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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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"Werde ich, nach Ihrer Meinung, wenn ich verheiratet bin weniger frei sein?"

"Oh! Sie verstehen mich wohl! Sie! Sie! Sie heiraten ohne Liebe, denn Sie lieben diesen zukünftigen Gatten nicht! O! sagen Sie mir Stella, daß Sie ihn nicht lieben!"

"Ich liebe augenblicklich Niemanden. Und daß ist sehr bequem, glauben Sie mir, um seinen Weg in der Welt zu machen. Später dann, wenn ich es mir im Leben nach meinem Geschmack und nach meinen Ideen eingerichtet haben werde, werde ich ja sehen! Aber Sie selbst, wie mir scheint machen es ebenso wie ich."

"Ja, bei einem Mann ist das etwas Anderes."

"Wirklich! Jetzt wollen Sie Unsinn reden. Nun gut! Umso schlimmer, daß ich will, daß es "nichts Anderes" sei. Was wollen Sie? Ich fühle mich Ihnen gleichwertig und beanspruche dieselben Menschenrechte. Es hat mir nie einleuchten wollen, daß ich Sklavin eines Menschen sein sollte. Ich gehe geradeaus durch das Leben, ohne mich durch konventionelle Dummheiten beirren zu lassen. Die Ehe, die ich eingehe, gefällt mir, ohne Zweifel, weil sie meinem Naturtrieb schmeicheln und meine Freiheit nicht fesseln

„Werde ich, nach Ihrer Meinung, wenn ich verheiratet bin weniger frei sein?“

„Oh! Sie verstehen mich wohl! Sie! Sie! Sie heiraten ohne Liebe, denn Sie lieben diesen zukünftigen Gatten nicht! O! sagen Sie mir Stella, daß Sie ihn nicht lieben!“

„Ich liebe augenblicklich Niemanden. Und daß ist sehr bequem, glauben Sie mir, um seinen Weg in der Welt zu machen. Später dann, wenn ich es mir im Leben nach meinem Geschmack und nach meinen Ideen eingerichtet haben werde, werde ich ja sehen! Aber Sie selbst, wie mir scheint machen es ebenso wie ich.“

„Ja, bei einem Mann ist das etwas Anderes.“

„Wirklich! Jetzt wollen Sie Unsinn reden. Nun gut! Umso schlimmer, daß ich will, daß es „nichts Anderes“ sei. Was wollen Sie? Ich fühle mich Ihnen gleichwertig und beanspruche dieselben Menschenrechte. Es hat mir nie einleuchten wollen, daß ich Sklavin eines Menschen sein sollte. Ich gehe geradeaus durch das Leben, ohne mich durch konventionelle Dummheiten beirren zu lassen. Die Ehe, die ich eingehe, gefällt mir, ohne Zweifel, weil sie meinem Naturtrieb schmeicheln und meine Freiheit nicht fesseln

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[175/0176] „Werde ich, nach Ihrer Meinung, wenn ich verheiratet bin weniger frei sein?“ „Oh! Sie verstehen mich wohl! Sie! Sie! Sie heiraten ohne Liebe, denn Sie lieben diesen zukünftigen Gatten nicht! O! sagen Sie mir Stella, daß Sie ihn nicht lieben!“ „Ich liebe augenblicklich Niemanden. Und daß ist sehr bequem, glauben Sie mir, um seinen Weg in der Welt zu machen. Später dann, wenn ich es mir im Leben nach meinem Geschmack und nach meinen Ideen eingerichtet haben werde, werde ich ja sehen! Aber Sie selbst, wie mir scheint machen es ebenso wie ich.“ „Ja, bei einem Mann ist das etwas Anderes.“ „Wirklich! Jetzt wollen Sie Unsinn reden. Nun gut! Umso schlimmer, daß ich will, daß es „nichts Anderes“ sei. Was wollen Sie? Ich fühle mich Ihnen gleichwertig und beanspruche dieselben Menschenrechte. Es hat mir nie einleuchten wollen, daß ich Sklavin eines Menschen sein sollte. Ich gehe geradeaus durch das Leben, ohne mich durch konventionelle Dummheiten beirren zu lassen. Die Ehe, die ich eingehe, gefällt mir, ohne Zweifel, weil sie meinem Naturtrieb schmeicheln und meine Freiheit nicht fesseln

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/176>, abgerufen am 26.11.2024.