Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905Im Dunkel streckte er die verlangenden Hände vor, wie in der Erwartung einer Berührung. Das Schweigen in der Finsternis reizte seine aufgeregten Nerven. Eilig machte er Licht. Und als er sich überzeugt, daß der Raum leer war, sank er gebrochen in einen Sessel. "Allein! Immer allein!" murmelte er. "Ewig allein!" Nach einer Weile schrie er auf: "Ich kann nicht mehr, es übersteigt meine Kräfte. Mein verzweifeltes Verlangen ist schon zum Alp geworden. Das Bedürfnis nach Liebe packt mich, wie wütender Hunger. Alles gestaltet sich mir zu Bildern und Berührungen der Lust. Lange glaubte ich, mich mit diesem anormalen Leben eines ideal verliebten Klostermönchs begnügen zu können, der sich mit der Erleichterung des Gebets, mit der Extase, der ewig überirdischen Anbetung bescheidet. Ich habe die Extravaganz bis zum Wahnsinn getrieben. Aber jetzt versagt mein Wille, etwas, das stärker ist als ich, drängt mich zum unmittelbaren Genuß sinnlicher Freuden. O, Mira, ich wollte dir mein Ich schenken, mein ganzes Ich! Und nun wird das von mir, was du verschmähst, zu entehrenden, weil liebelosen Im Dunkel streckte er die verlangenden Hände vor, wie in der Erwartung einer Berührung. Das Schweigen in der Finsternis reizte seine aufgeregten Nerven. Eilig machte er Licht. Und als er sich überzeugt, daß der Raum leer war, sank er gebrochen in einen Sessel. „Allein! Immer allein!“ murmelte er. „Ewig allein!“ Nach einer Weile schrie er auf: „Ich kann nicht mehr, es übersteigt meine Kräfte. Mein verzweifeltes Verlangen ist schon zum Alp geworden. Das Bedürfnis nach Liebe packt mich, wie wütender Hunger. Alles gestaltet sich mir zu Bildern und Berührungen der Lust. Lange glaubte ich, mich mit diesem anormalen Leben eines ideal verliebten Klostermönchs begnügen zu können, der sich mit der Erleichterung des Gebets, mit der Extase, der ewig überirdischen Anbetung bescheidet. Ich habe die Extravaganz bis zum Wahnsinn getrieben. Aber jetzt versagt mein Wille, etwas, das stärker ist als ich, drängt mich zum unmittelbaren Genuß sinnlicher Freuden. O, Mira, ich wollte dir mein Ich schenken, mein ganzes Ich! Und nun wird das von mir, was du verschmähst, zu entehrenden, weil liebelosen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0065" n="64"/> <p>Im Dunkel streckte er die verlangenden Hände vor, wie in der Erwartung einer Berührung. Das Schweigen in der Finsternis reizte seine aufgeregten Nerven. Eilig machte er Licht. Und als er sich überzeugt, daß der Raum leer war, sank er gebrochen in einen Sessel.</p> <p>„Allein! Immer allein!“ murmelte er. „Ewig allein!“</p> <p>Nach einer Weile schrie er auf:</p> <p>„Ich kann nicht mehr, es übersteigt meine Kräfte. Mein verzweifeltes Verlangen ist schon zum Alp geworden. Das Bedürfnis nach Liebe packt mich, wie wütender Hunger. Alles gestaltet sich mir zu Bildern und Berührungen der Lust. Lange glaubte ich, mich mit diesem anormalen Leben eines ideal verliebten Klostermönchs begnügen zu können, der sich mit der Erleichterung des Gebets, mit der Extase, der ewig überirdischen Anbetung bescheidet. Ich habe die Extravaganz bis zum Wahnsinn getrieben. Aber jetzt versagt mein Wille, etwas, das stärker ist als ich, drängt mich zum unmittelbaren Genuß sinnlicher Freuden. O, Mira, ich wollte dir mein Ich schenken, mein ganzes Ich! Und nun wird das von mir, was du verschmähst, zu entehrenden, weil liebelosen </p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0065]
Im Dunkel streckte er die verlangenden Hände vor, wie in der Erwartung einer Berührung. Das Schweigen in der Finsternis reizte seine aufgeregten Nerven. Eilig machte er Licht. Und als er sich überzeugt, daß der Raum leer war, sank er gebrochen in einen Sessel.
„Allein! Immer allein!“ murmelte er. „Ewig allein!“
Nach einer Weile schrie er auf:
„Ich kann nicht mehr, es übersteigt meine Kräfte. Mein verzweifeltes Verlangen ist schon zum Alp geworden. Das Bedürfnis nach Liebe packt mich, wie wütender Hunger. Alles gestaltet sich mir zu Bildern und Berührungen der Lust. Lange glaubte ich, mich mit diesem anormalen Leben eines ideal verliebten Klostermönchs begnügen zu können, der sich mit der Erleichterung des Gebets, mit der Extase, der ewig überirdischen Anbetung bescheidet. Ich habe die Extravaganz bis zum Wahnsinn getrieben. Aber jetzt versagt mein Wille, etwas, das stärker ist als ich, drängt mich zum unmittelbaren Genuß sinnlicher Freuden. O, Mira, ich wollte dir mein Ich schenken, mein ganzes Ich! Und nun wird das von mir, was du verschmähst, zu entehrenden, weil liebelosen
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