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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Von dem Leiden Jesu selbst.
sen seyn würden, wenn sie selbst die Hinrichtung Jesu ver-
anstaltet hätten. Es war daher beschlossen worden, ihn
an die römische Obrigkeit auszuliefern. Seit geraumer
Zeit war über das jüdische Land ein besonderer Statthal-
ter gesetzt, der aber dem Landpfleger in Syrien unterwor-
fen war. Diese Stelle bekleidete gegenwärtig im Jüdi-
schen Lande Pontius Pilatus, ein Mann, der sich durch
seine tyrannischen Gesinnungen bey der ganzen jüdischen
Nation verhaßt gemacht hatte. Dem ohngeachtet hatte
sie der Haß gegen Jesum und ihr Blutdurst dahin ver-
mocht, eine Sache, die ihre Religion betraf, dem Urtheile
eines Römers zu unterwerfen.

Praktische Anmerkungen.

1. Es ist eine sehr alte Staatsklugheit, sich des weltlichen
Arms zur Verfolgung der Lehre Jesu und seiner Glieder zu be-
dienen.

2. Heuchler und Abergläubige halten Ungerechtigkeit und
Bosheit für nichtsbedeutende Dinge, wenn sie dabey die Beob-
achtung einiger gottesdienstlichen Gebräuche zur Absicht haben.

3. Wie oft ist schon die Religion Jesu dem Staatsinteresse
und einer verderbten Politik aufgeopfert worden!

4. Die göttliche Vorsehung weiß bey der Zulassung böser An-
schläge, dennoch ihre guten Absichten hinauszuführen.

5. Die Ueberantwortung Jesu in die Hände der Heiden kann
mich von der Allgemeinheit seines Mittlertodes und der Früchte
seiner Erlösung überzeugen.

24. Verzweiflung Judä.

Judas hatte sich bisher noch immer die Hofnung ge-
macht, daß Jesus sich aus den Händen seiner Feinde loß-
machen würde. Allein, als er sahe, daß das Todesur-
theil über ihn gesprochen, und er zur Vollziehung dessel-
ben an Pilatum ausgeliefert worden war, so reuete ihn

sei-
Q 5

Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
ſen ſeyn würden, wenn ſie ſelbſt die Hinrichtung Jeſu ver-
anſtaltet hätten. Es war daher beſchloſſen worden, ihn
an die römiſche Obrigkeit auszuliefern. Seit geraumer
Zeit war über das jüdiſche Land ein beſonderer Statthal-
ter geſetzt, der aber dem Landpfleger in Syrien unterwor-
fen war. Dieſe Stelle bekleidete gegenwärtig im Jüdi-
ſchen Lande Pontius Pilatus, ein Mann, der ſich durch
ſeine tyranniſchen Geſinnungen bey der ganzen jüdiſchen
Nation verhaßt gemacht hatte. Dem ohngeachtet hatte
ſie der Haß gegen Jeſum und ihr Blutdurſt dahin ver-
mocht, eine Sache, die ihre Religion betraf, dem Urtheile
eines Römers zu unterwerfen.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Es iſt eine ſehr alte Staatsklugheit, ſich des weltlichen
Arms zur Verfolgung der Lehre Jeſu und ſeiner Glieder zu be-
dienen.

2. Heuchler und Abergläubige halten Ungerechtigkeit und
Bosheit für nichtsbedeutende Dinge, wenn ſie dabey die Beob-
achtung einiger gottesdienſtlichen Gebräuche zur Abſicht haben.

3. Wie oft iſt ſchon die Religion Jeſu dem Staatsintereſſe
und einer verderbten Politik aufgeopfert worden!

4. Die göttliche Vorſehung weiß bey der Zulaſſung böſer An-
ſchläge, dennoch ihre guten Abſichten hinauszuführen.

5. Die Ueberantwortung Jeſu in die Hände der Heiden kann
mich von der Allgemeinheit ſeines Mittlertodes und der Früchte
ſeiner Erlöſung überzeugen.

24. Verzweiflung Judä.

Judas hatte ſich bisher noch immer die Hofnung ge-
macht, daß Jeſus ſich aus den Händen ſeiner Feinde loß-
machen würde. Allein, als er ſahe, daß das Todesur-
theil über ihn geſprochen, und er zur Vollziehung deſſel-
ben an Pilatum ausgeliefert worden war, ſo reuete ihn

ſei-
Q 5
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[249/0271] Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. ſen ſeyn würden, wenn ſie ſelbſt die Hinrichtung Jeſu ver- anſtaltet hätten. Es war daher beſchloſſen worden, ihn an die römiſche Obrigkeit auszuliefern. Seit geraumer Zeit war über das jüdiſche Land ein beſonderer Statthal- ter geſetzt, der aber dem Landpfleger in Syrien unterwor- fen war. Dieſe Stelle bekleidete gegenwärtig im Jüdi- ſchen Lande Pontius Pilatus, ein Mann, der ſich durch ſeine tyranniſchen Geſinnungen bey der ganzen jüdiſchen Nation verhaßt gemacht hatte. Dem ohngeachtet hatte ſie der Haß gegen Jeſum und ihr Blutdurſt dahin ver- mocht, eine Sache, die ihre Religion betraf, dem Urtheile eines Römers zu unterwerfen. Praktiſche Anmerkungen. 1. Es iſt eine ſehr alte Staatsklugheit, ſich des weltlichen Arms zur Verfolgung der Lehre Jeſu und ſeiner Glieder zu be- dienen. 2. Heuchler und Abergläubige halten Ungerechtigkeit und Bosheit für nichtsbedeutende Dinge, wenn ſie dabey die Beob- achtung einiger gottesdienſtlichen Gebräuche zur Abſicht haben. 3. Wie oft iſt ſchon die Religion Jeſu dem Staatsintereſſe und einer verderbten Politik aufgeopfert worden! 4. Die göttliche Vorſehung weiß bey der Zulaſſung böſer An- ſchläge, dennoch ihre guten Abſichten hinauszuführen. 5. Die Ueberantwortung Jeſu in die Hände der Heiden kann mich von der Allgemeinheit ſeines Mittlertodes und der Früchte ſeiner Erlöſung überzeugen. 24. Verzweiflung Judä. Judas hatte ſich bisher noch immer die Hofnung ge- macht, daß Jeſus ſich aus den Händen ſeiner Feinde loß- machen würde. Allein, als er ſahe, daß das Todesur- theil über ihn geſprochen, und er zur Vollziehung deſſel- ben an Pilatum ausgeliefert worden war, ſo reuete ihn ſei- Q 5

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/271>, abgerufen am 22.11.2024.