Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905auf dem grauen Nebel erschienen und mit schrillem Geschrei, als ob sie sich verloren fühlten, die Seevögel klagten. Er empfand eine unsagbare Bangigkeit und eilte zum zarten goldigen Lampenlicht zurück. Die Vorhänge waren geschlossen, alle nächtlichen Geräusche verschwimmen in ein langes eintöniges Rauschen, die Rosen durchduften die laue Luft mit ihrem feinen Wohlgeruch. "Ach, einer liebt immer stärker als der andere. Jetzt bin ich es, später wirst du es sein. Das ist das Leben!" ... Ein Monat verging. Frau von Ellissen war allein in ihrem Zimmer, als man ihr einen Brief brachte; sie erkannte sofort Freds Schrift. "O Mira, ich liebe Sie! Lassen Sie mich noch hoffen. Sagen Sie nicht Ihr letztes Wort, sagen Sie es noch nicht. Lassen Sie mir noch eine Frist. Überlegen Sie. Quälen Sie nicht Ihren Geist, um Gründe gegen Ihr Herz zu finden, da Sie mich lieben. Ja oder nein, lieben Sie mich? Wenn Sie mich lieben, werden Sie die Meine. Wie groß könnte unser Glück sein, wenn Sie wollten. Wir würden die Provinz verlassen, wir würden uns in einer herrlichen Gegend auf dem grauen Nebel erschienen und mit schrillem Geschrei, als ob sie sich verloren fühlten, die Seevögel klagten. Er empfand eine unsagbare Bangigkeit und eilte zum zarten goldigen Lampenlicht zurück. Die Vorhänge waren geschlossen, alle nächtlichen Geräusche verschwimmen in ein langes eintöniges Rauschen, die Rosen durchduften die laue Luft mit ihrem feinen Wohlgeruch. „Ach, einer liebt immer stärker als der andere. Jetzt bin ich es, später wirst du es sein. Das ist das Leben!“ … Ein Monat verging. Frau von Ellissen war allein in ihrem Zimmer, als man ihr einen Brief brachte; sie erkannte sofort Freds Schrift. „O Mira, ich liebe Sie! Lassen Sie mich noch hoffen. Sagen Sie nicht Ihr letztes Wort, sagen Sie es noch nicht. Lassen Sie mir noch eine Frist. Überlegen Sie. Quälen Sie nicht Ihren Geist, um Gründe gegen Ihr Herz zu finden, da Sie mich lieben. Ja oder nein, lieben Sie mich? Wenn Sie mich lieben, werden Sie die Meine. Wie groß könnte unser Glück sein, wenn Sie wollten. Wir würden die Provinz verlassen, wir würden uns in einer herrlichen Gegend <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="136"/> auf dem grauen Nebel erschienen und mit schrillem Geschrei, als ob sie sich verloren fühlten, die Seevögel klagten.</p> <p>Er empfand eine unsagbare Bangigkeit und eilte zum zarten goldigen Lampenlicht zurück. Die Vorhänge waren geschlossen, alle nächtlichen Geräusche verschwimmen in ein langes eintöniges Rauschen, die Rosen durchduften die laue Luft mit ihrem feinen Wohlgeruch.</p> <p>„Ach, einer liebt immer stärker als der andere. Jetzt bin ich es, später wirst du es sein. Das ist das Leben!“ …</p> <p>Ein Monat verging. Frau von Ellissen war allein in ihrem Zimmer, als man ihr einen Brief brachte; sie erkannte sofort Freds Schrift.</p> <p>„O Mira, ich liebe Sie! Lassen Sie mich noch hoffen. Sagen Sie nicht Ihr letztes Wort, sagen Sie es noch nicht. Lassen Sie mir noch eine Frist. Überlegen Sie. Quälen Sie nicht Ihren Geist, um Gründe gegen Ihr Herz zu finden, da Sie mich lieben. Ja oder nein, lieben Sie mich? Wenn Sie mich lieben, werden Sie die Meine. Wie groß könnte unser Glück sein, wenn Sie wollten. Wir würden die Provinz verlassen, wir würden uns in einer herrlichen Gegend </p> </div> </body> </text> </TEI> [136/0137]
auf dem grauen Nebel erschienen und mit schrillem Geschrei, als ob sie sich verloren fühlten, die Seevögel klagten.
Er empfand eine unsagbare Bangigkeit und eilte zum zarten goldigen Lampenlicht zurück. Die Vorhänge waren geschlossen, alle nächtlichen Geräusche verschwimmen in ein langes eintöniges Rauschen, die Rosen durchduften die laue Luft mit ihrem feinen Wohlgeruch.
„Ach, einer liebt immer stärker als der andere. Jetzt bin ich es, später wirst du es sein. Das ist das Leben!“ …
Ein Monat verging. Frau von Ellissen war allein in ihrem Zimmer, als man ihr einen Brief brachte; sie erkannte sofort Freds Schrift.
„O Mira, ich liebe Sie! Lassen Sie mich noch hoffen. Sagen Sie nicht Ihr letztes Wort, sagen Sie es noch nicht. Lassen Sie mir noch eine Frist. Überlegen Sie. Quälen Sie nicht Ihren Geist, um Gründe gegen Ihr Herz zu finden, da Sie mich lieben. Ja oder nein, lieben Sie mich? Wenn Sie mich lieben, werden Sie die Meine. Wie groß könnte unser Glück sein, wenn Sie wollten. Wir würden die Provinz verlassen, wir würden uns in einer herrlichen Gegend
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |