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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Frau von Ellissens physische Leiden hatten ihre Schönheit noch erhöht, die Blässe stand ihr gut, die Leute fanden sie anziehender als je.

Als Fred sie so wiedersah, war er geblendet und seine Begierde flammte neu auf. Auf ihren Spaziergängen im Park verfolgte er sie und suchte sie beharrlich allein zu treffen. Die wenigen Minuten aber, die er mit ihr zubringen konnte, wurden immer seltener, sei es, daß sie ihm auswich, sei es, daß Stellas ständige Gegenwart ein natürliches Hindernis bildete.

Wenn es ihm gelang, sie ohne Zeugen zu sprechen, hielt Frau von Ellissens beinahe schmerzliche Verwirrung den Ausbruch seiner Klagen hintan. Fred's Erregung stieg auf einen solchen Grad, daß er eines Abends vor ihr und vor Stella erklärte, daß er an einem Kummer sterben würde, der seine Kräfte überstiege, daß sein Wille ganz dahinschwände und daß man eines schönen Tages erfahren würde, er habe die Flucht ergriffen.

"Und wohin würden Sie gehen?" fragte Stella.

"Überallhin und nirgends," erwiderte er finster.

Und als Fred sich entfernt hatte, ohne daß die eine noch die andere auch nur die Hand ausgestreckt

Frau von Ellissens physische Leiden hatten ihre Schönheit noch erhöht, die Blässe stand ihr gut, die Leute fanden sie anziehender als je.

Als Fred sie so wiedersah, war er geblendet und seine Begierde flammte neu auf. Auf ihren Spaziergängen im Park verfolgte er sie und suchte sie beharrlich allein zu treffen. Die wenigen Minuten aber, die er mit ihr zubringen konnte, wurden immer seltener, sei es, daß sie ihm auswich, sei es, daß Stellas ständige Gegenwart ein natürliches Hindernis bildete.

Wenn es ihm gelang, sie ohne Zeugen zu sprechen, hielt Frau von Ellissens beinahe schmerzliche Verwirrung den Ausbruch seiner Klagen hintan. Fred’s Erregung stieg auf einen solchen Grad, daß er eines Abends vor ihr und vor Stella erklärte, daß er an einem Kummer sterben würde, der seine Kräfte überstiege, daß sein Wille ganz dahinschwände und daß man eines schönen Tages erfahren würde, er habe die Flucht ergriffen.

„Und wohin würden Sie gehen?“ fragte Stella.

„Überallhin und nirgends,“ erwiderte er finster.

Und als Fred sich entfernt hatte, ohne daß die eine noch die andere auch nur die Hand ausgestreckt

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[120/0121] Frau von Ellissens physische Leiden hatten ihre Schönheit noch erhöht, die Blässe stand ihr gut, die Leute fanden sie anziehender als je. Als Fred sie so wiedersah, war er geblendet und seine Begierde flammte neu auf. Auf ihren Spaziergängen im Park verfolgte er sie und suchte sie beharrlich allein zu treffen. Die wenigen Minuten aber, die er mit ihr zubringen konnte, wurden immer seltener, sei es, daß sie ihm auswich, sei es, daß Stellas ständige Gegenwart ein natürliches Hindernis bildete. Wenn es ihm gelang, sie ohne Zeugen zu sprechen, hielt Frau von Ellissens beinahe schmerzliche Verwirrung den Ausbruch seiner Klagen hintan. Fred’s Erregung stieg auf einen solchen Grad, daß er eines Abends vor ihr und vor Stella erklärte, daß er an einem Kummer sterben würde, der seine Kräfte überstiege, daß sein Wille ganz dahinschwände und daß man eines schönen Tages erfahren würde, er habe die Flucht ergriffen. „Und wohin würden Sie gehen?“ fragte Stella. „Überallhin und nirgends,“ erwiderte er finster. Und als Fred sich entfernt hatte, ohne daß die eine noch die andere auch nur die Hand ausgestreckt

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/121>, abgerufen am 23.11.2024.