Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

Das Leben, wie sie es sich eingerichtet hatte, machte sie unfähig zu irgend einem geistigen oder seelischem Genuß.

Ihre Einbildungskraft hatte alle anderen Fähigkeiten vernichtet. Sie lebte in einer fortwährenden Überreiztheit ihrer Gedanken. Und wie ihr Gehirn sich durch ungewöhnliche Vorstellungen abnormal ernährt hatte, so machte ihr nichts Freude, als die Verwirklichung dieser Vorstellungen, so wie es für einen Dichter der einzige Genuß ist, die in seinem Kopf gleich einem Bienenschwarm vor dem Ausflug aus dem Bienenkorb summenden Reime in volltönende Verse zu ordnen.

Stella beging die Unvorsichtigkeit eine der vergnügten Nachmittagszusammenkünfte im Rondell ihres Parkes abzusagen. Die Unzufriedenen erkundigten sich nach der Ursache, errieten sie und man war entrüstet. Die Baronin war in ihren Launen wirklich zu weit gehend.

Nur der junge Leutnant ergriff ihre Partei. Er glaubte sie so ernsthaft gekränkt zu haben, daß er sich zum Rückzug verurteilte, aus Scham und vielleicht aus Angst.

Das Leben, wie sie es sich eingerichtet hatte, machte sie unfähig zu irgend einem geistigen oder seelischem Genuß.

Ihre Einbildungskraft hatte alle anderen Fähigkeiten vernichtet. Sie lebte in einer fortwährenden Überreiztheit ihrer Gedanken. Und wie ihr Gehirn sich durch ungewöhnliche Vorstellungen abnormal ernährt hatte, so machte ihr nichts Freude, als die Verwirklichung dieser Vorstellungen, so wie es für einen Dichter der einzige Genuß ist, die in seinem Kopf gleich einem Bienenschwarm vor dem Ausflug aus dem Bienenkorb summenden Reime in volltönende Verse zu ordnen.

Stella beging die Unvorsichtigkeit eine der vergnügten Nachmittagszusammenkünfte im Rondell ihres Parkes abzusagen. Die Unzufriedenen erkundigten sich nach der Ursache, errieten sie und man war entrüstet. Die Baronin war in ihren Launen wirklich zu weit gehend.

Nur der junge Leutnant ergriff ihre Partei. Er glaubte sie so ernsthaft gekränkt zu haben, daß er sich zum Rückzug verurteilte, aus Scham und vielleicht aus Angst.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0252" n="251"/>
        <p>Das Leben, wie sie es sich eingerichtet hatte, machte sie unfähig zu irgend einem geistigen oder seelischem Genuß.</p>
        <p>Ihre Einbildungskraft hatte alle anderen Fähigkeiten vernichtet. Sie lebte in einer fortwährenden Überreiztheit ihrer Gedanken. Und wie ihr Gehirn sich durch ungewöhnliche Vorstellungen abnormal ernährt hatte, so machte ihr nichts Freude, als die Verwirklichung dieser Vorstellungen, so wie es für einen Dichter der einzige Genuß ist, die in seinem Kopf gleich einem Bienenschwarm vor dem Ausflug aus dem Bienenkorb summenden Reime in volltönende Verse zu ordnen.</p>
        <p>Stella beging die Unvorsichtigkeit eine der vergnügten Nachmittagszusammenkünfte im Rondell ihres Parkes abzusagen. Die Unzufriedenen erkundigten sich nach der Ursache, errieten sie und man war entrüstet. Die Baronin war in ihren Launen wirklich zu weit gehend.</p>
        <p>Nur der junge Leutnant ergriff ihre Partei. Er glaubte sie so ernsthaft gekränkt zu haben, daß er sich zum Rückzug verurteilte, aus Scham und vielleicht aus Angst.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0252] Das Leben, wie sie es sich eingerichtet hatte, machte sie unfähig zu irgend einem geistigen oder seelischem Genuß. Ihre Einbildungskraft hatte alle anderen Fähigkeiten vernichtet. Sie lebte in einer fortwährenden Überreiztheit ihrer Gedanken. Und wie ihr Gehirn sich durch ungewöhnliche Vorstellungen abnormal ernährt hatte, so machte ihr nichts Freude, als die Verwirklichung dieser Vorstellungen, so wie es für einen Dichter der einzige Genuß ist, die in seinem Kopf gleich einem Bienenschwarm vor dem Ausflug aus dem Bienenkorb summenden Reime in volltönende Verse zu ordnen. Stella beging die Unvorsichtigkeit eine der vergnügten Nachmittagszusammenkünfte im Rondell ihres Parkes abzusagen. Die Unzufriedenen erkundigten sich nach der Ursache, errieten sie und man war entrüstet. Die Baronin war in ihren Launen wirklich zu weit gehend. Nur der junge Leutnant ergriff ihre Partei. Er glaubte sie so ernsthaft gekränkt zu haben, daß er sich zum Rückzug verurteilte, aus Scham und vielleicht aus Angst.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/252
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/252>, abgerufen am 12.12.2024.