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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Von dem Leiden Jesu selbst.

2. Es ist niemals rathsam, in der ersten Hitze sich demjeni-
gen zu überlassen, wozu man etwa angetrieben wird.

3. Auch die besten Absichten können niemals gegen eine unor-
dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leisten.

4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und
Vorsichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der besten
Sache, ich meine, der Religion, zu beweisen habe.

9. Weises Betragen Jesu bey dieser Handlung.

So redlich die Absicht Petri bey dieser Unternehmung
seyn mochte, so konnte doch die Handlung selbst nicht ge-
billiget werden, da sie ganz der Gesinnung zuwider war,
die Jesus so oft seinen Jüngern eingeschärft hatte. Da-
her gab er dem Petro sein Mißfallen darüber zu erken-
nen, und sagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder
in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel-
che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch
die Umstände dazu berechtiget zu seyn, ergreifen,
auch durch dasselbe umkommen sollen? Und wie
konntest du dir vorstellen, daß ich zu meiner Befrey-
ung deines Beystandes nöthig hätte? Wäre es mir
um eine Befreyung zu thun, so konnte ich mir von
meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber
warum sollte ich nicht auch dieses mir von meinem
Vater bestimmte Leiden übernehmen? Die Weis-
sagungen der Schrift könnten ja ohne diese Begeg-
nisse nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch
daher eines fernern Widerstandes!
Um aber zu be-
weisen, wie menschenliebend sein Herz gesinnet, und wie
gros seine Macht, auch selbst in der tiefsten Erniedrigung
sey, so rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch
am äussersten Theil hängen geblieben war, an, und heilte
es in einem Augenblicke.

Prak-
P 4
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.

2. Es iſt niemals rathſam, in der erſten Hitze ſich demjeni-
gen zu überlaſſen, wozu man etwa angetrieben wird.

3. Auch die beſten Abſichten können niemals gegen eine unor-
dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leiſten.

4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und
Vorſichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der beſten
Sache, ich meine, der Religion, zu beweiſen habe.

9. Weiſes Betragen Jeſu bey dieſer Handlung.

So redlich die Abſicht Petri bey dieſer Unternehmung
ſeyn mochte, ſo konnte doch die Handlung ſelbſt nicht ge-
billiget werden, da ſie ganz der Geſinnung zuwider war,
die Jeſus ſo oft ſeinen Jüngern eingeſchärft hatte. Da-
her gab er dem Petro ſein Mißfallen darüber zu erken-
nen, und ſagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder
in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel-
che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch
die Umſtände dazu berechtiget zu ſeyn, ergreifen,
auch durch daſſelbe umkommen ſollen? Und wie
konnteſt du dir vorſtellen, daß ich zu meiner Befrey-
ung deines Beyſtandes nöthig hätte? Wäre es mir
um eine Befreyung zu thun, ſo konnte ich mir von
meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber
warum ſollte ich nicht auch dieſes mir von meinem
Vater beſtimmte Leiden übernehmen? Die Weiſ-
ſagungen der Schrift könnten ja ohne dieſe Begeg-
niſſe nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch
daher eines fernern Widerſtandes!
Um aber zu be-
weiſen, wie menſchenliebend ſein Herz geſinnet, und wie
gros ſeine Macht, auch ſelbſt in der tiefſten Erniedrigung
ſey, ſo rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch
am äuſſerſten Theil hängen geblieben war, an, und heilte
es in einem Augenblicke.

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[231/0253] Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. 2. Es iſt niemals rathſam, in der erſten Hitze ſich demjeni- gen zu überlaſſen, wozu man etwa angetrieben wird. 3. Auch die beſten Abſichten können niemals gegen eine unor- dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leiſten. 4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und Vorſichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der beſten Sache, ich meine, der Religion, zu beweiſen habe. 9. Weiſes Betragen Jeſu bey dieſer Handlung. So redlich die Abſicht Petri bey dieſer Unternehmung ſeyn mochte, ſo konnte doch die Handlung ſelbſt nicht ge- billiget werden, da ſie ganz der Geſinnung zuwider war, die Jeſus ſo oft ſeinen Jüngern eingeſchärft hatte. Da- her gab er dem Petro ſein Mißfallen darüber zu erken- nen, und ſagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel- che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch die Umſtände dazu berechtiget zu ſeyn, ergreifen, auch durch daſſelbe umkommen ſollen? Und wie konnteſt du dir vorſtellen, daß ich zu meiner Befrey- ung deines Beyſtandes nöthig hätte? Wäre es mir um eine Befreyung zu thun, ſo konnte ich mir von meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber warum ſollte ich nicht auch dieſes mir von meinem Vater beſtimmte Leiden übernehmen? Die Weiſ- ſagungen der Schrift könnten ja ohne dieſe Begeg- niſſe nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch daher eines fernern Widerſtandes! Um aber zu be- weiſen, wie menſchenliebend ſein Herz geſinnet, und wie gros ſeine Macht, auch ſelbſt in der tiefſten Erniedrigung ſey, ſo rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch am äuſſerſten Theil hängen geblieben war, an, und heilte es in einem Augenblicke. Prak- P 4

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/253>, abgerufen am 25.11.2024.