getan, als du Mädchen warst und auch jetzt noch tust. Nicht wahr, ich wette, du würdest mir nicht erlauben, Romane zu lesen, die auf dem Index stehen?"

„Aber?“

„Aber würde von meinem Rechte Gebrauch machen, wie es mein Verstand und mein Instinkt diktieren. Du kennst jetzt meine Anschauungen über das Leben.“

„Sag, wo hast du nur all das Zeug her?“

„Aus der Luft, meine Liebe; man fängt seine Lebensanschauungen wie die Schmetterlinge in der Luft. – Hopp! – und ich hab's!“

„Ja, du machst dich noch lustig über mich, über Menschen, die anders denken, über Frauen, die ihre Pflicht kennen!“

„Nein, mein liebes Stiefmütterchen, ich mach’ mich nicht lustig – ganz besonders nicht über dich – ich bedaure dich! Ich schäme mich beinahe, vom Leben schon so viel zu wissen, was du als Frau, im Glanze deiner Frauenschönheit und -würde, bei Seite lässest, was du nicht kennst. Es ist nur das, daß ich mir weder die Augen verbinde noch die Ohren verstopfe, wie man es mir eigentlich zu tun befiehlt, wie du es auch getan, als du Mädchen warst und auch jetzt noch tust. Nicht wahr, ich wette, du würdest mir nicht erlauben, Romane zu lesen, die auf dem Index stehen?“

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[80/0081] „Aber?“ „Aber würde von meinem Rechte Gebrauch machen, wie es mein Verstand und mein Instinkt diktieren. Du kennst jetzt meine Anschauungen über das Leben.“ „Sag, wo hast du nur all das Zeug her?“ „Aus der Luft, meine Liebe; man fängt seine Lebensanschauungen wie die Schmetterlinge in der Luft. – Hopp! – und ich hab's!“ „Ja, du machst dich noch lustig über mich, über Menschen, die anders denken, über Frauen, die ihre Pflicht kennen!“ „Nein, mein liebes Stiefmütterchen, ich mach’ mich nicht lustig – ganz besonders nicht über dich – ich bedaure dich! Ich schäme mich beinahe, vom Leben schon so viel zu wissen, was du als Frau, im Glanze deiner Frauenschönheit und -würde, bei Seite lässest, was du nicht kennst. Es ist nur das, daß ich mir weder die Augen verbinde noch die Ohren verstopfe, wie man es mir eigentlich zu tun befiehlt, wie du es auch getan, als du Mädchen warst und auch jetzt noch tust. Nicht wahr, ich wette, du würdest mir nicht erlauben, Romane zu lesen, die auf dem Index stehen?“

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/81>, abgerufen am 25.11.2024.