Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905machen, wie in der Politik. Eine gewisse Schüchternheit war ihm geblieben, welche ihn an den Verkehr geringerer Beziehungen bannte. Bis zu ihrem fünfzehnten Jahre erhielt Alice zwischen den sehr verschiedenartigen Freunden der Familie von Werner eine oberflächliche Kenntnis aller jener Fragen, die die Großstadt von oben bis unten bewegen. Sie entwickelte sich unter dem minderwertigen Einfluß oberflächlicher Reden, erwarb die banale Kunst, von allem und über alles zu sprechen, von Theaterprinzessinnen, den modernen Ideen, von der Politik, den Sitten und einer ihrem Geschmacke angepaßten Moral, die sie sich zwecks Benutzung ihrer persönlichen Freiheit zurechtlegte, und als sie ihren Eltern in die Provinz folgte, brachte sie den gefährlichen Keim ihrer bedauernswerten Erziehung dahin mit, der in der seltsamen Energie ihres Temperamentes schnell Wurzel schlug. Jetzt war sie ein hübsches Mädchen voller Güte, nervös, leidenschaftlich, mit einschmeichelnden, etwas katzenartigen Manieren, unter einer gewissen tragischen Maske. Für Fernand von Eulenburg hatte sie eine heftige Leidenschaft gefaßt und erwiderte unverzüglich die ersten zerstreuten Annäherungen des jungen Mannes, machen, wie in der Politik. Eine gewisse Schüchternheit war ihm geblieben, welche ihn an den Verkehr geringerer Beziehungen bannte. Bis zu ihrem fünfzehnten Jahre erhielt Alice zwischen den sehr verschiedenartigen Freunden der Familie von Werner eine oberflächliche Kenntnis aller jener Fragen, die die Großstadt von oben bis unten bewegen. Sie entwickelte sich unter dem minderwertigen Einfluß oberflächlicher Reden, erwarb die banale Kunst, von allem und über alles zu sprechen, von Theaterprinzessinnen, den modernen Ideen, von der Politik, den Sitten und einer ihrem Geschmacke angepaßten Moral, die sie sich zwecks Benutzung ihrer persönlichen Freiheit zurechtlegte, und als sie ihren Eltern in die Provinz folgte, brachte sie den gefährlichen Keim ihrer bedauernswerten Erziehung dahin mit, der in der seltsamen Energie ihres Temperamentes schnell Wurzel schlug. Jetzt war sie ein hübsches Mädchen voller Güte, nervös, leidenschaftlich, mit einschmeichelnden, etwas katzenartigen Manieren, unter einer gewissen tragischen Maske. Für Fernand von Eulenburg hatte sie eine heftige Leidenschaft gefaßt und erwiderte unverzüglich die ersten zerstreuten Annäherungen des jungen Mannes, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="164"/> machen, wie in der Politik. Eine gewisse Schüchternheit war ihm geblieben, welche ihn an den Verkehr geringerer Beziehungen bannte.</p> <p>Bis zu ihrem fünfzehnten Jahre erhielt Alice zwischen den sehr verschiedenartigen Freunden der Familie von Werner eine oberflächliche Kenntnis aller jener Fragen, die die Großstadt von oben bis unten bewegen. Sie entwickelte sich unter dem minderwertigen Einfluß oberflächlicher Reden, erwarb die banale Kunst, von allem und über alles zu sprechen, von Theaterprinzessinnen, den modernen Ideen, von der Politik, den Sitten und einer ihrem Geschmacke angepaßten Moral, die sie sich zwecks Benutzung ihrer persönlichen Freiheit zurechtlegte, und als sie ihren Eltern in die Provinz folgte, brachte sie den gefährlichen Keim ihrer bedauernswerten Erziehung dahin mit, der in der seltsamen Energie ihres Temperamentes schnell Wurzel schlug. Jetzt war sie ein hübsches Mädchen voller Güte, nervös, leidenschaftlich, mit einschmeichelnden, etwas katzenartigen Manieren, unter einer gewissen tragischen Maske.</p> <p>Für Fernand von Eulenburg hatte sie eine heftige Leidenschaft gefaßt und erwiderte unverzüglich die ersten zerstreuten Annäherungen des jungen Mannes, </p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0165]
machen, wie in der Politik. Eine gewisse Schüchternheit war ihm geblieben, welche ihn an den Verkehr geringerer Beziehungen bannte.
Bis zu ihrem fünfzehnten Jahre erhielt Alice zwischen den sehr verschiedenartigen Freunden der Familie von Werner eine oberflächliche Kenntnis aller jener Fragen, die die Großstadt von oben bis unten bewegen. Sie entwickelte sich unter dem minderwertigen Einfluß oberflächlicher Reden, erwarb die banale Kunst, von allem und über alles zu sprechen, von Theaterprinzessinnen, den modernen Ideen, von der Politik, den Sitten und einer ihrem Geschmacke angepaßten Moral, die sie sich zwecks Benutzung ihrer persönlichen Freiheit zurechtlegte, und als sie ihren Eltern in die Provinz folgte, brachte sie den gefährlichen Keim ihrer bedauernswerten Erziehung dahin mit, der in der seltsamen Energie ihres Temperamentes schnell Wurzel schlug. Jetzt war sie ein hübsches Mädchen voller Güte, nervös, leidenschaftlich, mit einschmeichelnden, etwas katzenartigen Manieren, unter einer gewissen tragischen Maske.
Für Fernand von Eulenburg hatte sie eine heftige Leidenschaft gefaßt und erwiderte unverzüglich die ersten zerstreuten Annäherungen des jungen Mannes,
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Zitationshilfe: | Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/165>, abgerufen am 21.02.2025. |