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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zweyter Abschnitt.
wir nehmen die Verantwortung seiner Hinrichtung
auf uns. Die göttliche Rache mag uns und unsre
Nachkommen verfolgen, wenn sein Blut unschul-
dig vergossen wird.

Praktische Anmerkungen.

1. Es gereicht dem Sünder zu keiner Entschuldigung, wenn
er sich beredet, daß er nicht aus eigner Entschliessung, sondern
aus einer eingebildeten Unvermeidlichkeit, oder aus Menschen-
furcht gesündiget habe.

2. Durch eine leere Ceremonie kann die Verschuldung eines
sündigen Gewissens nicht gehoben, noch auch die Uebertretung ei-
ner Pflicht gut gemacht werden.

3. Ein Heuchler häufet seine Verschuldung, indem er sich
äuserlich Mühe giebt, derselben loß zu werden.

4. Ach! ich müsse nie Gott und seinen Gesalbten verwerfen,
nie seine Rache mir oder andern anwünschen.

5. Das schreckliche Gericht, wodurch Gott die Jüden heim-
suchte, und worunter ihre Kinder noch liegen, beweiset auf eine
unwidersprechliche Art, daß Jesus als der Sohn Gottes, als
ein Gerechter, gestorben.

32. Geisselung Christi.

Pilatus sahe nun zu spät ein, daß er dem Volke zu
viel eingeräumt hatte. Allein er konnte jetzt nicht mehr zu-
rückgehen, ohne seine Ehre zu verletzen, oder den jüdischen
Pöbel noch mehr zu erbittern. Er willigte daher in das
Begehren des Volks und gab ihnen Barrabam loß, wel-
cher um Aufruhr und Mord willen gefangen gesetzt wor-
den, und den sie sich gleichwohl erbaten. Jesum aber ver-
urtheilte er zu der Todesstrase, die sie selbst gewählt hat-
ten, und überantwortete ihn zur Geisselung, welche gemei-
niglich vor der Kreuzigung herzugehen pflegte. Sogleich
führten ihn die Soldaten in den Hof des Pallastes, und
liessen die ganze Mannschaft zusammen kommen, so viel

da-

Zweyter Abſchnitt.
wir nehmen die Verantwortung ſeiner Hinrichtung
auf uns. Die göttliche Rache mag uns und unſre
Nachkommen verfolgen, wenn ſein Blut unſchul-
dig vergoſſen wird.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Es gereicht dem Sünder zu keiner Entſchuldigung, wenn
er ſich beredet, daß er nicht aus eigner Entſchlieſſung, ſondern
aus einer eingebildeten Unvermeidlichkeit, oder aus Menſchen-
furcht geſündiget habe.

2. Durch eine leere Ceremonie kann die Verſchuldung eines
ſündigen Gewiſſens nicht gehoben, noch auch die Uebertretung ei-
ner Pflicht gut gemacht werden.

3. Ein Heuchler häufet ſeine Verſchuldung, indem er ſich
äuſerlich Mühe giebt, derſelben loß zu werden.

4. Ach! ich müſſe nie Gott und ſeinen Geſalbten verwerfen,
nie ſeine Rache mir oder andern anwünſchen.

5. Das ſchreckliche Gericht, wodurch Gott die Jüden heim-
ſuchte, und worunter ihre Kinder noch liegen, beweiſet auf eine
unwiderſprechliche Art, daß Jeſus als der Sohn Gottes, als
ein Gerechter, geſtorben.

32. Geiſſelung Chriſti.

Pilatus ſahe nun zu ſpät ein, daß er dem Volke zu
viel eingeräumt hatte. Allein er konnte jetzt nicht mehr zu-
rückgehen, ohne ſeine Ehre zu verletzen, oder den jüdiſchen
Pöbel noch mehr zu erbittern. Er willigte daher in das
Begehren des Volks und gab ihnen Barrabam loß, wel-
cher um Aufruhr und Mord willen gefangen geſetzt wor-
den, und den ſie ſich gleichwohl erbaten. Jeſum aber ver-
urtheilte er zu der Todesſtraſe, die ſie ſelbſt gewählt hat-
ten, und überantwortete ihn zur Geiſſelung, welche gemei-
niglich vor der Kreuzigung herzugehen pflegte. Sogleich
führten ihn die Soldaten in den Hof des Pallaſtes, und
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da-
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[262/0284] Zweyter Abſchnitt. wir nehmen die Verantwortung ſeiner Hinrichtung auf uns. Die göttliche Rache mag uns und unſre Nachkommen verfolgen, wenn ſein Blut unſchul- dig vergoſſen wird. Praktiſche Anmerkungen. 1. Es gereicht dem Sünder zu keiner Entſchuldigung, wenn er ſich beredet, daß er nicht aus eigner Entſchlieſſung, ſondern aus einer eingebildeten Unvermeidlichkeit, oder aus Menſchen- furcht geſündiget habe. 2. Durch eine leere Ceremonie kann die Verſchuldung eines ſündigen Gewiſſens nicht gehoben, noch auch die Uebertretung ei- ner Pflicht gut gemacht werden. 3. Ein Heuchler häufet ſeine Verſchuldung, indem er ſich äuſerlich Mühe giebt, derſelben loß zu werden. 4. Ach! ich müſſe nie Gott und ſeinen Geſalbten verwerfen, nie ſeine Rache mir oder andern anwünſchen. 5. Das ſchreckliche Gericht, wodurch Gott die Jüden heim- ſuchte, und worunter ihre Kinder noch liegen, beweiſet auf eine unwiderſprechliche Art, daß Jeſus als der Sohn Gottes, als ein Gerechter, geſtorben. 32. Geiſſelung Chriſti. Pilatus ſahe nun zu ſpät ein, daß er dem Volke zu viel eingeräumt hatte. Allein er konnte jetzt nicht mehr zu- rückgehen, ohne ſeine Ehre zu verletzen, oder den jüdiſchen Pöbel noch mehr zu erbittern. Er willigte daher in das Begehren des Volks und gab ihnen Barrabam loß, wel- cher um Aufruhr und Mord willen gefangen geſetzt wor- den, und den ſie ſich gleichwohl erbaten. Jeſum aber ver- urtheilte er zu der Todesſtraſe, die ſie ſelbſt gewählt hat- ten, und überantwortete ihn zur Geiſſelung, welche gemei- niglich vor der Kreuzigung herzugehen pflegte. Sogleich führten ihn die Soldaten in den Hof des Pallaſtes, und lieſſen die ganze Mannſchaft zuſammen kommen, ſo viel da-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/284>, abgerufen am 25.11.2024.