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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Der Rath Gottes beym Tode Jesu.
freygesprochen und selig worden bin. Aber desto wich-
tiger und schätzbarer soll mir auch sein Tod bleiben. Wie
würde ich mich an der Weisheit und Güte meines Got-
tes, ia noch vielmehr an Jesu selbst versündigen, wenn
ich durch Unbußfertigkeit die ganze Absicht seines an mei-
ner Statt erduldeten Todes vereitlen wollte?

Aber auch mein eigner Tod soll mir theuer seyn.
Eben die Weisheit, durch welche alle Umstände des To-
des Jesu bestimmt wurden, wird auch die Schicksale bey
meinem Abschied aus der Welt so ordnen, wie es mir nütz-
lich ist. Er hat den Tag meines Todes bestimmt, und
solche Zeitumstände dazu ausersehen, die mir meine letzte
Leiden erleichtern sollen. Vielleicht sterbe ich in der Blü-
te meines Lebens, vielleicht in einem höhern Alter. Die-
ses soll mich nicht bekümmern. Die Zeit, die du meinem
Tod ausersehen hast, ist für mich die bequemste. Auch
selbst der Ort, wo ich sterben soll, ist von dir bestimmt
worden. Mag ich doch unter freyem Himmel oder in mei-
ner Wohnung, unter Freunden oder Fremdlingen, in mei-
nem Vaterlande oder in der Fremde sterben, das ist mir
gleichgültig; ich kann an jedem Orte, der zu meinem To-
de bestimmt ist, ruhig und selig sterben, wenn ich als ein
Christ sterbe. Aber vielleicht macht mir dis bange, daß
ich nicht die Art der Krankheit oder des Todes weiß, die über
mich verhängt seyn möchte. Allein warum sollte ich mich
darüber bekümmern? Der Herr meines Lebens hat alle
Umstände nach seiner weisen Güte eingerichtet. Es ge-
schieht, nach seinem Rath, wenn ich langsam oder plötzlich,
sanft oder mit Schmerzen sterbe. Und selbst in Ansehung
der Folgen meines Todes hat mein Gott die weisesten An-
stalten getroffen. Er hat schon meinem entseelten Körper
ein Plätzchen ausersehen, wo er ruhen soll, er hat schon
einen Trost für meine Freunde, die ich zurücklasse, aufbe-

hal-
Sturms Leidensgeschichte D

Der Rath Gottes beym Tode Jeſu.
freygeſprochen und ſelig worden bin. Aber deſto wich-
tiger und ſchätzbarer ſoll mir auch ſein Tod bleiben. Wie
würde ich mich an der Weisheit und Güte meines Got-
tes, ia noch vielmehr an Jeſu ſelbſt verſündigen, wenn
ich durch Unbußfertigkeit die ganze Abſicht ſeines an mei-
ner Statt erduldeten Todes vereitlen wollte?

Aber auch mein eigner Tod ſoll mir theuer ſeyn.
Eben die Weisheit, durch welche alle Umſtände des To-
des Jeſu beſtimmt wurden, wird auch die Schickſale bey
meinem Abſchied aus der Welt ſo ordnen, wie es mir nütz-
lich iſt. Er hat den Tag meines Todes beſtimmt, und
ſolche Zeitumſtände dazu auserſehen, die mir meine letzte
Leiden erleichtern ſollen. Vielleicht ſterbe ich in der Blü-
te meines Lebens, vielleicht in einem höhern Alter. Die-
ſes ſoll mich nicht bekümmern. Die Zeit, die du meinem
Tod auserſehen haſt, iſt für mich die bequemſte. Auch
ſelbſt der Ort, wo ich ſterben ſoll, iſt von dir beſtimmt
worden. Mag ich doch unter freyem Himmel oder in mei-
ner Wohnung, unter Freunden oder Fremdlingen, in mei-
nem Vaterlande oder in der Fremde ſterben, das iſt mir
gleichgültig; ich kann an jedem Orte, der zu meinem To-
de beſtimmt iſt, ruhig und ſelig ſterben, wenn ich als ein
Chriſt ſterbe. Aber vielleicht macht mir dis bange, daß
ich nicht die Art der Krankheit oder des Todes weiß, die über
mich verhängt ſeyn möchte. Allein warum ſollte ich mich
darüber bekümmern? Der Herr meines Lebens hat alle
Umſtände nach ſeiner weiſen Güte eingerichtet. Es ge-
ſchieht, nach ſeinem Rath, wenn ich langſam oder plötzlich,
ſanft oder mit Schmerzen ſterbe. Und ſelbſt in Anſehung
der Folgen meines Todes hat mein Gott die weiſeſten An-
ſtalten getroffen. Er hat ſchon meinem entſeelten Körper
ein Plätzchen auserſehen, wo er ruhen ſoll, er hat ſchon
einen Troſt für meine Freunde, die ich zurücklaſſe, aufbe-

hal-
Sturms Leidensgeſchichte D
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[49/0071] Der Rath Gottes beym Tode Jeſu. freygeſprochen und ſelig worden bin. Aber deſto wich- tiger und ſchätzbarer ſoll mir auch ſein Tod bleiben. Wie würde ich mich an der Weisheit und Güte meines Got- tes, ia noch vielmehr an Jeſu ſelbſt verſündigen, wenn ich durch Unbußfertigkeit die ganze Abſicht ſeines an mei- ner Statt erduldeten Todes vereitlen wollte? Aber auch mein eigner Tod ſoll mir theuer ſeyn. Eben die Weisheit, durch welche alle Umſtände des To- des Jeſu beſtimmt wurden, wird auch die Schickſale bey meinem Abſchied aus der Welt ſo ordnen, wie es mir nütz- lich iſt. Er hat den Tag meines Todes beſtimmt, und ſolche Zeitumſtände dazu auserſehen, die mir meine letzte Leiden erleichtern ſollen. Vielleicht ſterbe ich in der Blü- te meines Lebens, vielleicht in einem höhern Alter. Die- ſes ſoll mich nicht bekümmern. Die Zeit, die du meinem Tod auserſehen haſt, iſt für mich die bequemſte. Auch ſelbſt der Ort, wo ich ſterben ſoll, iſt von dir beſtimmt worden. Mag ich doch unter freyem Himmel oder in mei- ner Wohnung, unter Freunden oder Fremdlingen, in mei- nem Vaterlande oder in der Fremde ſterben, das iſt mir gleichgültig; ich kann an jedem Orte, der zu meinem To- de beſtimmt iſt, ruhig und ſelig ſterben, wenn ich als ein Chriſt ſterbe. Aber vielleicht macht mir dis bange, daß ich nicht die Art der Krankheit oder des Todes weiß, die über mich verhängt ſeyn möchte. Allein warum ſollte ich mich darüber bekümmern? Der Herr meines Lebens hat alle Umſtände nach ſeiner weiſen Güte eingerichtet. Es ge- ſchieht, nach ſeinem Rath, wenn ich langſam oder plötzlich, ſanft oder mit Schmerzen ſterbe. Und ſelbſt in Anſehung der Folgen meines Todes hat mein Gott die weiſeſten An- ſtalten getroffen. Er hat ſchon meinem entſeelten Körper ein Plätzchen auserſehen, wo er ruhen ſoll, er hat ſchon einen Troſt für meine Freunde, die ich zurücklaſſe, aufbe- hal- Sturms Leidensgeſchichte D

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/71>, abgerufen am 24.11.2024.