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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Durst Jesu am Kreuze.
nen Wandel geärgert habe, selig werden mögen. Auch
dieses Verlangen meines Geistes wollest du, o Heiland,
erfüllen! Dis wird für mein schmachtendes Herz die
stärkste und seligste Erquickung seyn.

So lange ich aber noch in der Welt lebe, so müsse
dein am Kreuz empfundner Durst mir beständig im An-
denken bleiben. Laß mich daran denken, wenn die Lust zu
unerlaubten Erquickungen und zum Mißbrauche deiner
Gaben mein Herz einnehmen sollte. Laß mich daran
denken, wenn ich eine erlaubte Gabe Gottes mit Wohl-
gefallen geniesse. Laß mich daran denken, wenn die Hitze
des Leidens oder das Gefühl der Sünde mich austrock-
net. Endlich, wenn ich zum letztenmahl in der Welt dür-
ste und mich nichts mehr laben kann, dann laß mich an
dich denken, und um deines Durstes willen erquickt, auf
ewig erquickt werden. Denn ich komme doch zuletzt an
den Ort, wo mich weder hungern noch dürsten, wo mich
weder Angst noch Trübsal berühren wird.



Vierzigste Betrachtung.
Vollendung Jesu durch den Tod.
Joh. 19, 30.
Da nun Jesus den Eßig genommen hatte, sprach er: es ist
vollbracht.

Nun war endlich der Augenblick erschienen, wo Jesus
nach den bittersten Empfindungen der Angst und
der Schmerzen diejenige Erquickung fand, die ihn
auf ewig stärkte. Die Grausamkeit seiner Feinde hatte ihm
bisher alles Labsal entzogen; aber den grossen Trost, den

er
M 2

Durſt Jeſu am Kreuze.
nen Wandel geärgert habe, ſelig werden mögen. Auch
dieſes Verlangen meines Geiſtes wolleſt du, o Heiland,
erfüllen! Dis wird für mein ſchmachtendes Herz die
ſtärkſte und ſeligſte Erquickung ſeyn.

So lange ich aber noch in der Welt lebe, ſo müſſe
dein am Kreuz empfundner Durſt mir beſtändig im An-
denken bleiben. Laß mich daran denken, wenn die Luſt zu
unerlaubten Erquickungen und zum Mißbrauche deiner
Gaben mein Herz einnehmen ſollte. Laß mich daran
denken, wenn ich eine erlaubte Gabe Gottes mit Wohl-
gefallen genieſſe. Laß mich daran denken, wenn die Hitze
des Leidens oder das Gefühl der Sünde mich austrock-
net. Endlich, wenn ich zum letztenmahl in der Welt dür-
ſte und mich nichts mehr laben kann, dann laß mich an
dich denken, und um deines Durſtes willen erquickt, auf
ewig erquickt werden. Denn ich komme doch zuletzt an
den Ort, wo mich weder hungern noch dürſten, wo mich
weder Angſt noch Trübſal berühren wird.



Vierzigſte Betrachtung.
Vollendung Jeſu durch den Tod.
Joh. 19, 30.
Da nun Jeſus den Eßig genommen hatte, ſprach er: es iſt
vollbracht.

Nun war endlich der Augenblick erſchienen, wo Jeſus
nach den bitterſten Empfindungen der Angſt und
der Schmerzen diejenige Erquickung fand, die ihn
auf ewig ſtärkte. Die Grauſamkeit ſeiner Feinde hatte ihm
bisher alles Labſal entzogen; aber den groſſen Troſt, den

er
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[179/0201] Durſt Jeſu am Kreuze. nen Wandel geärgert habe, ſelig werden mögen. Auch dieſes Verlangen meines Geiſtes wolleſt du, o Heiland, erfüllen! Dis wird für mein ſchmachtendes Herz die ſtärkſte und ſeligſte Erquickung ſeyn. So lange ich aber noch in der Welt lebe, ſo müſſe dein am Kreuz empfundner Durſt mir beſtändig im An- denken bleiben. Laß mich daran denken, wenn die Luſt zu unerlaubten Erquickungen und zum Mißbrauche deiner Gaben mein Herz einnehmen ſollte. Laß mich daran denken, wenn ich eine erlaubte Gabe Gottes mit Wohl- gefallen genieſſe. Laß mich daran denken, wenn die Hitze des Leidens oder das Gefühl der Sünde mich austrock- net. Endlich, wenn ich zum letztenmahl in der Welt dür- ſte und mich nichts mehr laben kann, dann laß mich an dich denken, und um deines Durſtes willen erquickt, auf ewig erquickt werden. Denn ich komme doch zuletzt an den Ort, wo mich weder hungern noch dürſten, wo mich weder Angſt noch Trübſal berühren wird. Vierzigſte Betrachtung. Vollendung Jeſu durch den Tod. Joh. 19, 30. Da nun Jeſus den Eßig genommen hatte, ſprach er: es iſt vollbracht. Nun war endlich der Augenblick erſchienen, wo Jeſus nach den bitterſten Empfindungen der Angſt und der Schmerzen diejenige Erquickung fand, die ihn auf ewig ſtärkte. Die Grauſamkeit ſeiner Feinde hatte ihm bisher alles Labſal entzogen; aber den groſſen Troſt, den er M 2

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/201>, abgerufen am 28.11.2024.