6. Eine Handlung ist destov erabscheuungswürdiger, je ruch- loser die Bewegungsgründe sind, aus welchen man handelt.
7. Gott trifft bey der Zulassung des Bösen in der Welt solche Veranstaltungen, daß man unläugbar einsehen kann, daß er keinen Antheil an den Versündigungen der Menschen nehme.
8. Es ist meine Pflicht, so viel in meinem Vermögen steht, etwas zur Rettung der Unschuld beyzurragen.
30. Austauschung Jesu gegen den Barrabas.
Die Hohenpriester und Aeltesten gaben sich inzwischen alle Mühe, den Pöbel durch allerhand Vorstellungen da- hin zu reizen, daß sie sich den Barrabas losbitten, und auf die Hinrichtung Jesu dringen möchten. Sie waren noch mit diesem gottlosen Vorhaben beschäftiget, als der Land- pfleger aufs neue eine Erklärung von Seiten des Volks auf seinen Vorschlag forderte. Er sprach zu ihnen: Seyd ihr nunmehr schlüßig worden? Welchen soll ich euch von diesen beiden losgeben? Soll ich nicht dem Könige der Juden die Freyheit schenken? Die ganze Menge rief einhellig: Hinweg mit Jesu! Barra- bam gieb uns los. Pilatus suchte den Pöbel zu besänf- tigen, und rief ihnen abermal zu: Aber was soll ich denn mit Jesu machen, von dem ich höre, daß er der Meßias, der König der Juden sey? Ans Kreuz, ans Kreuz mit ihm! schrien sie alle. Pilatus versuch- te es noch zum drittenmale, sie auf andre Gedanken zu bringen. Was hat dieser Mensch denn Böses gethan? sagte er. Ich finde, wie ich auch schon erklärt ha- be, daß er auf keine Art des Todes schuldig ist. So werde ich ihn denn geisseln lassen und alsdann in Freyheit setzen. Der Pöbel schrie noch heftiger: Ans Kreuz soll er. Durch dieses Geschrey übertäubten sie Pilatum. Und da er sahe, daß sogar die Glieder des ho-
hen
Zweyter Abſchnitt.
6. Eine Handlung iſt deſtov erabſcheuungswürdiger, je ruch- loſer die Bewegungsgründe ſind, aus welchen man handelt.
7. Gott trifft bey der Zulaſſung des Böſen in der Welt ſolche Veranſtaltungen, daß man unläugbar einſehen kann, daß er keinen Antheil an den Verſündigungen der Menſchen nehme.
8. Es iſt meine Pflicht, ſo viel in meinem Vermögen ſteht, etwas zur Rettung der Unſchuld beyzurragen.
30. Austauſchung Jeſu gegen den Barrabas.
Die Hohenprieſter und Aelteſten gaben ſich inzwiſchen alle Mühe, den Pöbel durch allerhand Vorſtellungen da- hin zu reizen, daß ſie ſich den Barrabas losbitten, und auf die Hinrichtung Jeſu dringen möchten. Sie waren noch mit dieſem gottloſen Vorhaben beſchäftiget, als der Land- pfleger aufs neue eine Erklärung von Seiten des Volks auf ſeinen Vorſchlag forderte. Er ſprach zu ihnen: Seyd ihr nunmehr ſchlüßig worden? Welchen ſoll ich euch von dieſen beiden losgeben? Soll ich nicht dem Könige der Juden die Freyheit ſchenken? Die ganze Menge rief einhellig: Hinweg mit Jeſu! Barra- bam gieb uns los. Pilatus ſuchte den Pöbel zu beſänf- tigen, und rief ihnen abermal zu: Aber was ſoll ich denn mit Jeſu machen, von dem ich höre, daß er der Meßias, der König der Juden ſey? Ans Kreuz, ans Kreuz mit ihm! ſchrien ſie alle. Pilatus verſuch- te es noch zum drittenmale, ſie auf andre Gedanken zu bringen. Was hat dieſer Menſch denn Böſes gethan? ſagte er. Ich finde, wie ich auch ſchon erklärt ha- be, daß er auf keine Art des Todes ſchuldig iſt. So werde ich ihn denn geiſſeln laſſen und alsdann in Freyheit ſetzen. Der Pöbel ſchrie noch heftiger: Ans Kreuz ſoll er. Durch dieſes Geſchrey übertäubten ſie Pilatum. Und da er ſahe, daß ſogar die Glieder des ho-
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Zweyter Abſchnitt.
6. Eine Handlung iſt deſtov erabſcheuungswürdiger, je ruch-
loſer die Bewegungsgründe ſind, aus welchen man handelt.
7. Gott trifft bey der Zulaſſung des Böſen in der Welt ſolche
Veranſtaltungen, daß man unläugbar einſehen kann, daß er
keinen Antheil an den Verſündigungen der Menſchen nehme.
8. Es iſt meine Pflicht, ſo viel in meinem Vermögen ſteht,
etwas zur Rettung der Unſchuld beyzurragen.
30. Austauſchung Jeſu gegen den Barrabas.
Die Hohenprieſter und Aelteſten gaben ſich inzwiſchen
alle Mühe, den Pöbel durch allerhand Vorſtellungen da-
hin zu reizen, daß ſie ſich den Barrabas losbitten, und auf
die Hinrichtung Jeſu dringen möchten. Sie waren noch
mit dieſem gottloſen Vorhaben beſchäftiget, als der Land-
pfleger aufs neue eine Erklärung von Seiten des Volks auf
ſeinen Vorſchlag forderte. Er ſprach zu ihnen: Seyd
ihr nunmehr ſchlüßig worden? Welchen ſoll ich
euch von dieſen beiden losgeben? Soll ich nicht dem
Könige der Juden die Freyheit ſchenken? Die ganze
Menge rief einhellig: Hinweg mit Jeſu! Barra-
bam gieb uns los. Pilatus ſuchte den Pöbel zu beſänf-
tigen, und rief ihnen abermal zu: Aber was ſoll ich
denn mit Jeſu machen, von dem ich höre, daß er
der Meßias, der König der Juden ſey? Ans Kreuz,
ans Kreuz mit ihm! ſchrien ſie alle. Pilatus verſuch-
te es noch zum drittenmale, ſie auf andre Gedanken zu
bringen. Was hat dieſer Menſch denn Böſes gethan?
ſagte er. Ich finde, wie ich auch ſchon erklärt ha-
be, daß er auf keine Art des Todes ſchuldig iſt. So
werde ich ihn denn geiſſeln laſſen und alsdann in
Freyheit ſetzen. Der Pöbel ſchrie noch heftiger: Ans
Kreuz ſoll er. Durch dieſes Geſchrey übertäubten ſie
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/282>, abgerufen am 03.07.2024.
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